Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. Diese Woche geht es um den Showdown im Titelrennen, die Aussagen von BVB-Boss Watzke und die Personalie Kovac beim FC Bayern.
Am Samstag kommt es zum ultimativen Showdown in der Bundesliga. Sollten die Bayern zu Hause gegen Eintracht Frankfurt nicht verlieren, werden sie Deutscher Meister, zum siebten Mal in Folge, und dann wäre das auch verdient.
Watzke-Aussagen nur Säbelrasseln
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es nichts Schöneres gibt, als vor heimischem Publikum, am letzten Spieltag einer Saison, die Meisterschaft zu feiern. Ich durfte das 1986 und 1994 erleben und es war unvergesslich. Auch wenn aus Dortmund nun versucht wird, die Bayern ein bisschen nervös zu machen, so glaube ich nicht, dass das irgendwelche Auswirkungen hat.
Aki Watzke, dessen Arbeit ich sehr schätze und respektiere, hat versucht, den Druck an die Bayern weiterzugeben. Aber das ist dann doch eher ein Säbelrasseln. Das wird in der Münchner Mannschaft nicht registriert. Ich bin auch nicht Watzkes Meinung, wenn er sagt, dass Dortmund nun alles zu gewinnen und die Bayern alles zu verlieren haben.
BVB hätte Meisterschaft als Ziel ausgeben müssen
Ich finde schon, dass die Dortmunder Stand jetzt, einiges verloren haben. Nämlich einen Vorsprung von neun Punkten. Sie haben es verpasst, die große Titel-Chance am Schopf zu packen. Sie hätten sich viel früher klar positionieren müssen und das Ziel Meisterschaft selbstbewusst ausgeben.
Als sie jedoch Tabellenführer waren, kamen solche Sprüche nicht. Da wollte man sich dann lieber aufs nächste Spiel konzentrieren. Jetzt, wo sie seit ein paar Wochen auf Platz zwei sind, werden die Sprüche knackiger und das Wort Meisterschaft öfter ausgesprochen. Genau andersherum hätte es in meinen Augen mehr Sinn gemacht und dann hätte die Mannschaft vielleicht auch mehr an sich geglaubt.
Bayern gegen Frankfurt der große Favorit
Und trotzdem können sie es noch immer schaffen. Aber die Bayern sind zu Hause gegen Frankfurt der größere Favorit im Vergleich zum BVB bei Borussia Mönchengladbach. Den Frankfurtern merkt man körperlich und mental die Strapazen der letzten Wochen und das bittere Aus in der Europa League an.
Auch wenn sie jetzt eine ganze Woche Zeit haben, um sich auf die Bayern vorzubereiten. Die hätten um ein Haar bereits in Leipzig gefeiert. Ich verstehe den Unmut von Uli Hoeneß bei der knappen Abseits-Entscheidung gegen Lewandowski. Allerdings habe ich ein anderes Argument.
Uli hat sich geärgert, weil es keine klare Fehlentscheidung war. Abseits ist aber Abseits. Auch bei nur einem Zentimeter. Ich habe allerdings ein Standbild gesehen, bei dem die Hüfte des Leipzigers vor der Fußspitze von Lewandowski war. Und damit war es in meinen Augen ein reguläres Tor.
Wiedersehen für Favre und Kovac
Entscheidungen am letzten Spieltag haben oft etwas Magisches. Und so passt es auch in die Dramaturgie, dass Lucien Favre ausgerechnet bei seinem Ex-Klub Mönchengladbach und Niko Kovac gegen seine Frankfurter antreten muss. Kovac hat jetzt zwei Endspiele und kann im besten Fall das Double feiern. Sollte das so kommen, finde ich, hätte er in Anbetracht aller Umstände eine tolle Saison gespielt und es dann für mich auch verdient, weitermachen zu dürfen.
Er hätte es dann geschafft, neun Punkte aufzuholen und seit Jahren mal wieder das Double für den FCB zu ergattern. Er hat eine Mannschaft übernommen, die mit vielen negativen Erlebnissen in die neue Spielzeit starten mussten. Sei es die unterirdische Weltmeisterschaft, das verlorene Pokal-Finale oder das Aus gegen Real Madrid.
Er hat bis auf die feststehenden Transfers von Goretzka und Gnabry keinen Spieler bekommen. Er musste die nicht ganz leichte Abschieds-Saison von Robben und Ribery moderieren und im Klub herrschte oft sehr viel Unruhe. Stichwort: Pressekonferenz.
Keine Job-Garantie für Kovac
Wenn man all das zusammennimmt und sieht, wie souverän und am Ende vielleicht auch sehr erfolgreich, Niko Kovac sein erstes Jahr bei Bayern gestaltet hat, ist das schon eine bemerkenswerte Leistung. Auf der anderen Seite kann ich den Verein und die Bosse verstehen, wenn sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht dazu hinreißen, eine Job-Garantie für das nächste Jahr auszusprechen.
Das ist ehrlicher und aufrichtiger, als unzählige Vereinsvertreter, die ihr öffentliches Lippenbekenntnis oft ein paar Tage später zurücknehmen. Ich erinnere an die Vorgehensweise mit Tayfun Korkut in Stuttgart und mit Hecking in Gladbach. Auch wenn das in Stuttgart sicherlich nochmal drastischer war. Aber ich kann Karl-Heinz Rummenigge verstehen.
Zum einen haben die Bayern in dieser Saison noch keinen Titel gewonnen und zum anderen besteht selbst dann die Möglichkeit, dass man vielleicht eine andere Art von Fußball beim FC Bayern sehen möchte.
Aus gegen Liverpool wird Kovac zum Verhängnis?
Vielleicht hat den Entscheidungsträgern nicht gefallen, wie man sich in der Champions League gegen Liverpool präsentiert hat und verlangt einen Trainer, der dominanteren Fußball spielen lässt.
Allerdings hätte man wissen müssen, dass Kovac nicht dieselbe Philosophie wie beispielsweise Guardiola, Klopp oder ten Haag hat und unermüdlichen Offensivfußball spielen lässt. Aber auch hier darf nie vergessen werden, welche Spieler einem Trainer zur Verfügung stehen. Hummels und Boateng sind nicht mehr die schnellsten Innenverteidiger.
Wenn ich hoch verteidigen will, kann das sehr gefährlich werden. Pep und Klopp haben ihre Mannschaft in den letzten Jahren für extrem viel Geld komplett nach ihren Wünschen gestalten dürfen. Liverpool hat vor drei Jahren auch noch nicht so gespielt wie heute. Man hat Klopp vertraut, für hunderte Millionen eingekauft und spielt nun spektakulär. Einen Titel gab es aber auch für ihn noch nicht.
Holen die Bayern ten Haag zurück?
Niko Kovac ist ein sehr schlauer Mensch und Trainer, der sich nicht zu schade ist, andere Meinungen anzunehmen und dazuzulernen. Wenn er die Chance bekommt, die neue und für viel Geld verstärkte Bayern-Mannschaft nächstes Jahr zu trainieren, wird er erfolgreich sein. Da bin ich mir sicher.
Wenn Hoeneß, Rummenigge und Salihamidzic einen neuen Trainer verpflichten, geht Kovac trotzdem erhobenen Hauptes. Wer das sein könnte, ist wie immer bei Bayern eine total spannende Frage. Ich kann mir vorstellen, dass Ajax-Trainer ten Hag in die Überlegungen mit einfließt.
Klopp bleibt in Liverpool
Er spricht deutsch, hat tollen Fußball spielen lassen. Allerdings in einem Verein, mit einer über Jahre gewachsenen Philosophie von der Jugend bis zu den Profis. Die gibt es bei Bayern so nicht. Von einem Jürgen Klopp träumen mit Sicherheit sehr viele Spitzenklubs. Aber er und Liverpool passen so gut zusammen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass er in nächster Zeit den Verein verlässt.
Thomas Tuchel ist ebenfalls ein sehr guter Trainer. Aber auch er garantiert kein Champions League Finale. Selbst mit Neymar, Mbappé Co. ist er gegen Manchester United nach einem 2:0 im Hinspiel im Achtelfinale gescheitert und hat das Pokalfinale verloren.
Auch Ralf Rangnick hat nun mehrfach bewiesen, dass er ein richtig guter Chef-Trainer ist, erfolgreichen und tollen Fußball spielt und Profis besser macht. Auch das könnte eine spannende Überlegung sein.
Ich aber wünsche Niko Kovac das Double und eine Zukunft auf der Bayern-Bank.
