Für Toni Kroos wird die Teilnahme am EM-Trainingslager nach seiner Corona-Infektion zum Wettlauf mit der Zeit. Bundestrainer Joachim Löw muss im Mittelfeld womöglich improvisieren.
Toni Kroos nimmt den Ball lässig mit der Brust an, nach einem feinen Dribbling serviert der Mittelfeld-Lenker der DFB-Elf die Kugel einem Kollegen punktgenau an den Sechzehner.
Im stilvollen Werbeclip eines Parfümherstellers mit anderen Topstars wie Harry Kane oder Radamel Falcao macht Kroos auch in Anzug mit Krawatte und Lackschuhen eine gute Figur. Seine Kickstiefel dagegen stehen derzeit ungenutzt im Spind bei Real Madrid - und das bereitet auch Joachim Löw einiges an Kopfzerbrechen.
Kroos droht Trainingslager zu verpassen
"Toni ist ein Weltklasse-Spieler, der unsere Mannschaft prägt", hatte der Bundestrainer in den vergangenen Monaten fast mantraartig wiederholt. Aller Kritik am Rio-Weltmeister etwa nach dem 0:6-Desaster in Spanien zum Trotz spielt Kroos in Löws EM-Planungen eine zentrale Rolle. Doch ausgerechnet vor dessen letztem Turnier ist der 31-Jährige nun an COVID-19 erkrankt und droht zumindest den Auftakt des ohnehin verkürzten Trainingslagers im Tiroler Seefeld (28. Mai bis 6. Juni) zu verpassen.
Auch ein Einsatz des Regisseurs im ersten EURO-Test am 2. Juni in Innsbruck gegen EM-Teilnehmer Dänemark scheint unwahrscheinlich. Im "Finale" um die spanische Meisterschaft am Samstag (18.00 Uhr/DAZN) fehlt der bereits zehnte (!) positiv getestete Real-Profi ohnehin.
Kroos in Isolation
Kroos hatte sich wegen direkten Kontakts mit einer erkrankten Person schon am vergangenen Freitag in Isolation begeben. Dort dürfte er nun weitere zehn bis 14 Tage verbringen müssen. Dass Löw ihn am Mittwoch (12.30 Uhr) in seinen bis zu 26-köpfigen Kader für die EM (11. Juni bis 11. Juli) mit dem Auftaktspiel am 15. Juni in München gegen Weltmeister Frankreich berufen wird, gilt dennoch als sicher.
Wenn er spielte, tat er dies zuletzt gewohnt stark. Allerdings machten sich bei Kroos nach 40 Pflichtspielen von Mitte September bis Mitte April Ermüdungserscheinungen bemerkbar.
Die drei Partien der WM-Qualifikation im März verpasste er wegen Adduktorenbeschwerden, wegen muskulärer Probleme und der Quarantäne bestritt er nur eines der jüngsten sieben Ligaspiele der Königlichen.
Auch Goretzka bereitet Löw sorgen
Kroos ist nach Leon Goretzka (Muskelfaserriss) bereits Löws zweites Sorgenkind im Mittelfeld, der Bundestrainer wird improvisieren müssen. Andererseits herrscht in keinem anderen Mannschaftsteil ein solches Überangebot an Klassespielern. Joshua Kimmich ist bei Löw als Sechser gesetzt, davor kann er neben Kroos und Goretzka auf Ausnahmespieler wie Ilkay Gündogan, Kai Havertz oder den erwarteten Rückkehrer Thomas Müller bauen.
Auch Youngster wie Jamal Musiala oder Florian Wirtz drängen ins Team, dazu ein Routinier wie Marco Reus. Weitere Alternativen stünden in Florian Neuhaus, Jonas Hofmann, Julian Draxler oder Amin Younes bereit.
Doch trotz all der möglichen Ersatzvarianten: Löw sähe Kroos lieber heute als morgen wieder auf dem Platz - unter seiner Leitung im Training, nicht in einem Werbestreifen.