Trainer-Nobody Nico Willig soll den Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart vor dem Abstieg retten. Sportvorstand Thomas Hitzlsperger ist von dem Interimscoach überzeugt.
Der 38-Jährige, der am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach (18:30 Uhr live auf Sky Sport Bundesliga 1 HD) zum ersten Mal an der Seitenlinie stehen wird, legte in den 32 Minuten auf der Pressekonferenz seine Schüchternheit rasch ab und wurde deutlich.
"Ich will die Spieler aus der Tristesse holen. Und ich will einen aktiven Spielstil entwickeln. Wir müssen dauerhaft online und in ständiger Angriffsbereitschaft sein", sagte Willig, der gegen Gladbach auf den angeschlagenen Steven Zuber verzichten muss: "Ich möchte Energie in die Mannschaft bringen - aber ihr auch einen Plan mitgeben."
Weinzierl nach 0:6-Klatsche entlassen
Willig, der zuvor die A-Junioren der Stuttgarter betreute, war am Samstag als Folge des 0:6 (0:3) im schwäbischen Derby beim FC Augsburg zum Nachfolger von Markus Weinzierl aufgestiegen. Die höchste Bundesliga-Pleite seit November 1985 (0:6 bei Werder Bremen) hatte den eigentlich um Kontinuität bemühten Sportvorstand Thomas Hitzlsperger zum Handeln gezwungen.
Mit einem Schnitt von 0,7 Punkten pro Spiel ist Weinzierl der bisher schlechteste Coach der Klubgeschichte. Seine katastrophale Bilanz hat dazu geführt, dass der VfB vier Spieltage vor Saisonende auf dem Relegationsplatz liegt. Die Stuttgarter haben drei Punkte Vorsprung auf den Vorletzten 1. FC Nürnberg und liegen sechs Zähler hinter Schalke 04 auf Platz 15.
Willig sieht Klassenerhalt als Projekt
"Ich will den 'Relegationspokal' holen. Und ich möchte Akribie und Fleiß vorleben. Nur die Zügel anzuziehen - das wäre draufhauen. Es braucht auch Verständnis. Ich brauche Zugang zu den Spielern", äußerte Willig, dessen Mission in jedem Fall nur bis zum Saisonende gehen wird: "Mit dieser Konstellation habe ich gar kein Problem. Das macht es mir sogar leicht, weil ich es als Projekt sehen kann."
Der Schwabe, der als Spieler nicht über die Oberliga hinauskam, hat die U19 auf Rang eins in der Bundesliga Süd/Südwest und ins Pokalfinale geführt. Er blickt auf fast 16 Jahre als Trainer zurück, war aber nur ein Jahr im Männerbereich tätig - bei seinem Stammverein TSG Balingen in der Oberliga Baden-Württemberg (Platz 13, Saison 2013/14).
Nagelsmann, Klopp und Streich als Vorbilder
Hitzlsperger hat das nicht abgeschreckt. "Die ersten Eindrücke sind sehr positiv. Ich fühle mich bestätigt in meiner Auswahl", sagte der Sportchef über Willig - der in einer Fahrgemeinschaft mit Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco zum Fußballlehrer-Lehrgang nach Hennef pendelte. Seinen früheren Mitschüler Nagelsmann sieht Willig neben Jürgen Klopp und Christian Streich als Vorbild.
Mit Blick auf das Spiel am Samstag erbat sich Willig noch Bedenkzeit, was Taktik und Personal angeht. Der Coach machte dennoch klar: "Es wird sich definitiv etwas verändern." Sollte Willig keinen Erfolg haben, könnten die Stuttgarter einen dritten Absturz aus der Bundesliga nach 1975 und 2016 immerhin wirtschaftlich verkraften. "Auch bei einem Abstieg müssten wir keine Notverkäufe machen", sagte Präsident Wolfgang Dietrich.
Zuber fehlt gegen Gladbach
Verzischten muss Willig bei seinem Debüt an der Seitenlinie auf jeden Fall auf Offensivspieler Steven Zuber. Der vom Lokalrivalen TSG Hoffenheim ausgeliehene Schweizer hat laut Sportvorstand Thomas Hitzlsperger "einen Schlag auf das Knie" bekommen.