Der französische Fußball versinkt im Chaos. Nach dem Flaschenwurf gegen Marseilles Dimitri Payet bestimmen erneut negative Schlagzeilen das Bild der Ligue 1. Wegen der fast wöchentlichen Fangewalt in den Stadien kommt es nun zu einem Treffen von Ministern und Ligavertretern im Innenministerium.
Eine volle Wasserflasche sorgte für ein leeres Stadion. Und auch für ein neues negatives Kapitel der Fangewalt in Frankreich.
"Das war eine schwarze Nacht für den Fußball. Dimitri wird psychologisch betreut. Das ist alles nicht normal", erklärte Marseille-Präsident Pablo Longoria bei Amazon. Bereits zuvor hatten Lyon-Anhänger zahlreiche Gegenstände auf das Spielfeld geworfen. "Das, was in Lyon passiert ist, ist nicht hinnehmbar", machte Frankreichs Sportministerin Roxana Maracineanu deutlich.
Frankreich schämt sich für Fangewalt
Die Vorfälle im Groupama Stadion waren nach Spielende das bestimmende Thema in Frankreichs Zeitungen. "Ein inakzeptabler Angriff", titelte die L'Equipe. Die Strafe gegen Lyon soll am 8. Dezember vom Disziplinarausschuss verkündet werden. Bis dahin muss OL zunächst im Heimspiel gegen Stade Reims ohne Zuschauer auskommen.
"Für das Image der Ligue 1 ist das ganz schlimm. Es wäre den Liga-Verantwortlichen und Vereinen viel lieber, wenn über das Sportliche berichtet werden würde. Wir schämen uns in Frankreich für das derzeitige Bild in den Stadien", verdeutliche Sky Ligue-1-Expertin Margot Dumont die aktuelle Lage.
Dabei wurden im Sommer zahlreiche Stars in die Liga geholt, die die Attraktivität erhöhen und die Außenwahrnehmung verbessern sollten. Ganz vorneweg ein gewisser Lionel Messi. Doch statt Berichte über Leistungen und Resultate gibt es aus Frankreich fast wöchentlich Schlagzeilen über Platzstürme, Pyrotechnik und Schlägereien in den Stadien.
ZUM DURCHKLICKEN: FANGEWALTVORFÄLLE IN FRANKREICH IN DIESER SAISON
Fliegende Sitzschalen, Prügelei, Busangriff
Die massive Fangewalt stellt dabei den erhofften sportlichen Glanz durch die Starspieler klar in den Schatten. "Es gibt ein Fanproblem bei uns. Wir haben viele Rivalitäten innerhalb der Liga, da ist eine aufgeheizte Stimmung schon vorprogrammiert. Die Fans in Frankreich waren aber schon immer aggressiv. In letzter Zeit ist es dann noch viel schlimmer geworden. Zurzeit würde ich mit meinem Kind nicht ins Stadion gehen", meinte Sky Frankreich-Expertin Dumont.
Vor dem Flaschenwurf gegen Payet machten die Anhänger von Lyon bereits mit Tribünenschlägereien im Europa-League-Match gegen Bröndby IF auf sich aufmerksam. Auch die Marseille-Fans fielen bereits einige Mal negativ auf: In Angers kam es unter anderem zu einem Platzsturm, gegen Galatasaray flogen Feuerwerkskörper zwischen den Blocks hin und her und gegen Paris Saint-Germain wurden die gegnerischen Spieler wiederholt mit Gegenständen beworfen.
Negative Höhepunkte in der laufenden Saison waren allerdings das Nordderby zwischen RC Lens und OSC Lille, als sich die Zuschauer zunächst gegenseitig mit Sitzschalen bewarfen und anschließend den Platz stürmten, um sich zu prügeln sowie der Busangriff gegen Girondins Bordeaux. Dort hatten Anhänger von HSC Montpellier Gästefans mit Eisenstangen und Rauchbomben attackiert. Bei AS Saint-Etienne gegen Angers SCO musste der Anpfiff nach dem Zünden von unzähligen Bengalos auf den Rängen um eine Stunde vorschoben werden.
Payet bereits einmal Zielscheibe von Fangewalt
Insgesamt war in dieser Spielzeit bereits die halbe Liga von Fangewalt betroffen. Payet war übrigens bereits im August Zielscheibe bei einem Flaschenwurf. Damals wurde der 34-Jährige allerdings von einer Wasserflasche verfehlt, warf diese aber zurück in den Block von OGC Nizza. Daraufhin kam es zum Platzsturm. Das Spiel wurde abgebrochen und zwei Monate später auf neutralem Platz wiederholt.
"Payet wird in Frankreich von den Anhängern vieler Vereine für sein häufig arrogantes Auftreten gehasst", versuchte Sky Ligue-1-Expertin Dumont den Hass gegen Payet zu erklären. Doch mit ihren Aktionen gefährden die Vereinsanhänger nicht nur die Gesundheit der Spieler, sondern schaden dazu noch ihren Vereinen enorm. So musste Nizza als Strafe einen Punktabzug hinnehmen und zwei Geisterspiele austragen.
"Ich denke zunächst an den angegriffenen Spieler. Dimitri Payet hat meine volle Unterstützung. Wir können es nicht zulassen, dass Spieler derart angegriffen werden. Solche Vorfälle müssen mindestens zum automatischen Abbruch der Spiele führen. Wir brauchen Sanktionen und eine allgemeine, sofortige und radikale Bewusstseinsbildung aller Akteure im Fußball", machte Frankreichs Sportministerin Maracineanu deutlich.
Krisensitzung mit Ministern und Verbänden
Über weitere Konsequenzen sowie Maßnahmen gegen Fangewalt soll nun beraten werden. Vertreter der Politik wollen sich dazu mit Verantwortlichen des französischen Fußballs treffen. Die französische Nachrichtenagentur AFP teilte nach Angaben des Sportministeriums mit, dass bereits am 23. November (Dienstag) das Treffen im Innenministerium stattfinden soll.
Dort wird Innenminister Gerald Darmanin mit Bildungs- und Sportminister Jean-Michel Blanquer, Sportministerin Maracineanu sowie Vertreter des Liga-Verbands LFP und des französischen Fußball-Verbands FFF empfangen. Welche Maßnahmen zum Kampf gegen die exzessiven Gewaltausbrüche im französischen Fußball dann vereinbart werden, bleibt abzuwarten.
Klar ist allerdings, dass rund um die Ligue 1 etwas passieren muss. Denn weder Platzstürme, Schlägereien, Feuerwerkskörper, Flaschenwürfe noch leere Stadien sollen in Zukunft zum wöchentlichen Bild der Liga gehören. Das würde dem Image des französischen Fußballs weiter schaden.
In unserem Nachbarland soll vielmehr das Sportliche wieder in den Vordergrund rücken.