EURO 2020 News: Havertz lässt Kritiker bei Portugal-Spektakel verstummen
"Falsche Neun" wird zum echten Knipser! Havertz plötzlich richtig wichtig
Nico Ditter
21.06.2021 | 12:03 Uhr
Eigentor erzwungen, selbst getroffen und die richtige Reaktion gezeigt: Kai Havertz hat mit seiner Galavorstellung beim fulminanten 4:2-Erfolg über Portugal alle Kritiker verstummen lassen und sich im Sturmtrio der DFB-Elf festgespielt. Erinnerungen an das Champions-League-Finale werden wach.
Es läuft die 35 Minute, als der bärenstarke Robin Gosens eine scharfe Flanke in den Strafraum der portugiesischen Nationalelf schlägt und damit den einschussbereiten Kai Havertz bedienen möchte. Am Ende ist es zwar Portugal-Verteidiger Ruben Dias, der den Ball entscheidend ins eigene Gehäuse abfälscht und den Torreigen der DFB-Elf eröffnet - aus Sicht des amtierenden Champions-League-Siegers mit dem FC Chelsea ist das aber völlig egal.
Vielmehr bleibt im Gedächtnis, dass der Youngster im Angriffszentrum der DFB-Elf omnipräsent war und die portugiesische Viererkette stets in Bedrängnis gebracht hat. Und kurz nach Wiederbeginn war es dann endlich soweit: Haverz veredelt eine weitere Hereingabe von Gosens in bester Mittelstürmermanier und sorgt damit kurz nach dem Wiederanpfiff für die Vorentscheidung.
Doch auch das ist für den variabel einsetzbaren Angreifer nur ein netter Nebenaspekt. "Natürlich freue ich mich über das Tor", sagte Havertz nach dem Schlusspfiff, vielmehr zählen am Ende aber der 4:2-Erfolg und die ersten drei Punkte bei dieser EURO: "Wir können erstmal zufrieden mit der Leistung sein, genau wie mit dem Sieg. Wir haben sie gut bespielt."
Seine Emotionen hielt der gebürtige Aachener wie gewohnt sowohl beim Post-Match-Interview als auch bei den Toren im Zaum. "Diese kühle Art ist eher so meine Spielweise", erklärte der 80-Millionen-Euro-Transfer aus dem vergangenen Sommer. Seine Performance war dagegen bis zu seiner Auswechslung in der 73. Minute explosiv, im Vergleich zum Frankreich-Spiel konnte er sich gar um vier Sky Noten verbessern.
Massive Leistungssteigerung erkennbar
Gegen den Weltmeister von 2018 ging Deutschlands Nummer 7 gegen die starken Innenverteidiger Raphael Varane und Presnel Kimpembe sowie seinen Teamkollegen N'Golo Kante komplett unter. Der Shootingstar war in der Offensive komplett überfordert und ließ seine gewohnte Ballsicherheit vermissen. Havertz wirkte im Spiel wie ein Fremdkörper und kassierte folgerichtig die Sky Note 5.
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DFB-Fans nach dem Portugal-Sieg über die Leistung der deutschen Mannschaft (Videolänge: 1:11 Minuten).
Zahlreiche Kritiker wurden wach und stellten Löws Entscheidung, den variabel einsetzbaren Angreifer auf die Neun zu stellen, in Frage. Rufe nach den prominenten Alternativen um Bayerns Leroy Sane und Chelsea-Teamkollegen Timo Werner wurden lauter. Doch der Bundestrainer blieb seiner Linie treue und schickte erneut die exakt gleiche Startaufstellung ins Rennen. Mit Erfolg.
"Es war wichtig, nach dem Frankreich-Spiel nicht alles über den Haufen zu werfen, sondern uns treu zu bleiben", findet auch Havertz und weiter: "Wir vertrauen dem System, und wir vertrauen den Spielern." Das Vertrauen des Bundestrainers zahlte der Angreifer in beeindruckender Manier zurück. Im Gegensatz zum Auftaktspiel präsentierte sich Havertz wie ausgewechselt - ließ mit seiner Galavorstellung alle Kritiker verstummen.
Erinnerung an das vergangene Champions-League-Finale werden wach. Als 80-Millionen-Rekordtransfer stand der 22-Jährige bei den Blues natürlich genau im Blickpunkt. Den Erwartungen ist er aber in seiner Debütsaison nicht immer gerecht geworden. Aufgrund Startschwierigkeiten, Verletzungen und fehlender Konstanz kam er in der Premier League gerade einmal auf vier Treffer, erntete aufgrund zahlreicher Leistungsschwankungen regelmäßig Kritik.
Doch Chelsea-Coach Thomas Tuchel setzte weiter auf den 16-fachen A-Nationalspieler und ließ ihn in den wichtigen Champions-League-Partien, wie zum Beispiel im Halbfinal-Rückspiel gegen Real Madrid und im Endspiel gegen Manchester City, über die volle Distanz ran. Spätestens mit seinem Siegtreffer im Finale gegen Manchester City hat er sich im Westen Londons unsterblich gemacht und sämtliche Kritik in Vergessenheit geraten lassen.
Eine ähnliche Geschichte deutet sich nun auch beim Nationalteam an.
Löw hat Havertz' optimale Position ausfindig gemacht
Trotz seines einzigartigen Talents hatte Havertz seine Position beim DFB-Team bis zur EURO noch nicht gefunden. Der Bundestrainer setzte ihn zuvor ausschließlich als Ergänzungsspieler auf verschiedenen Offensivpositionen ein: mal im zentralen Mittelfeld, mal links, mal rechts. Nun scheint Löw die optimale Position für den hochveranlagten Offensivspieler gefunden zu haben: Im Sturmzentrum.
Klar, Havertz ist an sich kein klassischer Stoßstürmer a la Robert Lewandowski oder Karim Benzema - überzeugt dagegen eher mit seiner variablen Spielweise. Dass er aber durchaus "Neuner-Qualitäten" besitzt, ist vor allem bei seinem Treffer deutlich geworden, als er im Sechzehner in bester Stürmermanier goldrichtig gestanden ist und die Gosens-Hereingabe eiskalt veredelt hat.
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Europameister Oliver Reck mit Lob für die DFB-Elf nach dem Sieg gegen Portugal. (Videolänge: 56 Sekunden)
Dennoch ist Havertz gewarnt: "Ungarn wird ein schwerer Gegner, den man nicht unterschätzen darf, sehr defensivstark. Das wird wieder ein harter Brocken." Mit einem Kai Havertz und einer deutschen Nationalmannschaft in der Portugal-Verfassung sollte dem Pflichtsieg im Gruppenfinale und dem anschließenden Weiterkommen nichts mehr im Wege stehen.
Und für ein Finale ist der junge Angreifer ohnehin der richtige Mann - das hat er ja bereits auf höchster internationaler Ebene bewiesen.