Das kräftige Sommergewitter verzog sich erst - und erwischte den pitschnassen Hansi Flick dann doch noch.
Trotz des Donnergrollens am Ende der öffentlichen Trainingseinheit aber werden die Stars der deutschen Fußball-Nationalmannschaft die Botschaft des Bundestrainers kaum überhört haben: Flick erhöhte, wie er mit seiner bemerkenswerten öffentlichen Rüge für Niklas Süle dokumentiert hat, ein Jahr vor der Heim-EM den Druck - niemand soll mehr mit weniger als maximaler Leistung durchkommen.
"Man weiß, was man bringen muss, um am Ende Nationalspieler sein zu dürfen", berichtete Timo Werner am Donnerstag. Die nur anfangs sonnige Einheit vor 600 Fans war der Auftakt zu einem wichtigen Länderspiel-Dreierpack, aber zuallererst ein erneuter Ausweis der angestrebten Volksnähe. "Für die Fans ist es schön, ihre Idole live zu sehen", sagte Werner: "Das macht jede Mannschaft nahbar."
Flick will Feuer in den Augen sehen
Bei Blitz und Donner waren Joshua Kimmich und Julian Brandt schon am Mittwochabend ins Hotel gehuscht - Flick musste seine müden Kurz-Urlauber vor dem symbolträchtigen 1000. Länderspiel gegen die Ukraine am Montag (18.00 Uhr) in Bremen gar nicht mehr groß wachrütteln. "Alle werden brennen", versprach Rudi Völler vor dem ungeliebten Länderspieltermin - was auch daran liegt, dass Flick vorher im FAZ-Interview sein Signal gesendet hat.
Der Bundestrainer sprach wie DFB-Sportdirektor Völler am Donnerstagmorgen ohne Öffentlichkeit zum Team: Flick will das Feuer in den Augen seiner Spieler sehen. Eine neue interne wie externe Begeisterung soll die Nationalmannschaft so weit tragen, wie es nur geht. Mehr Stabilität, mehr Zielstrebigkeit, mehr Konstanz werde es für den vierten Europameistertitel brauchen, schärfte er der Mannschaft ein. Und: mehr Leidenschaft.
"Wir wollen die Leute ins Boot holen, uns reinhauen", betonte Jonas Hofmann. Benjamin Henrichs erinnerte sich an das Sommermärchen seiner Kindheit: "Das Ziel ist, es zur Heim-EM wieder so hinzubekommen wie zur WM 2006." Damit traf er den Ton von Präsident Bernd Neuendorf, der im DFB-Magazin schrieb, die Mannschaft wolle "die Menschen begeistern und mitreißen".
Flick entwirft dazu den sportlichen Masterplan. Besonders im Europapokal hat er genau hingeschaut - der Anti-Fußball der AS Rom unter Jose Mourinho hat ihn abgeschreckt. "Willst du, dass deine Mannschaft so spielt?", habe er sich gefragt "Nein." Wenig Mourinho, viel Pep Guardiola: "Wenn wir über ein Beispiel sprechen wollen, dann gerne Manchester City. Was mir da imponiert, ist (...) die Defensive."
Flick spielt häufiger mit Dreierkette
Seine eigene will Flick häufiger in einer Dreierformation anordnen, aktiv und offensiv spielen lassen. "Wenn wir noch für Aufbruchstimmung sorgen wollen, dann müssen wir jetzt loslegen", forderte Ilkay Gündogan. Der Star von Manchester City wird wie Robin Gosens (Inter Mailand) im Friedensspiel fehlen, beide stehen im Champions-League-Finale. Als Europapokalsieger stößt Thilo Kehrer (West Ham United) am Freitag zum Team. Flick gefällt's: Jeder Funke Euphorie hilft. Er spüre "gewaltige Vorfreude", sagte der Bundestrainer.
Die Begeisterung soll viele Fans erfassen, die nach der WM und einem dramatischen Liga-Saisonfinale des Fußballs müde sind. Flick verspricht jedem, der kommt oder einschaltet, "100 Prozent Einsatz". Seine Ansage an Süle, der nicht dabei ist, durfte als Mahnung an alle verstanden werden - spätestens jetzt wird mehr gefordert. "Ich will, dass er von seiner Einstellung, von seiner Mentalität einen Schritt nach vorne macht", hatte der Bundestrainer gesagt, der Innenverteidiger von Borussia Dortmund lasse "noch einiges liegen".
Genau das soll der Nationalmannschaft nicht passieren. Was eine Topmannschaft ausmache, betonte Flick, sei, "dass sie immer dann, wenn es darauf ankommt, performt". Gelingt dies, ist auch die Ansage des Präsidenten zu erfüllen: "Wir wollen weiter Fußballgeschichte schreiben."
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