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Bundesliga News: US-Nationaltrainer Gregg Berhalter über Hoppe, Reyna & Co.

Berhalter lobt FCB-Talent: "Kann ein Top-Innenverteidiger werden“

Gregg Berhalter äußert sich im Exklusiv-Interview mit skysport.de zu den amerikanischen Bundesliga-Spieler.
Image: Gregg Berhalter äußert sich im Exklusiv-Interview mit skysport.de zu den amerikanischen Bundesliga-Spieler.  © Imago

Als US-Nationaltrainer verfolgt Gregg Berhalter intensiv die Bundesliga. Im exklusiven Interview mit skysport.de lobt der 47-Jährige die Entwicklung von Matthew Hoppe, spricht über Giovanni Reyna sowie Chris Richards und verrät, welchen Rat er Sergino Dest gegeben hat.

Sky Sport: Herr Berhalter, als Trainer der US-Nationalmannschaft haben Sie eine Menge Spieler in Deutschland. Wie verfolgen Sie die Bundesliga und was halten Sie von der Liga?

Gregg Berhalter: Wir haben ein Programm, das alle Spiele bekommt, sodass wir alle Spiele unserer Spieler sehen können. Deutschland ist eine großartige Liga für junge Spieler, weil sie jungen Spielern helfen kann, sich weiterzuentwickeln.

Sky Sport: Einer dieser jungen Spieler ist Matthew Hoppe. Er hat für Schalke drei Tore gegen Hoffenheim erzielt. Da gab es schon einen großen Hype um ihn. Dann hat er in Frankfurt und gegen Köln wieder getroffen. Was sagen Sie zu seiner Entwicklung?

Berhalter: Es war ein wirklich toller Start für ihn und alle freuen sich sehr für ihn, aber es braucht Zeit. Was wir in der A-Nationalmannschaft suchen, ist die Beständigkeit der Leistung eines Spielers. Um eine Karriere zu haben, muss man das immer und immer wieder machen.

Infos zu Gregg Berhalter

Der US-Amerikaner spielte zwischen 2003 und 2009 in Deutschland für Energie Cottbus und 1860 München. In der Bundesliga kam der ehemalige Innenverteidiger 23 Mal zum Einsatz, in der Zweiten Liga absolvierte er 161 Partien (17 Tore). Seit Dezember 2018 ist er US-Nationaltrainer.

Sky Sport: Jetzt hat er in den letzten drei Spielen fünf Tore erzielt. Wie sehen Sie seine Zukunft auf Schalke und in der US-Nationalmannschaft?

Berhalter: Als Stürmer bekommst du immer Aufmerksamkeit, wenn du ein Tor schießt, auch wenn du in einer Mannschaft bist, die schlecht spielt. Wenn du ein Tor schießt, wird es Interesse für dich geben. Matt trifft, um seiner Mannschaft zu helfen, zu gewinnen, und er hilft sich selbst, was großartig ist.

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Sky Sport: Bevor Hoppe nach Schalke kam, war er in der Barca-Akademie. Wann sind Sie das erste Mal auf ihn aufmerksam geworden, wann haben Sie ihn zum ersten Mal gesehen?

Berhalter: Wir hatten ihn auf dem Schirm, als er nach Deutschland gewechselt ist. Wir haben viele junge Spieler in Deutschland und wir verfolgen sie alle. Wir hörten, dass er in die erste Mannschaft berufen wurde, und das wurde dann sehr schnell sehr interessant. Unsere Jugendscouts kannten ihn schon gut, aber für die Seniorenmannschaft tauchte er auf, als er in die erste Mannschaft von Schalke berufen wurde.

Er muss spielen, und wenn er das tut, denke ich, dass er sich zu einem Top-Innenverteidiger entwickeln kann.
Gregg Berhalter über Chris Richards

Sky Sport: Was beeindruckt Sie an ihm und was kann er in Zukunft erreichen?

Berhalter: Seine Bewegung hinter der Abwehrreihe ist hervorragend. Es ist immer schwierig (für eine Abwehr), wenn man Stürmer hat, die in die Abwehrreihe eindringen. Und das macht er sehr gut. Zweitens ist er ruhig in Tornähe und vor dem Tor. Das ist sehr schön für einen jungen Spieler. In Deutschland nennt man das "eiskalt". Es ist wirklich schön, dies bei einem jungen Spieler zu sehen. Er weiß auch ganz genau, was er will, und er arbeitet sehr hart für die Mannschaft.

Sky Sport: Was wäre, wenn Schalke absteigt? Wäre es für seine Entwicklung auch gut, in der Zweiten Liga zu spielen, oder müsste er - auch mit Blick auf mögliche Chancen im US-Team - bei einem Erstligisten spielen?

Berhalter: Wenn sie eine sehr starke Mannschaft in der Zweiten Liga haben, dann lohnt es sich, vielleicht für die Stabilität des Vereins und des jungen Spielers zu bleiben. Er und sein Berater müssen das mit dem Verein besprechen.

Sky Sport: Am Sonntag spielt Schalke gegen Bayern München. Die haben auch einen jungen Amerikaner in ihrer Mannschaft: Chris Richards, der bereits in Ihrer Mannschaft spielt. Was können Sie über Chris sagen?

Berhalter: Ich denke, er hat einen tollen Job gemacht. Ich habe ihn in einigen sehr schwierigen Spielen gesehen. Für einen jungen Spieler hat er sich sehr gut im Griff und er hat ein sehr gutes physisches Profil. Er ist ein intelligenter Spieler und hat ein sehr großes Potenzial. Wie alle jungen Spieler braucht er Einsatzzeit. Er muss spielen, und wenn er das tut, denke ich, dass er sich zu einem Top-Innenverteidiger entwickeln kann.

Sky Sport: Die Bayern müssen ihre Verteidigung neu aufbauen, da David Alaba den Verein verlassen wird. Was für eine Rolle kann Richards in Zukunft einnehmen?

Berhalter: Das hängt vom Trainer (Hansi Flick) und dem Sportdirektor (Hasan Salihamidzic) ab. Sie müssen entscheiden, wie sie ihn am besten einsetzen. Meiner Meinung nach muss er Spiele machen, um sich weiter zu verbessern. Bayern hat in den letzten anderthalb Jahren eine so starke Mannschaft gehabt, es ist normal, dass es eine Phase gibt, in der es nicht so gut läuft, aber München ist ein sehr gute Addresse.

Sky Sport: Was kann er von den sehr erfahrenen Spielern wie Jerome Boateng lernen?

Berhalter: Deshalb ist er in einer so guten Position, weil er viele Vorbilder hat, von denen er lernen kann, wie Alaba, Boateng, Süle oder Pavard. Von all diesen Jungs kann er sehr gut lernen.

Sky Sport: Glauben Sie, dass es gut wäre, bei Bayern zu bleiben oder den Verein auf Leihbasis zu verlassen, um mehr Spielpraxis zu bekommen?

Berhalter: Ich bin nicht beim Verein, aber ich habe mit ihnen gesprochen. Ich denke, Bayern hat den Plan, ihn zu entwickeln. Ein Teil des Plans könnte sein, ihn zu verleihen oder ihn regelmäßiger als Einwechselspieler einzusetzen. Ich weiß nicht genau, was ihr Plan ist, aber meistens beinhaltet die Entwicklung eines Spielers auch Spielzeit.

Sky Sport: In den Trainingseinheiten kann er gegen einen der besten Stürmer der Welt, Robert Lewandowski, spielen.

Berhalter: Das ist erstmal gut, aber nicht dauerhaft. Damit sich ein Profi entwickeln kann, braucht er Spiele und Spielrhythmus.

Sky Sport: Ein Spieler, der in seinem Verein mehr Minuten bekommt und auch für die USA debütiert hat, ist Giovanni Reyna aus Dortmund. Wie wichtig ist er für Ihr Team?

Berhalter: Er ist ein sehr wichtiger Spieler, der noch viele Möglichkeiten hat, um sich weiterzuentwickeln. Was er in so einem jungen Alter macht, ist wirklich sehr wertvoll für uns.

Wenn er in Bestform spielen kann, können wir ein richtig gutes Team sein. Er ist ein Gamechanger.
Gregg Berhalter über Christian Pulisic

Sky Sport: Kann man Giovanni mit einem anderen Spieler vergleichen? Sie kennen seinen Vater ja sehr gut. Was meinen Sie?

Berhalter: Es ist schwierig zu vergleichen. Vielleicht bewegt er sich und hat eine Eleganz wie sein Vater, aber er ist groß, stark, schnell, er kann Tore schießen. Er hat die Größe, die Beweglichkeit und die Fähigkeiten, um ein sehr guter Spieler zu werden.

Sky Sport: Auch bei einem größeren Verein als Dortmund?

Berhalter: Ich denke, er hat ein großes Potenzial und die nächsten paar Jahre werden sehr wichtig sein, um zu entscheiden, wo sein Weg hinführt.

Sky Sport: Sie haben so viele gute junge Spieler in Ihrem US-Team. Was denken Sie über die Entscheidung von Sergino Dest, nach Barcelona und nicht zu den Bayern zu gehen?

Berhalter: Können Sie sich vorstellen, zwischen Bayern und Barca wählen zu müssen (lacht). Er hat mich gefragt und ich habe gesagt: "Hör zu, du kannst nichts falsch machen, egal wie du dich entscheidest. Die beiden Klubs stellen unterschiedliche Herausforderungen dar, aber sie sind beide zwei der besten Klubs der Welt."

Sky Sport: Der ehemalige Dortmunder Christian Pulisic war in den letzten Jahren der bekannteste US-Spieler in Deutschland. Wie wichtig ist er für Ihr Team und wie sehen Sie seine Situation bei Chelsea?

Berhalter: Chelsea ist nicht in der besten Form. Sie müssen einfach ihre Aufstellung richtig hinbekommen. Ich glaube, sie wissen noch nicht, was ihre beste Aufstellung ist, und das tut ihnen weh. Für uns ist Christian ein wichtiger Spieler. Wenn er in Bestform spielen kann, können wir ein richtig gutes Team sein. Er ist ein Gamechanger.

Sky Sport: Was ist Ihr Ziel mit dem US-Team?

Berhalter: Wir haben uns noch nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert, wir haben noch nicht bei einer WM gespielt. Aber man braucht das als nächsten Schritt, um die Mannschaft zu entwickeln. Wir haben einen wirklich guten Zusammenhalt im Team, fast schon eine Brüderlichkeit. Und jetzt ist das Ziel, bei den großen Turnieren anzutreten und dort gute Leistungen zu bringen.

Sky Sport: Wie groß war der Einfluss von Jürgen Klinsmann und Bastian Schweinsteiger auf den US-Fußball?

Berhalter: Jürgen brachte eine andere Professionalität in unsere Nationalmannschaft. Er brachte seine Erfahrung aus Deutschland mit in die Staaten, das war sehr wichtig. Bastian Schweinsteiger war ein großartiger Spieler, Wettkämpfer und ist ein toller Typ. Ich bin in der Major League Soccer als Trainer auf ihn getroffen, er war sehr gut, selbst in seinem Alter, und es war eine Freude, ihn im amerikanischen Fußball zu haben.

Gregg Berhalter spielte zwischen 2003 und 2006 für Energie Cottbus.
Image: Gregg Berhalter spielte zwischen 2003 und 2006 für Energie Cottbus.  © DPA pa

Sky Sport: Haben Sie noch Kontakte und was bedeutet Deutschland für Sie?

Berhalter: Ich habe sehr viel Kontakt zu Spielern, Trainern, Freunden und Nachbarn in Deutschland. Es war ein besonderer Ort für mich, es ist ein großartiges Land mit vielen netten Menschen und einer großartigen Fußballliga. Zum Glück haben wir viele Amerikaner dort, sodass ich immer wieder zu Besuch kommen oder mir die Spiele von hier aus anschauen kann.

Sky Sport: Aufgrund von Corona können Sie nicht reisen. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Berhalter: Es ist eine große Herausforderung für internationale Trainer, fast der ganze Kalender von 2020 ist weg, aber ich weiß, dass es Leute gibt, denen es viel schlechter geht als mir. Jeder freut sich darauf, diese Zeit hinter sich zu bringen.

Sky Sport: In den letzten Jahren, Monaten und Tagen war in den USA viel los. Donald Trump ist weg, wie bewerten Sie den Wechsel im Weißen Haus?

Berhalter: Für mich persönlich wurde eine Last von den Schultern genommen. Es scheint, dass wir jetzt Stabilität haben. Lassen wir die Politik beiseite, die Person Donald Trump war zu sprunghaft. Das brauchen wir von einer Führungsperson nicht. Wir brauchen Stabilität.

Das Interview führte Thorsten Mesch.

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