Der VfB Stuttgart steckt in einer misslichen Lage. Die Gründe für aktuellen Niedergang sind deutlich sichtbar. Ein Kommentar von Sky Reporter Alexander Bonengel.
Kein VfB-Fan wird mehr über den HSV lästern: Sechzehn Trainer, dazu sechs sportliche Leiter und vier Präsidenten hat der VfB seit 2007, dem Jahr der Deutschen Meisterschaft, beschäftigt. Einige wenige Hochs und sehr viele Tiefs haben die Zeit danach geprägt. Negativer Höhepunkt bisher: der Abstieg 2016.
Hatte es zwischendurch den Anschein, der Traditionsklub habe aus seinen Fehlern gelernt, ist der VfB mittlerweile auf dem besten Weg, den damaligen Tiefpunkt nochmal deutlich zu unterbieten: Über 40 Millionen Euro Einnahmen brachte die Ausgliederung, 35 Millionen werden die Bayern für Weltmeister Pavard überweisen. Der Club pulverisiert gerade die einmalige historische Chance, den Grundstein dafür zu legen, perspektivisch wieder oben anzugreifen.
Nun liegt es in der Hand eines bundesliga-unerfahrenen U19-Trainers, den VfB vor dem absoluten Totalschaden zu bewahren. Zusammen mit dem ebenfalls in seiner Position unerfahrenen Sportvorstand Thomas Hitzlsperger, der sich zudem den Vorwurf gefallen lassen muss, zu spät erkannt zu haben, dass Weinzierl die Mannschaft längst nicht mehr erreicht hat.
VfB hat eingebauten Selbstzerstörungsmechanismus
Die aktuelle Situation ist das Resultat kollektiven Versagens, das in der Bundesliga-Historie wohl seinesgleichen suchen dürfte, erst recht, wenn am Ende der erneute Abstieg zu Buche stehen sollte. Wie real dieses Szenario ist, dürfte in Cannstatt nach dem peinlichen 0:6 in Augsburg auch der Letzte begriffen haben.
Offenbar hat der VfB Stuttgart einen eingebauten Selbstzerstörungsmechanismus, der trotz vieler Chancen jegliche Form von Entwicklung behindert. Womöglich ist gerade die Chance, eine äußerst wirtschaftsstarke Region mit Strahlkraft zu sein, auch das Problem: Streben nach Prestige, Führung nach Gutsherrenart und "Hire-and-Fire-Mentalität" mögen in der Wirtschaft funktionieren, nicht aber unbedingt in einem Fußballverein.
Die obersten Gremien des VfB, Aufsichtsrat und Präsident, sind der rote Faden im Niedergang des VfB und gleichsam offenbar kulturell geprägt durch das Selbstverständnis der schwäbischen Unternehmer-Elite. Wenn der Daimler-Mann Wilfried Porth den Weltmeister Guido Buchwald aus dem Verein heraus beleidigt, spricht das Bände. Wenn der frisch gewählte Präsident Dietrich direkt nach der Wahl einem Kritiker den Handschlag verweigert und ihn als "Drecksack" beschimpft, auch.
Dietrich trägt die Hauptverantwortung
Apropos Dietrich: Unterm Strich trägt er die Hauptverantwortung für die Katastrophensaison, er trägt auch die Verantwortung dafür, den vielversprechenden Kurs der Vernunft unter Schindelmeiser beendet zu haben. Mit der Verpflichtung von Reschke trägt er auch die Verantwortung für die verbrannten Ausgliederungs-Millionen und die schlimme Kaderzusammenstellung. Jüngst haben neue Details über seine wirtschaftlichen Verflechtungen im Profi-Fußball sein Ansehen zusätzlich beschädigt. Dietrich ist bei Fans und Mitgliedern völlig unten durch. Doch er zeigt einen Kampfgeist, der seiner Mannschaft auf dem Platz gut tun würde: Er will Präsident bleiben und hält das aus.
Der VfB steht vor einem erneuten sportlichen Umbruch, das steht fest, egal ob Abstieg oder Klassenerhalt. Auch wird sicher wieder Geld reinkommen, alleine durch weitere Verkäufe von AG-Anteilen.
Doch der Fisch stinkt vom Kopf: Solange die schwäbische Wirtschaftselite im Hintergrund die Vereinskultur bestimmt, ist dauerhafte Besserung nicht in Sicht. Das hat alleine die Vergangenheit mehrfach gezeigt. Und Chancen, daraus zu lernen, hat es sicher genug gegeben.