WAS (!) ein EM-Debüt von Jamal Musiala! Der Youngster glänzte im entscheidenden Vorrundenspiel gegen Ungarn als Vorbereiter und zeigte damit abermals seine enormen Qualitäten als Joker. Wird der 18-Jährige, der alle englischen U-Nationalmannschaften durchlaufen hat, nun zum X-Faktor im Duell mit seiner zweiten Heimat?
A night to remember. So könnte man den gestrigen Abend in der Münchner Allianz Arena gut zusammenfassen. Es war ein denkwürdiges und nervenaufreibendes Spiel gegen kampfstarke Ungarn, doch am Ende hatte die deutsche Nationalmannschaft das glückliche Happy End auf ihrer Seite.
Zum Durchklicken: Die DFB-Noten gegen Ungarn
Dank des späten Ausgleichstreffers von Leon Goretzka zum 2:2-Endstand steht das DFB-Team im Achtelfinale der EURO 2020. Einer der wenigen Lichtblicke in Reihen des Weltmeisters von 2014 war Jamal Musiala. Der Youngster des FC Bayern wurde in der 82. Spielminute für den eher unauffälligen Robin Gosens eingewechselt, beim Stand von 1:2 wohlgemerkt.
Und es dauerte keine zwei Minuten, ehe das Top-Talent seine ganze Klasse zeigte. Musiala spielte sich auf der linken Seite gemeinsam mit Timo Werner durch, zog dabei gleich drei Gegenspieler auf sich und hatte dann noch die Übersicht für den freistehenden Goretzka im Rückraum, der den Ball im Nachsetzen ins Tor bugsierte.
Bundestrainer Joachim Löw war nach der Partie voll des Lobes. ''Er hatte einige gute Situationen", betonte Löw und ergänzte: "Gerade wenn es ein wenig eng ist, hat er seine Stärken. Für einen so jungen Spieler hat er es gut gemacht. Er war frech, seine Leistung war sehr ansprechend."
Matthäus adelt Bayern-Youngster
In dieselbe Kerbe schlug auch Sky Experte Lothar Matthäus: ''Ohne seine Einzelleistung auf der linken Seite wäre das Tor von Goretzka nie gefallen. Also er ist für mich der Gewinner des gestrigen Spiels. Er hat Dinge gemacht, die ich 80 Minuten vorher nicht gesehen habe.''
Auch Musiala selbst hat sich zu seiner Performance geäußert. "Ich sollte mir Sachen zutrauen und aggressiv nach vorne gehen. Ich hatte nichts zu verlieren", berichtete der Youngster über den Auftrag des Bundestrainers. Er hatte zwar nichts zu verlieren, dennoch ist diese Leistung in einem so entscheidenden Thriller alles andere als selbstverständlich.
Für Musiala war es der allererste EM-Einsatz überhaupt. In den ersten beiden Vorrundenspiele gegen Frankreich und Portgual stand der gebürtige Stuttgarter noch nicht einmal im Kader. Das Top-Talent des FC Bayern wurde also regelrecht ins kalte Wasser geworfen - und das in einer so brenzligen Situation, in der es um alles oder nichts ging. Zu dem Zeitpunkt, als Musiala eingewechselt wurde, stand das DFB-Team als Gruppenletzter vor dem Aus.
Musiala stellt Podolski-Rekord ein
Mit seinen 18 Jahren und 117 Tagen ist das Juwel der jüngste Spieler, der je für die DFB-Elf bei einem großen Turnier zum Einsatz gekommen ist. Diesen Rekord hielt zuvor Lukas Podolski, der bei der EM 2004 etwas älter als 19 Jahre alt war.
Hinter Musiala liegt zudem das allererste Profi-Jahr auf der großen Fußballbühne. Sein Debüt beim FC Bayern hat der Offensivspieler vor fast genau einem Jahr gefeiert. Beim 3:1-Heimerfolg gegen Freiburg, genauer gesagt am 20. Juni 2020, durfte er erstmals Bundesliga-Luft schnuppern, wenn auch nur für ganze zwei Minuten.
Doch danach folgte ein rasanter Aufstieg. Musiala bekam von Ex-Trainer Hansi Flick immer mehr das Vertrauen geschenkt, was 39 Pflichtspieleinsätze eindrucksvoll untermauern. Der Youngster hat mit seiner Schnelligkeit und Wendigkeit extrem viel Dynamik ins Spiel des deutschen Rekordmeisters gebracht.
18-Jähriger mit Durchstarter-Saison beim FC Bayern
Gleich in seiner Debütsaison gelangen ihm sieben Tore, darunter auch eins in der Champions League. Diese Leistungen blieben natürlich auch bei Löw und dem DFB nicht unbemerkt, woraufhin erste Kontakte zum Bayern-Talent aufgenommen wurden.
Dieser war zu diesem Zeitpunkt noch regelmäßig im Einsatz für Englands U21. Der Sohn einer Deutschen und eines Nigerianers verbrachte viele Jahre seiner Jugend in England. Doch da Musiala noch kein Spiel in der A-Nationalmannschaft bestritten hatte und zudem den deutschen Pass besitzt, war er für das DFB-Team spielberechtigt.
Im Februar diesen Jahres entschied sich der Youngster letztlich für die deutsche Nationalmannschaft. Daraufhin wurde er von Löw prompt für die drei WM-Qualifikationsspiele im März eingeladen und feierte dort sein Debüt im DFB-Dress. Rund zwei Monate später folgte dann auch die Nominierung in den EM-Kader, während ein anderes Top-Talent, Florian Wirtz, nicht berücksichtigt wurde.
Zaubert Musiala auch gegen England?
Diese Entscheidung hat sich wahrscheinlich jetzt schon ausgezahlt. Denn Musiala hat in den rund 12 Minuten Spielzeit gegen Ungarn für mehr Gefahr und Ideen gesorgt, als seine Mitstreiter in der Offensive, wie zum Beispiel Leroy Sane oder Serge Gnabry, die regelrecht enttäuschten.
Es gibt wohl keinen Spieler in der DFB-Offensive, der auf engstem Raum so gute Lösungen findet, wie der 18 Jahre alte Musiala. Damit könnte er auch im kommenden Achtelfinale zu Löws Geheimwaffe und vielleicht auch zum X-Faktor werden.
Erst Recht, wenn man bedenkt, dass der Gegner England heißt, wohlgemerkt im Wembley Stadion. Ein Spiel mit einer ganz besonderen Brisanz. "Ich freue mich darauf. Das ist ein Spiel gegen meine zweite Heimat. Das wird ein cooles Spiel", unterstrich Musiala.
Nach diesem fabelhaften Joker-Einsatz ist davon auszugehen, dass Musiala auch gegen England Spielzeit erhalten wird. Wie viel, entscheidet am Ende der Bundestrainer. Doch ein besseres Bewerbungsschreiben kann es wohl kaum geben.
Und vielleicht macht gerade der 18 Jahre alte Musiala im Duell mit seiner zweiten Heimat den Unterschied aus. Das wäre für die englischen Fans mit Sicherheit gleich doppelt schmerzhaft ...