Erste Heim-Niederlage gegen Werder Bremen seit 2008. Der nächste Rückschlag im Kampf um die Meisterschaft. Viel bedenklicher aus Sicht des FC Bayern aber: die Art und Weise des eigenen Auftretens am Sonntag. Denn die hatte nichts mit Zufall oder Pech zu tun. Das 0:1 vor heimischem Publikum war kein Ausrutscher. Ein Kommentar von Sky Reporter Kerry Hau.
Saarbrücken, Frankfurt, nun Bremen. Zwischen überwiegend ordentlichen Leistungen und guten Ergebnissen schleichen sich auch in dieser Saison immer wieder kaum erklärbare Blackout-Spiele ein. Einer der drei anvisierten Titel ist deshalb schon futsch. Und wenn es so weitergeht, wird auch in der Bundesliga und Champions League dieses Jahr nichts zu holen sein.
So gehen Thomas Tuchel die Argumente aus! Gegen Werder hinterließ seine Mannschaft zum wiederholten Male den Eindruck, dass keine Einheit auf dem Platz steht, die füreinander kämpft, sondern eine Ansammlung von Einzelkönnern, die glänzen kann, wenn sie will - aber auch schnell wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen kann, wenn die individuelle Klasse mal nicht aufblitzt und der Gegner leidenschaftlich agiert.
Die Bayern haben ein Mentalitätsproblem
Die Bayern haben ein Mentalitätsproblem und kaum Führungsspieler, die sich in komplizierten Phasen aufbäumen. Hinzu kommen spielerische Mängel, fehlende Inspiration und wenig Kreativität. Dafür ist der Trainer zwar nicht allein verantwortlich. Aber er muss eben dafür sorgen, dass seine Stars seine Vorgaben umsetzen und die zweifellos vorhandenen PS auf die Straße bringen.
Vor knapp zehn Monaten entschieden sich die Bayern-Verantwortlichen, Julian Nagelsmann für Tuchel zu opfern. Ihm wurde Anpassungszeit gewährt und ihm wurden einige, wenn auch nicht alle Wünsche erfüllt. Er bekam den treffsichersten Stürmer Europas, Harry Kane. Ansehnlicher und erfolgreicher ist das Bayern-Spiel im Vergleich zur Nagelsmann-Zeit aber nicht.
Im Gegenteil: Die Münchner weisen nach 38 Tuchel-Spielen einen schlechteren Punkteschnitt (2,11 Punkte) als unter Nagelsmann (2,31 Punkte nach 84 Spielen) auf. Sie erzielen im Schnitt auch weniger Tore und kassieren mehr Gegentore als unter Tuchels Vorgänger, der fast eine komplette Saison ohne echten Neuner auskommen musste.
Tuchel verdient weiterhin Zeit
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Tuchel muss mit einem sehr dünnen Kader zurechtkommen und hat erst knapp die Hälfte der Spiele von Nagelsmann auf dem Konto. Er verdient deshalb weiterhin Zeit, um die Probleme zu lösen und grundsätzliche Fragen zu beantworten. Vor allem, warum trotz vermeintlich starker Trainingseinheiten kein echtes Spielkonzept zu erkennen ist. Oder, warum er sein System immer wieder umbaut, er sein Herzstück Mittelfeld fast wöchentlich verändert und das Leistungsprinzip nicht auf allen Positionen greift.
Weshalb zum Beispiel muss Raphael Guerreiro ins Mittelfeld und blockiert damit Leon Goretzka oder Aleksandar Pavlovic, wenn Alphonso Davies auf der linken Abwehrseite nicht ansatzweise an sein Top-Level herankommt? Wieso bekommt Mathys Tel anstelle eines regelmäßig enttäuschenden Kingsley Coman nicht mehr Minuten?
Unabhängig davon muss Tuchel das Feuer entfachen: in seiner Mannschaft, aber auch in sich selbst. Denn mit begeisterndem Fußball, mit echtem Zusammenhalt und "Mia san mia" hatte das, was gegen Werder zum wiederholten Mal unter seiner Regie zu sehen war, nichts zu tun.
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