Manuel Neuer wird bis zum Saisonende ausfallen. Das bringt die Bayern in ein Dilemma, auf das man sich eigentlich schon vor langer Zeit vorbereitet hat. Doch ist Alexander Nübel gut genug, um den fünffachen Welttorhüter zu ersetzen?
Als Nübel im Sommer 2020 vom FC Schalke zu den Bayern wechselte, wurde der Transfer des Keepers von vielen belächelt. Neuer lieferte wenige Wochen vor dem bereits feststehenden Wechsel eine Weltklasseleistung im Champions-League-Finale gegen Paris Saint-Germain ab - wurde auch dafür im Winter einmal mehr als Welttorhüter ausgezeichnet.
Spätestens nach diesem Award war klar, dass der DFB-Kapitän sich seinen Platz zwischen den Pfosten des deutschen Rekordmeisters so schnell nicht nehmen lassen wird. Nübel stand in seiner ersten Saison für die Münchner lediglich vier Mal auf dem Platz, Unmut machte sich breit und wurde teils auch laut kundgetan. Die Konsequenz: Nach einem enttäuschenden Jahr wurde der Ex-Schalker für zwei Jahre zur AS Monaco verliehen.
Bayern wollen sich "in Ruhe Gedanken machen"
Dort hat sich der heute 26-Jährige fernab des deutschen Medienrummels in den vergangenen anderthalb Jahren als Stammspieler etabliert. Nübel wartet auf seine Bayern-Chance. Diese könnte nach Neuers Skiunfall und dem daraus resultierenden Unterschenkel-Bruchs samt sechsmonatiger Ausfallzeit nun gekommen sein.
"Natürlich werden wir uns in aller Ruhe Gedanken machen", kündigte Vorstandschef Oliver Kahn nach der Verletzung der bayrischen Nummer eins an und betonte, alle Möglichkeiten prüfen zu wollen. Eine wäre, den vor Jahren als Neuer-Ersatz eingeplanten Nübel bereits in diesem Winter zurückzuholen. Dazu müssten die Monegassen wohl erst überzeugt und entsprechend entschädigt werden.
Frankreich-Experte: "Nübel sicherlich nicht besser als Ulreich"
Doch wäre Nübel bei einer Rückkehr direkt die neue Nummer eins der Bayern? Mit Sven Ulreich haben die Bayern eine solide Nummer zwei in den eigenen Reihen, die in der Vergangenheit schon oft bewiesen hat, zumindest zeitweise ein guter Back-up für Neuer zu sein. 86 Mal stand Ulreich für Neuer im Kasten. Sollten sich die Bayern für ein Leihende von Nübel entscheiden, dürfte es zu einem Zweikampf werden. Ist der Monaco-Keeper bereit dafür?
"Überhaupt nicht. Er ist sicherlich nicht besser als Sven Ulreich. Seine Leistungen in Monaco sind einfach zu schwankend. Er hat Weltklasse-Phasen - aber auch solche, in denen er einen Patzer nach dem anderen macht", meint Ligue-1-Experte Alexis Menuge im Gespräch mit Sky.
Nübel gilt als reaktionsschneller Keeper, der seine großen Stärken auf der Linie hat. Regelmäßig zeigt der Ex-Schalker tolle Paraden, gerade bei Distanzschüssen. Zu Aussetzern kommt es meistens dann, wenn es um Sachen Strafraumbeherrschung und Timing geht. Auch das technische Geschick, mit dem Neuer einst einen eigenen Keeper-Stil prägte, fehlt Nübel auf Top-Niveau. "Er macht zu viele technische Fehler, sodass er in Frankreich schon kritisch beäugt wird", gibt Menuge zu bedenken. In den Augen des französischen Journalisten wäre Nübel bei einer Rückkehr die klare Nummer zwei.
Nübels Optionen: Top-Saison oder Verkauf
Das wiederum ist keine Option für Nübel selbst, dessen letzte Chance es sein könnte, sich im Bayern-Tor zu beweisen. "Wenn er jetzt nicht zurückgeholt wird, ist er für mich komplett verbrannt", bezieht Bayern-Experte Torben Hoffmann klar Stellung zur verzwickten Lage der Bayern. Dazu müsste sich Nübel die Rolle allerdings auch selbst zutrauen: "Dann kann man die Karten im Sommer, wenn Neuer zurückkommt, neu sortieren. Entweder, er hat es geschafft, und spielt eine Bomben-Saison oder er muss im Sommer verkauft werden."
Für den 26-Jährigen dürfte dabei auch das ihm entgegengebrachte Vertrauen eine Rolle spielen. "Nübel ist ein sensibler Mensch, der Rückhalt von seinem Trainer und einen absoluten Wohlfühlfaktor braucht", erklärt Sky Transfer-Experte Florian Plettenberg und gibt dabei zu bedenken, dass der Keeper das uneingeschränkte Vertrauen zuletzt auf Schalke genoss. Dort überzeugte der Schlussmann, ehe es ablösefrei nach München ging.
Wie kommt Neuer aus seiner Verletzung zurück?
Wenn Neuer nach seiner Verletzung zu alter Stärke findet, dürfte Nübel es allerdings auch nach gewonnenem Zweikampf mit Ulreich schwer haben. Die Bayern bauen weiter auf ihren Kapitän. "Wir werden ihm zur Seite stehen und ihn auf seinem Weg zu seinem Comeback begleiten. Er wird auch diese schwere Verletzung meistern und so stark wie zuvor auf den Platz zurückkehren", zeigte sich Vorstandsboss Kahn überzeugt.
Die Meinungen bei Nübel gehen auseinander. Fest steht: Die Bayern brauchen neben Ulreich noch einen zweiten Keeper, der die Ziele für dieses Jahr absichert. Sollte sich Ulreich verletzen, müsste sonst der 19-jährige Johannes Schenk zwischen die Pfosten. Zwar will man das Torwart-Talent aufbauen, doch Titel-Erwartungen an einen so unerfahrenen Keeper zu stellen, wäre ein zu großes Risiko.
Es könnte Nübels große Chance werden. In jedem Fall wird es seine Letzte. Liefert der 26-Jährige ab, könnte er sich etablieren. Spielt er eine schwache Rückrunde oder bekommt von den Bayern gar nicht erst das Vertrauen, Neuer zu ersetzen, ist die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Nübel und dem FC Bayern kaum mehr vorstellbar.
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