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RUSADA-Wiederaufnahme "stinkt zum Himmel": Scharfe Kritik an der WADA

Die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA steht vor der Wiederaufnahme in die WADA. Die oberste Anti-Doping-Behörde gerät ins Kreuzfeuer der Kritik.

Köln (SID) Die sich abzeichnende Wiederaufnahme Russlands in die Anti-Doping-Familie hat weltweit für heftige Kritik gesorgt. Auch in Deutschland stießen die Empfehlung des unabhängigen Prüfungsausschusses und die undurchsichtigen Vorgänge vor der für Donnerstag angesetzten Entscheidung auf völliges Unverständnis bei Nationaler Anti-Doping Agentur (NADA) und Athletenvertretern.

"Die Entscheidung der WADA kommt für uns sehr überraschend. Sie ist aus Sicht der NADA nicht nachvollziehbar", teilte die Bonner Agentur am Samstag mit.

Noch am Dienstag, im Rahmen einer Sitzung des WADA-Europarats zur Vorbereitung des europäischen Mandats für das Executive Board Meeting am Donnerstag auf den Seychellen, hätten laut NADA die Vertreter der WADA eine andere Position vertreten. Es sei zu diesem Zeitpunkt "noch sehr deutlich die Rede davon" gewesen, dass das Compliance Review Committee (CRC) der WADA die Aufrechterhaltung der Suspendierung weiterhin empfiehlt.

Die beiden wesentlichen Punkte - öffentliche und vollumfängliche Anerkennung des McLaren-Reports sowie der uneingeschränkte Zugang zum Moskauer Labor - seien bis dato nicht erfüllt gewesen und das Votum des CRC "somit klar", schrieb die NADA.

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"Mit Erstaunen nehmen wir zur Kenntnis, dass sich nun aber über Nacht die Dinge geändert haben", hieß es weiter: "Für uns gilt weiterhin: Es gibt eine klare Road Map der WADA! Diese muss der russische Sport erfüllen. Alles andere ist und bleibt aus Sicht der NADA nicht akzeptabel."

Silke Kassner, stellvertretende Vorsitzende der DOSB-Athletenkommission und von Athleten Deutschland e.V., forderte das Foundation Board der WADA "dringend auf", die Entscheidung in der Causa Russland zu vertagen. "Wir erwarten Haltung von der WADA und dass sie ihre Kriterien nicht aufweicht", sagte Kassner, die auch NADA-Aufsichtsratsmitglied ist, dem SID.

Wenn die WADA von ihren ursprünglichen Forderungen abweiche, mache sie sich unglaubwürdig, sagte Kassner: "Wir brauchen das System, es ist alternativlos. Aber gesetzte Regeln müssen eingehalten werden, sonst brauchen wir die Institution WADA nicht."

Regelrecht bestürzt war Travis Tygart, der Chef der US-Anti-Doping-Agentur USADA. "Ganz ehrlich, das stinkt zum Himmel", sagte Tygart: "Die Interessen einer Handvoll Sportfunktionäre werden über die Rechte von Millionen sauberer Athleten gestellt."

Die WADA hatte am Freitag überraschend mitgeteilt, dass das CRC empfohlen habe, die RUSADA nach drei Jahren wieder aufzunehmen. Demnach habe das CRC kurz zuvor einen Brief vom russischen Sportministerium erhalten, in dem die Ergebnisse des McLaren-Reports über russisches Staatsdoping offenbar nun doch vollständig anerkannt worden sind. Zudem gebe es einen konkreten Zeitplan für die Bewilligung des Zugangs zum Moskauer Anti-Doping-Labor und den darin befindlichen Proben.

"Wenn dies nicht vollständig erreicht wird, wird das CRC dem Exekutivkomitee empfehlen, dass die RUSADA erneut als nicht konform erklärt wird", teilte die WADA am Samstagabend (MESZ) mit und rechtfertigte sich: Die Vorschläge in einem Brief der WADA-Spitze an Russlands Sportminister Pawel Kolobkow basierten "auf Pragmatismus und sind nuancierte Interpretationen des Fahrplans, um die Dinge zu einem Abschluss zu bringen". Zeitgleich veröffentlichte die WADA "im Sinne völliger Transparenz" den zuvor von BBC und ARD geleakten kompletten Schriftverkehr mit den Russen.

Aus einem Schreiben von WADA-Chef Craig Reedie und Generaldirektor Olivier Niggli an Kolobkow vom 22. Juni geht hervor, dass die WADA zugunsten der Russen von ihrer ursprünglichen harten Marschroute abgewichen ist und Russland vor allem beim Kriterium Zugang zum Moskauer Dopinglabor Zugeständnisse gemacht hat.

Kolobkow erklärte in seinem Antwortschreiben von Donnerstag, mit der WADA-Vorgehensweise einverstanden zu sein. Zumindest in diesem Schreiben wird der McLaren-Report mit keinem Wort erwähnt, Russland will demnach nur den weniger rigiden IOC-Report des Schweizers Samuel Schmid akzeptieren.

SID jm tl

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