Hansi Flick siegt mit dem FC Bayern souverän in Düsseldorf, viel mehr aber: Er liefert den Bossen Argumente für eine Beschäftigung als Cheftrainer über Weihnachten hinaus.
Uli Hoeneß sprach vor rund einer Woche auf der Jahreshauptversammlung im Zusammenhang mit dem FC Bayern von einem Tanker, der auf dem Weltmeer entlanggleitet und geradeaus fahren müsse. Nach dem 1:5-Debakel in Frankfurt und der Trennung von Niko Kovac hatte dieser Tanker Schlagseite erlitten. Kurz darauf übernahm Hansi Flick das Ruder an der Säbener Straße. Seither ist das Schiff wieder auf Kurs: Drei Siege in drei Spielen, 10:0 Tore - darunter ein furioser 4:0-Erfolg über den Erzrivalen Borussia Dortmund. Aber vor allem hat Flick die Harmonie zurückgebracht.
"Charaktertest" bestanden
Mit dem souveränen 4:0-Auswärtssieg in Düsseldorf hat der ehemalige Assistent von Joachim Löw einmal mehr bewiesen, dass er auch Cheftrainer kann. Er liefert der Vorstandsetage der Münchner immer mehr Argumente, ihm auch über Weihnachten hinaus das Kommando auf der Brücke des Rekordmeisters zu erteilen.
Thomas Müller sprach nach dem Spiel in Düsseldorf am Sky Mikro von einem "Charaktertest", da die Anfangseuphorie nach dem Trainerwechsel schon zwei Wochen her sei. Die Bayern haben diesen Charaktertest mit Bravour bestanden. In der ersten halben Stunde brannte der amtierende Deutsche Meister in der Merkur Spiel-Arena ein kleines Feuerwerk ab. Nach den Toren von Benjamin Pavard, Corentin Tolisso und Serge Gnabry war der Kuchen schon vor der Pause fast gegessen.
Flick dreht an den richtigen Stellschrauben
Was aber macht Flick anders als Kovac? Unter dem 54-Jährigen schaffen es die Bayern wieder, den Gegner aggressiv zu attackieren. Müller erklärt gegenüber Sky, was der neue Übungsleiter dem Team eingeimpft hat. "Der springende Punkt ist nicht, dass die Offensiven nach hinten mitarbeiten, weil das wird immer verlangt. Klar, das ist auch ganz wichtig. Aber das, was man sehen muss, und was dem Offensivspieler auch deutlich leichter fällt, ist, defensiv nach vorne mitzuarbeiten, den Gegner früh zu stören, frühe Ballgewinne zu erzwingen", sagte der Offensivmann am Sky Mikro.
Der Spaß am Verteidigen ist unter Flick zurück. "Wenn man nicht nach hinten, sondern nach vorne läuft, um Defensivaktionen zu fahren, dann belohnt man sich auch als Offensivspieler mal mit einem gewonnen Zweikampf und dann macht es auch Spaß. Wenn man weiß, der Nebenmann ist da, wenn man ausgespielt wird und aktuell haben wir da auch hohe Ballgewinne. Hohe Ballgewinne erleichtern das Offensivspiel ungemein, denn dann hast du schon mal ein paar Gegenspieler weniger und so haben wir heute auch eins, zwei Tore erzielt", meinte Müller nach Abpfiff in Düsseldorf.
Flick lernt von Heynckes
Nicht nur das richtige Anlaufverhalten hat Flick den Spielern wieder implementiert, er hat auch die Harmonie zurückgebracht. Die Spieler mögen Flick und Flick mag die Spieler. Angesprochen darauf, dass er jeden seiner ausgewechselten Schützlinge in den Arm genommen hat, sagte der Trainer nach dem 4:0-Sieg: "Das ist meiner Meinung nach etwas ganz Normales. Ich bin halt so. Ich habe das von meinen Trainern, die ich hatte - wie Jupp Heynckes - auch so erfahren. Von daher ist es für mich ganz normal, dass man auch eine gewisse Empathie hat für die Spieler. Das sind die Dinge, die glaube ich wichtig sind im Fußball - gerade in der heutigen Zeit", erläutert der Coach im Sky Interview.
Trotz vier Toren und einer phasenweise sehr dominanten Vorstellung fand der gebürtige Heidelberger noch ein Haar in der Suppe. "In der zweiten Halbzeit hatten wir noch Luft nach oben. Das sind genau die Dinge, an denen wir arbeiten. Wir hatten zu viele Ballverluste - leichtsinnige Ballverluste. Der Gegner hat natürlich seine Stärken, wenn er in der Defensive die Bälle gewinnt und dann schnell umschalten kann. Dazu haben sie teilweise in der zweiten Halbzeit auch die Gelegenheit gehabt und das müssen wir verhindern", monierte Flick bei Sky.
"Sammeln auch Argumente für Flick"
Ob Flick nach Weihnachten weitermachen darf, wissen seine Spieler nicht. Sie wollen sich auch nicht eindeutig in der Trainerfrage positionieren. Müller machte aber klar: "Wir wissen, dass bis Weihnachten Hansi Flick unser Trainer sein wird. Wenn wir bis dahin gut durchziehen, sammeln wir für Hansi Flick auch Argumente. Aber das ist eine Sache, die im Verein abläuft und ich weiß, dass in den kommenden Wochen viele Fragen zu diesem Thema kommen werden, aber eigentlich ist das für uns nicht relevant".
Flick gibt sich defensiv, was eine Weiterbeschäftigung als Cheftrainer über Weihnachten hinaus angeht. "Sie werden von mir aus nichts raushören. Ich bin immer noch so, dass ich das Hier und Jetzt genieße. Der Verein hat jetzt einfach auch Zeit, in Ruhe zu überlegen, was er machen möchte. Deshalb ist es glaube ich auch wichtig, dass ich da mit nichts komme. Ich mache meine Arbeit und versuche diese mit meinem Trainer-Team gut zu machen. Das ist uns bis jetzt gut gelungen", stapelt Flick tief.
Sollte der Weltmeister von 2014 den "Tanker" FC Bayern bis Weihnachten souverän durch nationale und internationale Gewässer lenken, dürfte kaum ein Weg daran vorbeiführen, ihm weiterhin das Vertrauen auf der Kommandobrücke des Rekordmeisters zu schenken.