Sky Experte Stefan Kretzschmar beleuchtet in seiner Kolumne jede Woche die wichtigsten Themen aus der Welt des Handballs. Dieses Mal schaut der ehemalige Weltklasse-Linksaußen auf die beiden Testspiele der deutschen Nationalmannschaft gegen Serbien.
Länderspielpause in der Bundesliga: Für die deutsche Nationalmannschaft stehen die ersten Partien nach der enttäuschenden Europameisterschaft in Kroatien an. Das Team von Christian Prokop testet gegen Serbien. Für mich steht der spielerische Aspekt dabei gar nicht so sehr im Vordergrund. Ich bin gespannt zu sehen, wie die Mannschaft harmoniert und welche Reaktion sie zeigt. Aspekte wie Teamgeist, Zusammenhalt und Wille stehen dabei mehr im Fokus als irgendwelche taktischen Raffinessen.
Das Casting für die WM beginnt
Ich möchte Selbstvertrauen sehen, dass die Jungs dafür brennen, das Trikot der Nationalmannschaft zu tragen, und sich für die WM aufdrängen. Weil wir vor dem Highlight im eigenen Land keine Qualifikationsspiele unter nervlicher Belastung mehr haben, werden die Freundschaftsspiele als Casting genutzt. Wer passt am besten ins Team, wer integriert sich, wer möchte unbedingt Weltmeister im eigenen Land werden? Das sind die Komponenten, auf die nicht nur ich, sondern vor allem der Bundestrainer jetzt achtet.
Ich möchte sehen, dass alle, die bei der EM unter ihren Möglichkeiten geblieben sind, jetzt ihr normales Niveau abrufen. In der Bundesliga zeigen sie das ja Woche für Woche. Julius Kühn hat beispielsweise wieder eine beeindruckende Entwicklung genommen. Der nachnominierte Marian Michalczik spielt in Minden eine gute Rolle. Aber auch die Etablierten Groetzki, Gensheimer, Wolff, Heinevetter und Wiencek stehen jetzt im Fokus. Die Jungs müssen zusammenwachsen und als Einheit auftreten. Es muss sich eine Mannschaft bilden, die im Januar für Furore sorgen kann.
Wer vor der Heim-WM zurücktritt, hat im Handball nichts verloren
Die angekündigten Rücktritte einiger Spieler, die angeblich nicht mit Christian Prokop weiterarbeiten wollten, sind ja ausgeblieben. Überrascht hat mich das nicht. Wer vor einer WM im eigenen Land zurücktritt, der hat in unserer Sportart nichts verloren! Das ist die maximale Motivation eines jeden Handballers. Wer diese Chance bekommt, und dann sagt "ich will nicht", der sollte sich fragen, warum er Handballer ist. Man braucht nur mal bei den 2007er-Weltmeistern nachfragen, was der größte Moment ihres Lebens war.
Sportlich besteht auch 2019 die Möglichkeit, den Titel im eigenen Land zu holen. Eine Schlüsselposition dafür wird mit Sicherheit die Rückraum-Mitte sein. Hier gab es mit Paul Drux und Simon Ernst leider zwei prominente Ausfälle. Besonders im Fall von Simon ist es richtig bitter, weil er seinen zweiten Kreuzbandriss innerhalb kürzester Zeit erlitten hat. Sowohl im Abwehrverbund als auch im Angriff wäre er eine extreme Verstärkung gewesen. Aber Christian Prokop hat Alternativen, um das zu lösen.
Prokop hat viel gelernt
Der Bundestrainer hat bei der missglückten EM viel gelernt. Er ist in den letzten Wochen komplett in die Kommunikation gegangen, hat sich mit sämtlichen Bundesliga-Trainern ausgetauscht. Nun könnte man sagen, das sei zu viel Kommunikation. Du kannst es eben nicht jedem Recht machen. Die Rückmeldungen, die ich aus der Bundesliga bekommen habe, waren okay. Wenn man jetzt aber mit Argusaugen hinschaut, jede Auszeit auseinandernimmt und jedes Wort auf die Goldwaage legt, dann tut man ihm keinen Gefallen. Das wäre völlig am Thema vorbei.
Die Resultate gegen Serbien sind für Prokop aber wahnsinnig wichtig! Ohne die Stars Petar Nenadic, Marko Vujin und Momir Ilic ist das eine Mannschaft, die man im Griff haben muss. Klar hat Serbien auch junge, gute Spieler. Und es ist immer noch eine Nation, die weiß, wie man mit dem Ball umgeht. Aber vergleicht man die spielerische Qualität der beiden Mannschaften, dann müssen wir die Nase vorne haben.
Der Bundestrainer braucht positive Ergebnisse
Handball ist ein Ergebnissport und ein Trainer wird an Ergebnissen gemessen. Sollte man am Ende unglücklich mit einem Tor gegen starke Serben verlieren, dann kann man das auch akzeptieren, solange andere Aspekte stimmen: Zeigt das Team Selbstbewusstsein, Glaube und Wille? Das sind die wichtigen Komponenten, auf die es jetzt ankommt!