Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne "HAU DAS DING RAUS" auf die aktuellen Ereignisse im Sport. In der neusten Ausgabe schaut Töllner auf den enttäuschenden Auftritt der deutschen Leichtathleten bei der WM in Budapest.
Am Ende stand sie tatsächlich - die Null. Sogar in dreifacher Ausfertigung! Gold: 0! Silber: 0! Bronze: 0! Erstmals in der Geschichte der Leichtathletik-Weltmeisterschaften liefert die deutsche Equipe keine Medaille. Null! War doch zu erwarten, urteilen die Fachkundigen und schätzen die Lage somit wohl realistisch ein. Und doch ist es ja gar nicht allzu lange her, dass deutsche Elite-Athleten als Favoriten ins internationale Kräftemessen eingestiegen sind und manche Außenseiter Überraschungsmedaillen für den DLV eingesammelt haben.
Dass in Budapest sämtliche Preise an andere Nationen verteilt worden sind, bestätigt also die Experten. Manch interessierter Beobachter wundert sich derweil sehr wohl darüber, dass das Debakel allerorten recht gelassen zur Kenntnis genommen wird. Und möglicherweise ist die geringe Erwartungshaltung sogar Teil des Problems - nicht nur in der Leichtathletik!
Mangelnde deutsche Wettbewerbsfähigkeit
Die mangelnde deutsche Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Spitzensport ist schließlich kein Phänomen, dass Sprinter, Springer und Werfer, die um jeden Cent Sportförderung ringen müssen, exklusiv für sich gepachtet hätten. Die jüngsten beiden WM-Turniere der außerordentlich gut bezahlten Fußball-Herren sind hinlänglich und vielstimmig diskutiert worden. Der Auftritt in Australien von Alexandra Popp & Co. hat ebenfalls eine erhebliche Menge an Fragezeichen hinterlassen.
Was ist mit den Tennis-Damen bei den Grand-Slam-Turnieren? Was kommt hinter Alexander Zverev? Warum ist schon lange kein Deutscher mehr ernsthafter Kandidat auf die vorderen Plätze bei der Tour de France gewesen? Auch in der Formel 1 erinnern sich nicht nur die Frührentner an dominante deutsche Protagonisten. Eine unglückliche Anhäufung von unerklärlichen Einzel-Erscheinungen? Die irritierende Leere in der deutschen Sport-Fan-Gemeinschaft nach den meisten Großereignissen der jüngsten Zeit ist allemal auffällig - und wiederkehrend!!!
Ist-halt-so-Mentalität breitet sich aus
Wenn es um die großen Titel geht, steht die Null - und wird bemerkenswert gelassen toleriert. Die "Null-Toleranz" ist sozusagen hoffähig geworden. Eine Ist-halt-so-Mentalität breitet sich aus. Robuste Versuche, dem interdisziplinären Abwärts-Trend mit klugen Gedanken den Stecker zu ziehen, drängen jedenfalls nicht gerade mit Nachdruck in die Öffentlichkeit. Haben wir zu viele gesellschaftspolitische Baustellen, um uns um eine konsequente Eliteförderung zu kümmern? Sind Sport und Erfolge einfach nicht mehr so wichtig? Ein besorgniserregender Gedanke. Und mit ziemlicher Sicherheit der falsche Dampfer!
Natürlich haben die großen Momente der deutschen Sport-Geschichte nicht unmittelbar zu konkreten Problem-Lösungen beigetragen. Aber hat nicht jeder Sport-Interessierte ein gutes Gefühl, wenn er im Kopf die entscheidenden Momente einer geschichtsträchtigen Vorstellung abruft? Es könnte sicher nicht schaden, das Reservoir der emotionalen Erinnerungen mal wieder ein wenig aufzufüllen. Ereignisse, von denen auch neun Jahre später noch die Rede ist - wie der WM-Triumph in Brasilien. Momente, die auch fast vierzig Jahre später nichts an Strahlkraft eingebüßt haben - wie Boris Beckers Wimbledon-Sieg 1985.
Sport-Deutschland braucht Ergebnisse
Sensationen, die generationenübergreifend Wucht entfalten - wie das Wunder von Bern 1954. Oder eben einfach mal wieder ein paar Medaillen auf der Weltbühne der Leichtathletik. Die derzeit verletzte Malaika Mihambo wird im kommenden Jahr bei den Olympischen Spielen in Paris hoffentlich als Gold-Anwärterin an den Start gehen können. Wäre doch schön, wenn sich bis dahin noch ein paar mehr Athleten so entwickeln, dass die Erwartungen der Fachleute nicht ausschließlich auf den Schultern der Weitspringerin abgeladen werden müssen.
Ach ja - wenn es Hansi Flick und seine zuletzt strauchelnde Nationalelf einrichten könnten, bei der Heim-EM 2024 nicht in der Vorrunde auszuscheiden, hätten wohl auch nur die allerwenigsten, was dagegen. "Neues vom Dauerzustand" heißt die jüngste musikalische General-Analyse der anarchischen Elektro-Punk-Hip-Hopper von "Deichkind" - (nicht nur) auf den Sport bezogen wäre es mehr als wünschenswert, mit vereinten Kräften am aktuellen Dauerzustand zu feilen!
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