Der Kampf um die WM in der Formel 1 zwischen Mercedes in Person von Lewis Hamilton und Red Bull in Person von Max Verstappen hat beim fünften Grand Prix der Saison in Monaco eine neue Richtung eingeschlagen. Die Protagonisten tauschten im Fürstentum die Rollen und teilten erneut verbal aus.
Bereits vor der Saison war klar: dieses Formel-1-Jahr könnte das spannendste seit langer Zeit werden. Spätestens der GP von Monaco hat nun bewiesen, dass die Prognosen und Experten richtig lagen.
In Bahrain, Imola, Portugal und Barcelona lieferten sich Mercedes und Red Bull bei den Konstrukteuren sowie Lewis Hamilton und Max Verstappen bei den Fahrern einen unerbitterlichen Kampf - auf und neben der Strecke. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Kontakt zwischen Hamilton und Verstappen in Imola oder an die verbalen Giftpfeile zwischen den Bossen Toto Wolff (Mercedes) und Dr. Helmut Marko (Red Bull).
Am Ende hatte man als Beobachter dennoch immer den Eindruck, dass das Weltmeister-Team um Hamilton die Nase leicht vorne hat. Das Rennen im Fürstentum hat nun aber eine Wende im WM-Kampf herbeigeführt - und das nicht nur in der Statistik.
Verstappen-Erfolg beendet Mercedes-Dominanz
Die blanken Zahlen beweisen es: Verstappen hat durch seinen ersten Sieg in Monaco, der gleichzeitig auch das erste Podium für den Niederländer im Fürstentum bedeutet, die Führung im Gesamtklassement übernommen. Aus dem Jäger wird nun der Gejagte. Verstappen führt nun mit 105 Punkten gegenüber den 101 Zählern von Hamilton - ein Umstand, der aufgrund seiner Außergewöhnlichkeit einer zumindest vorübergehenden Wachablösung in der Formel 1 gleichkommt, denn ...
... Verstappen hat in seiner Karriere bislang noch nie die WM-Wertung angeführt. Mit dem Rennen in Monaco konnte er diese Serie nun beenden und ist der insgesamt 64. WM-Führende in der F1-Geschichte.
... Red Bull führt erstmals die Konstrukteurs-Wertung in der Hybrid-Ära an. Der Rennstall hat dort nun einen Punkt Vorsprung auf Mercedes. (Zum aktuellen Stand in der Konstrukteurs-Wertung)
... Honda (der Motorenlieferant von Red Bull) hat seit 1991 keine Meisterschaft mehr angeführt. Mit dem Monaco-GP ist auch diese Negativserie gerissen.
Mercedes mit schwachem Wochenende in Monaco
Die Dominanz von Mercedes, das seit 2014 jedes Jahr die Konstrukteurs-WM für sich entscheiden konnte, schien unerschütterlich. Das Weltmeister-Team leistete sich in der Vergangenheit kaum bis keine Fehler. Diese waren immer nur bei den direkten Kontrahenten zu verorten - so auch bislang in dieser Saison.
Doch im Fürstentum tauschten Mercedes und Red Bull über das ganze Wochenende klamm heimlich die Rollen - mit dem Höhepunkt im Rennen. Dort unterliefen Mercedes gleich zwei gravierende Missgeschicke, die nicht mehr reparabel waren, während Red Bull eine abgeklärte Leistung zeigte.
Boxenstopp-Desaster bei Bottas
Fehler 1: Auf einem aussichtsreichen zweiten Platz liegend holte der Rennstall Valtteri Bottas zum Reifenwechsel in die Box. So weit, so gut. Doch beim Stopp ging alles schief, was nur schiefgehen konnte. Das rechte Vorderrad am Boliden ließ sich einfach nicht lösen, mehrere Versuche schlugen fehl, sodass das Rennen für den Finnen beendet war.
"Als allererstes würde ich gerne heulen", leitete Teamchef Toto Wolff sein Fazit zum Wochenende am Sky Mikrofon ein. "Das wäre aber nicht produktiv. Der Reifen bei Bottas ist immer noch nicht vom Auto unten. Es ist alles andere als erfreulich. Wir haben kein Gewinde mehr. Es ist alles zusammengekommen. Es war auf der einen Seite sicherlich ein Designfehler, andererseits aber auch ein menschlicher Fehler. Wenn eines mit dem anderen zusammenkommt, passiert eben so etwas. Wir haben den Jungen aufgebaut, er ist einer unserer besten Mechaniker und der Fehler wird ihm sicherlich nicht mehr passieren."
Durch das Debakel in der Box fehlten Mercedes die wichtigen Punkte von Bottas, weshalb die Führung in der Konstrukteurs-Wertung nicht gehalten werden konnte. Doch nicht nur der Finne erlebte ein Rennen zum Vergessen. Auch für Weltmeister Hamilton war es ein gebrauchter Tag. Der Brite landete am Ende nur auf Rang sieben und verlor wie erwähnt die WM-Führung. Bei ihm war es ein Mix aus Teamversagen und eigenem Verschulden.
Strategie-Fehler & widerspenstiger Gasly hindern Hamilton
Fehler 2: Die Strategie-Abteilung von Mercedes muss sich die Entscheidung des frühen Wechsels bei Hamilton ankreiden lassen. Obwohl Hamilton gute Zeiten auflegte, holte man den Weltmeister als ersten Fahrer im Feld zum Reifenwechsel. Nur wenige Runden später stellte sich dies aber als Fehler heraus. Denn der versuchte Undercut ging schief, Hamilton konnte nicht nur nicht Pierre Gasly überholen, hinter dem er bereits zuvor festhing, sondern musste auch noch Sebastian Vettel vorbeiziehen lassen. Anstatt auf Platz fünf fand sich Hamilton somit auf Rang sieben wieder.
"Wir haben den Undercut gemacht. Die Outlap war gut und auch der Pitstop war in Ordnung. Trotzdem hat es nicht gereicht, um Gasly zu überholen", fasste Wolff nach dem Rennen zusammen. Hamilton selbst ließ seinem Unmut bereits am Teamradio freien Lauf und kritisierte die Strategie. Nach dem Rennen wollte sich der Weltmeister in dieser Richtung aber nicht mehr äußern. "Ich möchte dazu nichts mehr sagen. Wir werden intern darüber reden, daran arbeiten und versuchen, stärker zurückzukommen. Wir konzentrieren uns nun auf das nächste Rennen."
Für Mercedes gilt es nun auch diese Situation nachträglich in der Analyse aufzuklären und den Grund für das Misslingen der Aktion herauszufinden.
Dr. Marko mit Kampfansage in Richtung Mercedes
Red-Bull-Boss Dr. Helmut Marko zeigte sich im Nachgang ob der Situation bei Mercedes verwundert. "Ich war überrascht, dass Hamilton mehr und minder kampflos hinter Gasly festhing und dann auch der Boxenstopp."
Der Grazer ließ es sich auch nicht nehmen, noch eine Kampfansage in Richtung Mercedes zu schicken: "Aber das zeigt: Wenn der Druck da ist, dann macht man Fehler. Das heißt aber auch, dass wir weiter dranbleiben und mit beiden Autos so viel Druck wie möglich machen müssen. Jetzt führen wir in beiden Meisterschaften und das ist genau das, was wir angestrebt haben. Jetzt müssen wir weiterarbeiten, um das fortzuführen."
Kontert Mercedes in Baku?
Die nächste Chance dazu hat Red Bull in zwei Wochen in Baku/Aserbaidschan. Doch Sky Experte Timo Glock weiß: "Wir haben schon immer gehört und auch gesehen, dass Mercedes nach Niederlagen noch stärker zurückkommt."
Zumindest schon einmal verbal ließ der Rennstall in Person von Wolff den Konter auf die Marko-Aussage folgen. "Druck? Ich finde es super. Gerne mehr davon. Am Ende schauen wir, wer den Druck am Ende am besten ausgehalten hat."
Gelingt nun auch die Revanche auf dem Asphalt und kann Mercedes einen erneuten Rollentausch - diesmal vom Jäger zum Gejagten erzwingen? Ab Freitag, 4. Juni gibt es die Auflösung - wie gewohnt LIVE und EXKLUSIV auf Sky Sport F1.