Die deutsche Nationalmannschaft hat beim 8:0-Sieg gegen Estland erstmals seit langem wieder ein Offensiv-Feuerwerk abgebrannt. Doch ist wirklich alles Gold, was glänzt? - Ein Kommentar von Sky Reporter Marc Behrenbeck.
Natürlich hat es richtig Spaß gemacht gestern, aber bitte jetzt bloß nicht in Jubelarien ausbrechen. Eine deutsche Nationalmannschaft muss Estland immer schlagen. Auch die reine Höhe des Ergebnisses ist kein zu beklatschendes Highlight.
Aber WIE man gestern aufgetreten ist, kann uns zuversichtlich stimmen. Es war ein sehenswerter Schlusspunkt dieser Saison - und das rund ein Jahr nach dem WM-Debakel und ein Jahr bevor es bei der Euro 2020 wieder ernst wird.
Mischung scheint zu stimmen
Die Nationalelf ist in den letzten zwölf Monaten ordentlich durchgerüttelt worden. Nur noch drei Spieler vom letzten WM-Test vor einem Jahr standen gestern in der Startelf. Es fühle sich an wie bei der U21, witzelte Serge Gnabry. Die neue Truppe ließ gestern nicht locker, tobte sich aus und das alles stets mit hohem Tempo und Kreativität.
Herauszuheben ist dabei Ilkay Gündogan, der als Sinnbild ist für die Wiederauferstehung der Löw-Truppe fungiert: Vom Buh-Mann einer ganzen Nation zum Lenker und Leader. Mit Marco Reus hat man in der neuen Konstellation einen weiteren erfahrenen Spieler als Taktgeber auf dem Feld. Die Mischung scheint zu stimmen.
Gebilde bleibt fragil
Wie tragfähig das Konstrukt nach dem verspäteten Umbruch aber schon ist, bleibt fraglich. Gestern hat man es zwar geschafft trotz souveräne Führung mit Spaß und Leidenschaft die Leistung bis zur 90. Minute zu konservieren. Beim 3:2-Sieg gehen die Niederlande vor drei Monaten brach die DFB-Elf nach tollen ersten 45 Minuten aber total ein. Das zeigt wie fragil das Gebilde ist.
Ebenso fragil ist die Charmeoffensive des Verbandes. Zwar hat man daraus gelernt, dass die Unnahbarkeit und stellenweise Arroganz auch zum Misserfolg der Mannschaft beigetragen hat. Inwiefern die aktuellen Maßnahmen greifen, bleibt aber abzuwarten. Training mit Fans, Autogramme vor dem Hotel und der Umzug in kleine Stadien, die auch mal voll sind, fühlen sich aber erstmal richtig an.
Der DFB hat die Kurve noch lange nicht bekommen, aber man ist schon mal richtig abgebogen. Sportlich und strukturell.