Kai Havertz gehört in der DFB-Elf die Zukunft. Ansprüche stellt das Ausnahmetalent nicht, dennoch muss sich Toni Kroos vorsehen.
Kai Havertz spricht voller Ehrfurcht von dem Mann, den er in der deutschen Nationalmannschaft beerben soll. "Ich stelle gar keine Ansprüche. Das ist noch zu früh für mich", sagt der Leverkusener: "Ich will so viel wie möglich spielen, setze mich aber nicht unter Druck - vor allem nicht auf der Position, wo Toni Kroos spielt."
Rio-Weltmeister Kroos (29) hat die DFB-Elf im zentralen Mittelfeld über fast ein Jahrzehnt lang geprägt, ist der letzte verbliebene Feldspieler aus der Startelf im WM-Finale 2014. Für Joachim Löw, das betonte der Bundestrainer in diesem Jahr, ist der Star von Real Madrid nach wie vor "unverzichtbar". Kroos' Ballbehandlung und Übersicht seien "überragend". Das aber sagt man auch Havertz nach.
Havertz gilt als deutsches Toptalent
"Dass Kai unser Toptalent ist, steht außer Frage, das weiß auch Jogi Löw", sagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff am Freitag in Dortmund, wo sich die DFB-Auswahl auf das EM-Qualifikationsspiel am Sonntag (20.45 Uhr) in Estland vorbereitete. Löw gehe es darum, den 20-Jährigen vorsichtig aufzubauen. Nur zwei seiner erst sechs Länderspiele bestritt Havertz von Beginn an, zuletzt am Mittwoch gegen Argentinien (2:2), als ihm sein erstes Tor gelang.
"Kai ist immer relativ nah an unserer Startelf dran", sagte Löw nach dem Remis gegen die Gauchos, "er kann in jedem Spiel in der Startelf stehen, diese Qualität hat er mittlerweile." Der Treffer im Signal Iduna Park sei "ein typischer Havertz" gewesen, sagte Löw der Bild-Zeitung: "Aus der Tiefe des Raumes auf technisch hohem Niveau verarbeitet. Das war schon klasse."
Havertz darf sich gegen Estland beweisen
Weil Kroos derzeit wegen Adduktorenproblemen nicht zur Verfügung steht, darf sich Havertz in Tallinn erneut beweisen. Danach könnten die Rufe nach einer tragenden Rolle für den Ausnahmekönner noch lauter werden. Nicht wenige Experten fragen sich, ob Löw bei Havertz nicht zu vorsichtig ist. Zumal Kroos schon nach der WM 2018 mit einem Rücktritt aus der Nationalelf liebäugelte und sein Abschied nach der EM 2020 möglich scheint.
"Ihm gehört die Zukunft", sagte Bierhoff, "aber im Mittelfeld gibt es viel Konkurrenz, der muss er sich stellen." Dessen ist sich Havertz bewusst. Wie der Münchner Serge Gnabry hätte auch er gerne eine Stammplatzgarantie, sagte er. Öffentlich einfordern möchte er diese nicht, "weil das einfach nichts bringt".
Havertz: "Wir haben einen Umbruch eingeleitet"
Stattdessen lässt er Leistung sprechen. Gegen Argentinien gab er an der Seite von Joshua Kimmich einen süßen Vorgeschmack auf die Zeit nach Kroos. Das Zusammenspiel habe "gut geklappt", lobte Kimmich. Havertz meinte: "Wir haben einen Umbruch eingeleitet. Da steht im Mittelpunkt, dass wir schnell nach vorne spielen und schnell umschalten." Und genau dafür ist der Youngster mit dem außergewöhnlichen Fußballer-Intellekt prädestiniert.
Havertz will geduldig bleiben. "Der Rest", sagte er, "kommt irgendwann von alleine." Was bis dahin gefragt ist, weiß Havertz genau. Einem jungen Fan riet er im Dortmunder Fußballmuseum: "Immer an dich glauben, hart arbeiten. Das Wichtigste ist, dass du Spaß hast und dich nicht unter Druck setzt."