Titelverteidiger Jannik Sinner hat den anhaltenden Diskussionen um seinen Dopingfall getrotzt und bei den Australian Open einen letztlich souveränen Auftaktsieg gefeiert.
Gegen den teils stark aufspielenden Chilenen Nicolas Jarry gewann der italienische Weltranglistenerste mit 7:6 (7:2), 7:6 (7:5), 6:1.
Sinner präsentierte sich beim Beginn seiner Jagd auf den dritten Grand-Slam-Titel in den entscheidenden Phasen der Partie hochkonzentriert. Nach 2:40 Stunden verwandelte der 23-Jährige seinen Matchball.
Becker unterstützt Sinner
Kurz zuvor hatte Sinner in Bezug auf sein schwelendes Dopingverfahren prominente Unterstützung erhalten. Sinner habe "seine Unschuld" bewiesen, behauptete Tennislegende Boris Becker bei Eurosport: "Es geht jetzt darum, ob er für seinen Physiotherapeuten verantwortlich ist oder eben nicht." Dies zu hinterfragen sei "das gute Recht" der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), sagte der einstige Wimbledonsieger.
Was Becker erzürnte, waren die Kommentare von Konkurrenten zur Thematik. Bei derart "geringen Spuren im Körper" wie es bei Sinner der Fall gewesen sei, gehe es "nicht mehr um einen körperlichen Vorteil", so die Meinung des 57-Jährigen: "Und wenn sich dann Spieler dazu äußern, die die Fakten nicht verifiziert haben, dann finde ich das unter aller Sau. Über Kollegen lasse ich mich nicht so aus."
Unter anderem der australische Profi Nick Kyrgios, für seine verbalen Spitzen bekannt, hatte sich an Sinners Dopingfall abgearbeitet. "Widerlich für den Sport" sei dieser, polterte Kyrgios kürzlich - er sei "schrecklich gehandhabt" worden.
Alcaraz lässt Muskeln spielen
Carlos Alcaraz ließ ebenfalls kurz die Muskeln spielen und marschierte souverän in Runde zwei: Der spanische Topstar hat nichts anbrennen lassen. Der amtierenden Wimbledon- und French-Open-Sieger setzte sich am Montag mit 6:3, 7:5, 6:1 gegen den Kasachen Alexander Schewtschenko durch und zog in die zweite Runde ein. Nächster Gegner des 21-Jährigen ist der Japaner Yoshihito Nishioka.
"Ich versuche, jeden Tag besser zu werden", sagte Alcaraz: "Das fängt bei der Person an, aber natürlich auch als Spieler. Ich bin zufrieden mit meinem Niveau und hoffe, dass ich auch die nächste Partie genießen kann."
Alcaraz, der in der Sonne Australiens im ärmellosen Shirt aufschlug, peilt seinen schon fünften Grand-Slam-Titel an. Sollte ihm sein erster Coup Down Under gelingen, würde er als jüngster Spieler der Tennis-Geschichte seine Majorsammlung komplettieren und damit den US-Amerikaner Don Budge überholen, der den Karriere-Grand-Slam 1938 im Alter von 22 Jahren schaffte.
Djokovic auch weiter
Alcaraz hatte 2022 bei den US Open seinen ersten ganz großen Triumph gelandet - nur in Melbourne hielt er die Trophäe noch nicht in den Händen. Im vergangenen Jahr war er im Viertelfinale an Alexander Zverev gescheitert.
Novak Djokovic (37) hatte mit dem 19 Jahre alten US-Amerikaner Nishesh Basavareddy dagegen zunächst große Probleme. Doch der Außenseiter powerte sich früh aus und der 24-maligen Grand-Slam-Sieger, der neuerdings von Andy Murray trainiert wird, setzte sich letztlich klar mit 4:6, 6:3, 6:4, 6:2 durch.
Tiafoe übergibt sich - und gewinnt dennoch
Erst hat er sich übergeben, dann gewonnen: Tennisprofi Frances Tiafoe hat den unangenehmen Zwischenfall in seinem Erstrundenmatch mit Humor genommen. "Solche Dinge passieren, aber es ist lustig, mit was für Sachen ich seitdem in Verbindung gebracht werde", sagte der US-Amerikaner.
Das Match gegen den Franzosen Arthur Rinderknech musste im vierten Satz unterbrochen werden, Tiafoe erleichterte sich an der Seitenlinie und spielte kurz darauf weiter. "Wenn es eine andere Veranstaltung gewesen wäre, hätte ich es wahrscheinlich sein lassen", erklärte der 26-Jährige: "Aber hier muss man alles auf eine Karte setzen."
Die Schuld für das Unwohlsein schob der zweimalige Halbfinalist der US Open indes nicht etwa auf die hohen Temperaturen. "Ich habe alle Elektrolyte und Wasser ausgekotzt. Es war nicht so, dass das Essen im Tank das Problem war. Die Hitze war es auch nicht", sagte er und fügte an: "Als ich mich übergeben musste, hatte ich das Gefühl, dass ich in zwei oder fünf Minuten hier raus sein könnte."
Dass er doch etwas länger durchhielt, zahlte sich aus - denn nach 4:08 Stunden stand der an Nummer 17 gesetzte Tiafoe als Sieger der Partie fest: 7:6 (7:2), 6:3, 4:6, 6:7 (4:7), 6:3 hieß das Ergebnis. Wie es ihm nach dem Match ging? "Schrecklich, es war schrecklich". Der Lohn war der Einzug in die zweite Runde, wo nun der Ungar Fabian Marozsan auf Tiafoe wartet.
Tsitsipas schon raus
In Melbourne gab es derweil die erste dicke Überraschung: Der Grieche Stefanos Tsitsipas ist bereits an seiner Auftakthürde gescheitert. Gegen den US-Amerikaner Alex Michelsen, die Nummer 42 der Welt, verlor der Weltranglistenelfte, der 2023 das Endspiel in Australien erreicht hatte, mit 5:7, 3:6, 6:2, 4:6.
Tsitsipas ist damit der erste Spieler in der erweiterten Weltspitze, der aus dem Turnier fliegt. Zuletzt war der zweimalige Grand-Slam-Finalist, der 2024 trotz eines Master-Titels in Monte Carlo ein wenig den Anschluss nach ganz oben verloren hatte, 2018 in der ersten Runde von Melbourne ausgeschieden - als damals 19-Jähriger.
Auch Kyrgios scheitert
Auch Nick Kyrgios startete mit großen Zielen - und verließ die John Cain Arena von Melbourne schwer frustriert: Für den Rückkehrer und früheren Wimbledon-Finalisten endeten die Australian Open bereits in der ersten Runde. Der zeitweise angeschlagen wirkende Kyrgios unterlag trotz lautstarker Anfeuerungen seiner Landsleute dem Briten Jacob Fearnley 6:7 (3:7), 3:6, 6:7 (2:7). Der Weltranglisten-92. könnte in der dritten Runde auf Deutschlands Topspieler Alexander Zverev treffen.
Kyrgios, einst Nummer 13 der Welt und zuletzt lange raus aufgrund von Problemen an Knie, Fuß und Handgelenk, will laut eigener Aussagen seine Kritiker "zum Schweigen bringen" und einen Grand-Slam-Titel gewinnen. Dafür arbeitete er lange an seinem Comeback.
Er habe fast jeden geschlagen, dem er gegenüberstand, betont Kyrgios immer wieder, auch die großen Stars. "Aber ich denke, das einzige, was ich jetzt anstrebe, ist ein Grand Slam", hatte er schon Ende des vergangenen Jahres gesagt: "Ich denke, das ist das einzige, was die Leute endlich zum Schweigen bringen wird." Der schmerzliche Rückschlag von Melbourne zeigt, wie weit der Weg bis zu seinem großen Ziel ist.
Swiatek locker weiter
Bei den Damen geben sich die Topfavoritinnen auf den Triumph dagegen weiter keine Blöße. Nachdem Titelverteidigerin Aryna Sabalenka aus Belarus ihr Ticket für die zweite Runde gelöst hatte, siegten am Tag danach auch die Polin Iga Swiatek und Coco Gauff (USA) in ihren jeweiligen Auftakt-Matches.
Swiatek schlug Katerina Siniakova mit 6:3, 6:4. Die Weltranglistenzweite, die im Alter von 23 Jahren bereits fünf Grand-Slam-Titel gewonnen hat, brauchte gegen ihre tschechische Kontrahentin nur 1:21 Stunden. In Melbourne wartet Swiatek noch auf einen Turniersieg.
Gauff lässt Kenin keine Chance
Zuvor hatte sich auch Gauff in der Rod Laver Arena durchgesetzt. Die Weltranglistendritte, die die USA zu Beginn des Jahres zum Sieg beim United Cup geführt hatte, bestätigte ihre gute Frühform - sie schlug ihre Landsfrau Sofia Kenin mit 6:3, 6:3. "Ich wusste, dass es schwierig werden würde, aber ich bin zufrieden damit, wie ich gespielt habe", sagte die US-Open-Siegerin von 2023 im Anschluss.
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