Als erste deutsche Sprinterin seit zwölf Jahren gewinnt Gina Lückenkemper 100-m-Gold bei der EM. Der Sieg ist eine Sensation.
Die Ungewissheit von Gina Lückenkemper dauerte nur wenige Augenblicke, dann leuchtete ihr Name als erster auf der Anzeigetafel auf - und das Münchner Olympiastadion glich einem Tollhaus. Gold für Lückenkemper über 100 Meter, Gold nach einem packenden Rennen, in dem am Ende das Zielfoto entscheiden musste. Eine Sensation.
Sturz, Wunde, Fotofinish, Gold, Sensation
"Ich bin euch so unfassbar dankbar", rief die erste deutsche Europameisterin seit Verena Sailer 2010 den 40.000 im Olympiastadion zu. In 10,99 Sekunden lief sie zu Gold, der zeitgleichen schweizerischen Mitfavoritin Mujinga Kambundji blieb nur Silber. Bronze ging an die Britin Daryll Neita (11,00). "In diesem Hexenkessel heute zu stehen, hat mich unfassbar motiviert", ergänzte Lückenkemper in der ARD.
Sie fügte sich beim Straucheln nach dem Zieleinlauf eine blutende Wunde am linken Knie zu, doch das war ihr schnell egal. Bald flossen Tränen des Glücks bei der EM-Zweiten von 2018, die 25 Jahre alte Berlinerin sank überwältigt auf die Knie und ließ ihren Gefühlen freien Lauf.
Angeschlagen ins Finale gesprintet
Noch märchenhafter erschien Lückenkempers Sprint zu Gold, weil sie bereits im Halbfinale mit einem Tape am linken Oberschenkel hatte laufen müssen - "ich wusste nicht, ob ich das Finale starten kann", verriet sie. Doch ihre Betreuer hätten Wunder bewirkt.
Olympiasieger Marcell Jacobs ließ derweil keine Zweifel daran aufkommen, dass er mindestens der schnellste Mann Europas ist. Nach eher mäßigem Start kam das Kraftpaket schnell auf Touren, zog nach 50 Metern unwiderstehlich davon und siegte in 9,95 Sekunden vor dem britischen Titelverteidiger Zharnel Hughes (9,99) und dessen Landsmann Jeremiah Azu (10,13).
Bei der WM vor drei Wochen in Eugene hatte Jacobs wegen Muskelproblemen vor dem Halbfinale zurückziehen müssen. Im Münchner Olympiastadion holte er sich dafür nach Gold bei Olympia auch Gold bei der EM, ein Double das zuletzt der Brite Linford Christie 1994 vollendet hatte.
Das DLV-Trio Owen Ansah, Lucas Ansah-Peprah (beide Hamburg) und Julian Wagner (Erfurt) war im Halbfinale ausgeschieden. Zuletzt hatte mit Lucas Jakubczyk (Berlin) 2014 in Zürich ein Deutscher in einem EM-Finale über 100 m gestanden.