Arminia Bielefeld ist im Duell mit dem FC Bayern der klare Außenseiter. Doch dieses Aufeinandertreffen hat in der Vergangenheit eine ganz besondere Geschichte geschrieben.
Arminia Bielefeld trifft im tipico Topspiel der Woche am Samstag auf den FC Bayern (LIVE & EXKLUSIV ab 18:30 Uhr auf Sky Sport Bundesliga 1). Der Meister der 2. Bundesliga empfängt den amtierenden Deutschen Meister. Auf dem Papier eine klare Sache für die Bayern. Doch der Blick in die Geschichte macht den Ostwestfalen Hoffnung - in vielerlei Hinsicht.
Der letzte Sieg der Arminia gegen die Münchner datiert vom 16. September 2006. Bei den Bielefeldern standen damals Spieler wie Heiko Westermann, Jörg Böhme, Artur Wichniarek und Jonas Kamper auf dem Platz. Jonas, wer? Jonas Kamper!
Unbekannter Kamper plötzlich gefeierter Matchwinner
Den Dänen kannten vor der Saison 2006/07 nur wenige Fußballfans in Deutschland, das Spiel gegen die Bayern machte ihn zu einer großen Nummer. Seinen Auftritt hatte er in der 84. Minute, als er per Freistoß gegen den damaligen Bayern-Keeper Oliver Kahn das umjubelte 2:1-Siegtor erzielte und die Alm zum Kochen brachte. "Das war einer der schönsten Momente meiner ganzen Fußballer-Karriere. Ich werde das nie vergessen", erklärt der Däne gegenüber Sky.
"Oliver Kahn ist auch in Dänemark eine Legende. Ich habe so viele Spiele mit Bayern München gesehen. Als ich von Bröndby nach Bielefeld kam, wollte ich nicht einfach nur in der Bundesliga mitspielen, ich wollte den Unterschied ausmachen. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich einmal einen Teil dazu beitragen würde, dass Bayern ein Spiel verliert", so der mittlerweile 37-Jährige im Sky Interview.
"Erstmal zwei große Bier vom Fass getrunken"
Der Rummel um seine Person war im Anschluss riesig. Noch am selben Abend war er im Aktuellen Sportstudio zu Gast. Ein Besuch, den er trotz aller Widrigkeiten meisterte. "Es war wie im Film, fast schon ein bisschen zu viel. Ich wollte nur auf Englisch sprechen, und unser Pressesprecher hat gesagt: Jaja, da kommt ein Übersetzer. Als wir im Auto saßen und 30 Kilometer vor Mainz waren, sagte er mir, dass der Übersetzer nicht kommt. Als wir im Studio ankamen, habe ich erstmal zwei große Bier vom Fass getrunken, dann hat es besser geklappt. Ich habe eine Mischung aus Deutsch, Englisch und Dänisch gesprochen. Das war fast wie eine Parodie und wurde dann so etwas wie mein Markenzeichen."
ZUM DURCHKLICKEN: SO LANGE WARTEN DIE BUNDESLIGISTEN AUF EINEN SIEG GEGEN BAYERN
Kamper wurde durch seinen Treffer gegen die Bayern zu einer Arminia-Legende. Nach dem Spiel sicherte er sich das Trikot von Philipp Lahm, was ihm "sehr viel bedeutet". Und auch Abseits des Platzes schärfte er sein Profil. Der Spruch "We have to fight weiter", den er im Abstiegskampf auspackte, schaffte es in die Auswahl der Fußballsprüche des Jahres.
Ribery: "Sag mal, wer bist du eigentlich?"
In der darauffolgenden Saison kam es zum erneuten Duell mit den Bayern - und zu einer ganz speziellen Begegnung zwischen Kamper und Franck Ribery. "Als wir ein Jahr später gegen Bayern gespielt haben, haben die Bielefeld-Fans gesungen: 'Wir haben Kamper, scheiß' auf Ribery!' Während des Spiels hat mich Ribery dann auf englisch gefragt: 'Sag mal, wer bist du eigentlich?' Wir haben nach der Partie die Trikots getauscht", erzählt Kamper.
Der Däne ist bis heute der letzte Siegtorschütze der Arminia in einem Spiel gegen die Bayern. Sein Treffer trug dazu bei, dass er ein Länderspiel für sein Heimatland bestreiten durfte. 2010 verließ er die Arminia wieder in Richtung Dänemark. In Bielefeld ging es da schon seit geraumer Zeit bergab. Nach der Saison 2008/09 stieg der Klub aus der Bundesliga ab. 2011 folgte gar der Absturz in die 3. Liga und eine Rückkehr in die Bundesliga schien weit entfernt. Dunkle Zeiten für die Arminia, der Verein wurde von großen finanziellen Problemen geplagt.
Bielefeld schafft das Bundesliga-Comeback
Im Dezember 2017 drohte die Insolvenz, die gerade noch abgewendet werden konnte. Sportlich befand sich der Verein da glücklicherweise schon wieder in ruhigerem Fahrwasser in der 2. Bundesliga und es ging weiter bergauf. In der vergangenen Spielzeit folgte der Aufstieg und somit die Rückkehr ins deutsche Fußball-Oberhaus.
Aus wirtschaftlicher Sicht hätte es für die Ostwestfalen kaum einen günstigeren Zeitpunkt für den Aufstieg geben können. "Wir haben diese bedrohliche Situation gerade hinter uns gebracht, 2017/18. Wir sind jetzt in der glücklichen Situation, dass wir im Jahr der Pandemie aufgestiegen sind, dadurch sind das andere Verhältnisse. Wir kommen von unten, wir können noch gestalten. Anderswo ist es sicherlich für Vereine schwieriger, die aufgrund von vertraglichen Situationen, Spielern etc. einen ganz anderen Berg mit sich ziehen und aufgrund von deutlich weniger Erlösen in Zeiten von Corona schauen müssen, wie man das managen kann", sagt Geschäftsführer Markus Rejek am Sky Mikro.
Aufseiten des Gegners dürfte Robert Lewandowski besonders motiviert sein. Der Pole hat gegen alle aktuellen Bundesligisten mindestens ein Tor erzielt - außer gegen Arminia Bielefeld, denn er hat noch nie gegen die Arminen gespielt. Umso hungriger dürfte er bei seiner Premiere gegen den Aufsteiger sein.
100 Prozent und trotzdem keine Chance
Um die große Klasse der Bayern weiß auch Arminia-Coach Uwe Neuhaus. "Wenn man sieht, wie der FC Bayern besetzt ist, hat man in zehn Spielen neunmal keine Chance. In dem einen Spiel liegt es an einem selbst, wie effektiv man ist, ob man einen oder drei Punkte behält. Wenn Bayern wie in der Endphase der Champions League in Top-Form antritt, dann kannst du 100 Prozent erreichen und hast trotzdem keine Chance", analysierte der Trainer vor der Partie.
Sein Team geht mit einer beeindruckenden Heimbilanz in die Partie. Die SchücoArena ist eine Festung. Seit über einem Jahr ist der Aufsteiger auf der Alm unbesiegt. Die letzte Heim-Niederlage kassierten die Ostwestfalen am 27. September 2019 gegen den VfB Stuttgart (0:1).
Neuhaus: "Nicht neun Spiele warten"
Neuhaus plant mit dieser Serie im Rücken, auch die Bayern zu ärgern. "Wir wollen nicht neun Spiele warten und beim zehnten Spiel auf das eine hoffen. Wenn Bayern uns vielleicht unterschätzt, vielleicht nicht an die Top-Form herankommt, dann wollen wir da sein."
Geschäftsführer Rejek zeichnet ein noch deutlicheres Bild als Neuhaus, wenn es um die Rollenverteilung im Vorfeld des Aufeinandertreffens mit den Münchnern geht. "Natürlich trifft auf dem Papier nicht nur David gegen Goliath aufeinander, sondern, ich weiß nicht, was noch kleiner ist als David. Auf dem Papier ist es eindeutig, aber wir haben eine große Freude daran und sagen ja nicht umsonst: 'Niemand erobert den Teutoburger Wald'. Wir wollen es Bayern so schwer wie möglich machen", meint Rejek im Sky Interview.
Arminia & Arminius: Parallelen vorhanden
Mit der Eroberung, oder besser der Verteidigung, des Teutoburger Waldes spielt er wohl auf ein geschichtsträchtiges Ereignis an: die Varusschlacht im Jahre neun nach Christus. Damals erlitten die Römer unter der Führung ihres Feldherren Varus eben im Teutoburger Wald gegen das germanische Heer unter Arminius eine vernichtende Niederlage.
Der Vergleich Arminia-Arminius mag vielleicht etwas hoch gegriffen sein, doch damals wie heute steht eine scheinbar unterlegene Streitmacht einem Giganten gegenüber. Und genau darin liegt die Parallele zwischen der Arminia und der Varusschlacht. David will Goliath ärgern. Womöglich wiederholt sich diese Geschichte in der SchücoArena am Samstagabend. Darauf hofft auch der letzte Bielefelder Siegtorschütze Kamper.
"Arminias Stärke ist immer der große Zusammenhalt und harte Arbeit. So haben sie auch gegen Bayern eine Chance. Es ist das Spiel des Jahres. Die Mannschaft hat elf Jahre auf dieses Spiel gewartet. Sie ist bereit."