Zum Inhalte wechseln

FC Bayern News: Bilanz 100 Tage Julian Nagelsmann beim FCB

100 Tage Bayern mit Nagelsmann: Top-Werte & ein Loch als Problemquelle

Julian Nagelsmann steht vor dem nächsten großen Schritt in seiner Karriere.
Image: Julian Nagelsmann hat seine ersten 100 Tage beim FC Bayern hinter sich.  © Imago

Nicht nur in der Politik sind die ersten 100 Tage einer neuen Legislaturperiode ein erster aussagekräftiger Bewertungszeitraum. Auch im Fußball lässt sich aus den ersten 100 Tagen eines Trainers bei einem neuen Verein ein Zwischenfazit ziehen. Dies fällt bei Julian Nagelsmann und dem FC Bayern München überwiegend positiv aus. Allerdings gibt es auch eine Problemzone.

Bei der Vorstellung von Julian Nagelsmann im Juli sprach der neue Bayern-Boss Oliver Kahn von einer neuen "Ära", die der junge Coach beim FC Bayern nach der sehr erfolgreichen, aber auch nicht immer harmonischen Zusammenarbeit mit Hansi Flick einleiten sollte. Dementsprechend wurde dem 34-Jährigen mit einem für Bayern München untypischen Fünfjahresvertrag ein extrem großer Vertrauensvorschuss entgegengebracht.

Diesen konnte er mit Blick auf seine ersten 100 Tage im Amt (Jubiläum am Freitag) zumindest ansatzweise schon zurückzahlen. Auch wenn dieser Bewertungszeitraum im Verhältnis zur Vertragslaufzeit extrem kurz ausfällt, lassen sich bereits erste Erkenntnisse und Fakten aus der neu gestarteten Ära ziehen.

Nagelsmann stellt einige Bestmarken auf

Der Blick auf die blanken Zahlen zeigt aus Nagelsmann-Sicht fast nur Positives. Mit einer Siegquote von 82 Prozent ist der junge Coach der beste der vergangenen sechs Trainer (seit 2013/14). Nicht mal Sextuple-Sieger Hansi Flick, Bayern-Legende Jupp Heynckes und Taktik-Fuchs Pep Guardiola können diesbezüglich mithalten.

Nagelsmann und seine Vorgänger: Die vergangenen Bayern-Trainer im Vergleich
Image: Nagelsmann und seine Vorgänger: Die vergangenen Bayern-Trainer im Vergleich  © Sky

Fast noch gravierender ist der Unterschied im Offensivbereich, wenn es um die erzielten Treffer pro Partie geht. Während die Münchner unter Nagelsmann 4,3 Tore pro Spiel erzielen, kam man in der Vergangenheit unter den Vorgängern auf maximal 3,0 Tore pro Partie (Flick). Den schlechtesten Wert hatte der FCB diesbezüglich unter Guardiola (2,5).

Nagelsmann macht Spieler besser - Beispiele: Sane & Süle

In diesem Zuge hat es Nagelsmann zudem geschafft, Spieler wie beispielsweise Leroy Sane zu ihrer alten Stärke oder sogar auf ein neues Level zu führen. Unter Nagelsmann blüht der Flügelstürmer regelrecht auf und ist im Schnitt pro Partie an einem Treffer beteiligt (elf Spiele, vier Tore, sieben Assists). Zudem hat es Nagelsmann - in Zusammenarbeit mit Bundestrainer Hansi Flick bei der Nationalmannschaft - geschafft, Sane auch defensive Werte zu vermitteln und den sonst voll auf Offensive fokussierten Profi auch zu einem wichtigen defensiven Puzzleteil zu machen.

Doch nicht nur offensiv läuft es unter Nagelsmann rund. Auch defensiv - zumindest im Hinblick auf die Zahlen - verzeichnet der Ex-Leipzig-Coach eine weitere Bestmarke. 0,7 Gegentore pro Partie wies in den vergangenen sieben Jahren beim FC Bayern nur Guardiola auf.

Mehr dazu

Bundesliga-Spielplan 2021/22
Bundesliga-Spielplan 2021/22

Wer spielt wann? Wann steigen die Kracher-Duelle? Zum Spielplan.

In diesem Mannschaftsteil wird ebenfalls beispielhaft aufgezeigt, wie Nagelsmann einzelne Spieler besser machen kann. Niklas Süle galt beim FC Bayern vor der Saison als Abgangskandidat. Immer wieder gab es Zweifel am Fitnesszustand des 26-jährigen Verteidigers. Doch Nagelsmann vertraut auf seinen Schützling, den er bereits aus Hoffenheim kennt. Entweder als Innenverteidiger oder als rechter Verteidiger überzeugt Süle nahezu bei jedem Auftritt - sowohl defensiv als auch mit versteckten Dribblingkünsten offensiv. Dies kann auch als ein Verdienst von Nagelsmann angesehen werden.

Nagelsmann bemängelt "großes Loch in der Mitte"

Allerdings ist bei den Münchnern nicht alles Gold was glänzt. In der Champions League ist man zwar mit zwei deutlichen Siegen gegen Barcelona und Kiew gestartet und auch in der Bundesliga führt der Rekordmeister die Tabelle nach sieben Spieltagen an, doch waren auch einige der eingefahrenen Punkte auf sehr wackligen Beinen. Erinnert sei beispielsweise an das turbulente 3:2 gegen den 1. FC Köln. Zuletzt setzte es gegen Eintracht Frankfurt (1:2) die erste Pflichtspielniederlage unter Nagelsmann.

Nach dieser hat der junge, aber bereits erfahrene Trainer deutliche Worte gefunden und das Hauptproblem im Spiel des FC Bayern ausgemacht. "Am Ende ist es immer tödlich, wenn du vier gegen eins im Aufbau spielst und mit sechs Spielern vorne. Dann gibt es ein großes Loch in der Mitte, und über dieses Loch hat Frankfurt - aber auch schon Fürth und Kiew - das ein oder andere Mal umgeschaltet. Das müssen wir besser machen."

Und Nagelsmann ging dabei sogar noch weiter ins Detail: "Wir dürfen im Aufbau nicht zu viel Personal verschenken, sondern müssen die Staffelung beibehalten und die Gegenpressing-Wege kurz halten. Das zweite Gegentor ist ein Beispiel dafür: Wenn wir auf der vordersten Linie mit sieben Spielern stehen, bleiben nach Adam Riese noch drei für den Aufbau übrig. Dann haben wir im zentralen Bereich keine Spieler. Und über den hat Frankfurt jeden Konter eingeleitet."

Bayerns Grundstruktur bei eigenem Ballbesitz

Grafisch lässt sich das Problem der Münchner wie folgt darstellen: In Bild 1 ist Bayerns Grundstruktur bei eigenem Ballbesitz deutlich zu erkennen. Lucas Hernandez und Dayot Upamecano bauen knapp über der Mittellinie auf, Niklas Süle schiebt eine Reihe weiter vor und bietet so gemeinsam mit Joshua Kimmich und Leon Goretzka eine Anspielstation in der Nähe. Die schnellen Alphonso Davies und Serge Gnabry besetzen die offensiven Flügelpositionen und in der Mitte tummeln sich Leroy Sane, Thomas Müller und Robert Lewandowski.

Bild 1 - Grundstruktur des FC Bayern unter Nagelsmann bei eigenem Ballbesitz (Quelle: Justin Kraft/ miasanrot)
Image: Bild 1 - Grundstruktur des FC Bayern unter Nagelsmann bei eigenem Ballbesitz (Quelle: Justin Kraft/ miasanrot)

Mit dieser Grundstruktur ist gut zu erkennen, dass die Münchner in der gegnerischen Hälfte mit ihrer Staffelung keine großen Abstände zwischen den Mannschaftsteilen entstehen lassen und gleichzeitig sehr viele Räume abstecken (Bild 2). Diese Darstellung stellt somit eine Art Schablone bzw. Vorlage dar.

Bild 2 - Raumabdeckung des FC Bayern unter Nagelsmann bei eigenem Ballbesitz (Quelle: Justin Kraft/ miasanrot)
Image: Bild 2 - Raumabdeckung des FC Bayern unter Nagelsmann bei eigenem Ballbesitz (Quelle: Justin Kraft/ miasanrot)

Gefahr bei Verlust der Grundstruktur

In Bild 3 wiederum ist nun zu sehen, was passiert, wenn die Münchner ihre Grundstruktur verlassen. Goretzka befindet sich in diesem Fall zu weit vorne auf einer Höhe mit den drei zentralen Angreifern, Süle hingegen steht zu defensiv, womit Kimmich alleine im zentralen Mittelfeld fast schon isoliert wirkt. Der Abstand zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen und auch zwischen den einzelnen Spielern ist deutlich größer als in Bild 1.

Bild 3 - Verlust der Grundstruktur des FC Bayern unter Nagelsmann bei eigenem Ballbesitz (Quelle: Justin Kraft/ miasanrot)
Image: Bild 3 - Verlust der Grundstruktur des FC Bayern unter Nagelsmann bei eigenem Ballbesitz (Quelle: Justin Kraft/ miasanrot)

Es müssen somit riskantere Zuspiele gewählt werden, die die Wahrscheinlichkeit eines Fehlpasses erhöhen. In diesem Fall kann durch die erhöhten Abstände auch kaum ein wirkungsvolles Gegenpressing ausgeübt werden, da zahlreiche Räume unbesetzt sind (Bild 4).

Bild 4 - Raumabdeckung, wenn Bayern nicht in der Grundstruktur ist (Quelle: Justin Kraft/ miasanrot)
Image: Bild 4 - Raumabdeckung, wenn Bayern nicht in der Grundstruktur ist (Quelle: Justin Kraft/ miasanrot)

Die Möglichkeit für den Gegner, einen erfolgreichen Konter zu fahren, ist damit deutlich größer.

Trotz des guten Starts beim FC Bayern hat Nagelsmann somit noch Arbeit vor sich, um das Spiel der Münchner noch weiter zu verbessern. Aufgrund seiner akribischen Arbeitsweise und seines Ehrgeizes sich ständig verbessern zu wollen, ist ihm diese Entwicklung beim FC Bayern durchaus zuzutrauen.

Sollte diese eintreten, steht einer Ära Nagelsmann beim FC Bayern nichts mehr im Wege und es werden noch zahlreiche weitere 100 Tage folgen ...

Mehr zu den Autoren und Autorinnen auf skysport.de

Alles zur Bundesliga auf skysport.de:

Alle News & Infos zur Bundesliga
Spielplan zur Bundesliga
Ergebnisse zur Bundesliga
Tabelle zur Bundesliga
Videos zur Bundesliga
Liveticker zur Bundesliga

Alle weiteren wichtigen Nachrichten aus der Sportwelt gibt es im News Update nachzulesen.

Weiterempfehlen: