Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. In dieser Woche geht es ausschließlich um Rudi Völler, dem Matthäus zu seinem 60. Geburtstag am Ostermontag gratuliert.
Lieber Rudi, herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag,
ich erinnere mich daran, als sei es gestern gewesen, dabei begannen unsere Freundschaft und unser gemeinsamer sportlicher Werdegang vor 40 Jahren. 1980 trafen wir uns bei der U21 unter der Leitung unseres damaligen Trainers Berti Vogts. Auch Andi Brehme und Pierre Littbarski waren ein Teil dieses Teams. Die Krönung erfolgte zehn Jahre später mit dem gemeinsamen Gewinn der Weltmeisterschaft 1990. Von Anfang an waren wir menschlich auf einer Wellenlänge und auch sportlich verstanden wir uns prächtig. Das wunderbare und freundschaftliche Miteinander verbindet uns bis heute.
Respekt, Rudi!
Du wirst weltweit geachtet, geliebt und respektiert und kannst auf eine unglaublich erfolgreiche Karriere zurückblicken. Noch heute machst du einen tollen Job in Leverkusen. Gespielt hast du für Offenbach, 1860, Bremen, Rom, Olympique Marseille, Leverkusen und die Nationalelf. Jeder Mannschaft konntest du durch deine unzähligen Tore deinen Stempel aufdrücken. Zudem hast du eine großartige Familie. Respekt, Rudi.
Wenn ich an unseren größten Erfolg zurückdenke, fällt mir natürlich auch das Dreigestirn Brehme, Völler, Matthäus ein. Abwehr, Mittelfeld, Sturm und dieser eine Angriff im Finale von Rom ein.
Ich spielte den Pass, der dich fand. Du wurdest brutal gefoult und Andi Brehme hat verwandelt.
Und auch dieser Spielzug hat seine Vorgeschichte.
Die Vorgeschichte zum entscheidenden Spielzug zum WM-Titel 1990
Ich war schon immer gerne der, der als letzter zum Training kam. Dafür war ich auch derjenige, der am längsten blieb. Ich mochte es, nach der Einheit noch ein paar Minuten auf dem Platz zu bleiben und individuelle Dinge auszuprobieren. Du hingegen warst stets pünktlich, allerdings auch der erste, der unter der Dusche stand. Nur einmal, ein einziges Mal in 14 gemeinsamen Jahren, sind wir zusammen ein paar Minuten länger auf dem Trainingsplatz geblieben.
Es war zwei, drei Tage vor dem Endspiel. Ich sagte: Rudi, lass uns ein paar Angriffe üben. Ich komme aus dem Mittelfeld, du läufst mir aus der Sturmspitze entgegen. Ich passe dir den Ball zu und du brichst entweder halblinks oder halbrechts weg. Das haben wir ein paar Mal gemacht. Ich glaube sogar ohne Torwart. Und wie so oft im Leben, wird der belohnt, der den Extra-Meter geht. Genau die einstudierte Spielsituation ergab sich im Endspiel gegen Argentinien und führte zum entscheidenden Elfmeter. Es war exakt so, wie wir es einstudiert und im Hinterkopf behalten hatten. Ein Angriff den wir nie wieder vergessen werden.
Aber auch der Bereich neben dem Platz war höchst erfolgreich, denn wir haben vieles angestellt, wovon kaum einer etwas mitbekommen hat. Eines unserer legendären Abenteuer ereignete sich natürlich während der WM in Italien.
Der DFB hatte Protest gegen deine Rote Karte aus dem Spiel gegen die Niederlande eingelegt, die ja zu einer Sperre bei der nächsten Partie führte, und auch gegen die Gelbe Karte, die ich zu Unrecht erhalten hatte. Eine weitere Verwarnung hätte für mich bedeutet: ein WM-Spiel aussetzen.
Rückflug ins Mannschaftslager "ganz zufällig" verpasst
Wir machten uns auf den Weg nach Rom zu den Verhandlungen mit den Herren der FIFA. Danach trafen wir uns zum Essen mit deiner heutigen Frau Sabrina, die in Rom lebte. Wir saßen gemütlich im Restaurant, hätten am Nachmittag zurückfliegen müssen und hatten keine Lust darauf. Also haben wir eben ganz zufällig den Flieger zurück verpasst. Da kein Training anberaumt war, sondern nur ein gemeinsamer Teamabend, war das nicht ganz so schlimm und Franz hat uns die Verspätung verziehen. Das war wie so oft meine Idee, wenn es darum ging, den Spaß nicht zu kurz kommen zu lassen. Wir haben allerdings dann auf dem Platz geliefert und darum konnten wir uns das ab und an rausnehmen, auch wenn es häufig nicht erlaubt war. Noch heute können wir herzhaft darüber lachen.
Rudi, du Vollblutstürmer. Du warst die Nummer 9, ich die 10. Du warst ein Vollstrecker. Neben dir Klinsi in unserer Doppelspitze. Jürgen ist oft die langen Wege für dich gegangen, um Raum zu schaffen. Eine perfekte Kombination in Verbindung mit deiner Cleverness im Strafraum und deiner Kaltschnäuzigkeit im Abschluss.
Rudi, du bist ein Kult-Typ
Rudi, du bist ein Kult-Typ, der fast überall wahnsinnig erfolgreich war. Ob als Spieler, als Manager oder als Nationaltrainer. Selbst da ist dir mit einer nicht ganz so starken Mannschaft der Einzug ins WM-Finale 2002 gelungen. Nur als Trainer in Rom hat es nicht so geklappt. Da hast selbst du gemerkt, dass nicht immer alles funktionieren kann. Aber das war auch schon eine der ganz wenigen Ausnahmen.
Du bist gradlinig, aufrichtig, immer face-to-face. Aber wir wissen, dass du, unser "Rudi Nazionale", zwar Everybody´s Darling bist, aber eben nicht nur der nette Kerl von nebenan. Du kannst auch austeilen, wenn dir was nicht passt.
Die kleinen Wutanfälle gehören dazu
Diese kleinen Wutanfälle, sie gehören zu unser beider Charakter dazu. Es ist kein Zufall, dass wir beide im Sternzeichen des Widders geboren sind.
Nun bist du also 60 Jahre alt und ich hoffe von ganzem Herzen, dass du trotz der Umstände, einen unvergesslich schönen Tag mit deiner Familie erlebst. Ich ziehe nächstes Jahr, was das Alter betrifft nach und habe mir hoffentlich einen besseren Zeitpunkt für dieses Jubiläum ausgesucht als du. Ich wünsche dir weit vor allen anderen Dingen Gesundheit. Denn Beruf, Geld und alles andere, sind nichts wert, wenn man nicht gesund ist. Das merken wir heute alle mehr als jemals zuvor. Ich wünsche mir, dass wir noch viele Interviews vor der Sky Kamera zusammen führen.
Rudi, ich umarme dich fest aus der Ferne und grüße deine ganze Familie. Auf bald.
Dein Freund Lothar
