Olympia 2022 News: Gold für deutsche Langläuferinnen

"Emotional völlig überfordert": Langlauf-Duo feiert Sensations-Gold

Image: Katharina Hennig (l.) und Victoria Carl können ihr Glück kaum fassen: Olympisches Gold im Langlauf-Teamsprint.

Was ist mit den deutschen Langläuferinnen los? Nach Silber in der Staffel gibt es die nächste sensationelle Medaille - und das, obwohl es am Tag des Rennens noch eine kurzfristige Umstellung gibt. Der Bundestrainer ist an seinem Geburtstag überwältigt.

Katharina Hennig und Victoria Carl sprangen jubelnd auf das Siegerpodest und tanzten in der Eiseskälte von Zhangjiakou vor Freude. "Es ist unbeschreiblich", sagte Hennig nach dem ersten Olympiasieg deutscher Langläuferinnen seit zwölf Jahren. "Wir beide sind gerade selber emotional noch völlig überfordert, was uns da heute gelungen ist." Die 25 Jahre alte Hennig und die erst kurzfristig ins Team gerutschte Carl sorgten mit ihrem Wahnsinns-Triumph nicht nur für eine Langlauf-Sensation, sie machten ihrem Teamchef auch ein ganz besonderes Present.

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"Das war ein Geburtstagsgeschenk der Extraklasse, was die Mädels sich da überlegt haben", sagte der überwältigte Peter Schlickenrieder, der am Mittwoch 52 Jahre alt wurde. "Heute wird definitiv getanzt und Geburtstag gefeiert", kündigte er an und ergänzte: "Entsprechend frisch sind wir!"

Hennig schreit Carl über die Ziellinie

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Auf dem Weg zum großen Triumph spielte die Frische, aber auch das Tanzen eine bedeutende Rolle. Jeden Tag um 10 vor 10 habe man im Team die Türen aufgemacht und gemeinsam getanzt. Salsa, Techno, Hardrock - alles habe Damen-Trainer Erik Schneider als DJ in seinen Playlists gehabt, berichtete Schlickenrieder und lachte. Carl sagte: "Das Tanzen, das befreit einfach. Wir waren lockerer als jemals zuvor. Ich glaube, das ist ein kleiner Schlüssel, der uns dabei geholfen hat."

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Gut eine Stunde vor dem großen Interviewmarathon hatte Hennig ihre Teamkollegin in den chinesischen Bergen förmlich über die Ziellinie gebrüllt. Dann hatte sie unsicher auf die Ergebnisanzeige geschaut und anschließend Carl mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Freude um den Hals gefallen.

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ZUM DURCHKLICKEN: Die überraschendsten deutschen Winter-Olympiamedaillen

1956 Cortina d'Ampezzo: Gold für Rosa "Ossi" Reichert (Ski alpin/Riesenslalom). Reichert (verstorben 2006) war Deutschlands erste Ski-Olympiasiegerin nach dem Krieg - nachdem ihr wegen einer Verletzung schon das Karriereende gedroht hatte.
1960 in Squaw Valley: Gold für Heidi Biebl (Ski alpin/Abfahrt). Medaillenanwärterin? Ja. Gold? Überraschte die kürzlich verstorbene Biebl selbst so sehr, dass sie nicht mal die Nationalhymne bei der Siegerehrung erkannte.
1960 Squaw Valley: Gold für Helmut Recknagel (Skispringen). Als erster nicht-skandinavischer Skispringer gewann Fahnenträger Recknagel im damals noch üblichen "Superman-Stil", also mit nach vorne gestreckten Armen, die olympische Goldmedaille.
1960 Squaw Valley: Gold für Georg Thoma (Nordische Kombination). Ebenfalls als erster Nicht-Skandinavier wurde "Jörgi" Thoma Olympiasieger in der Kombination und Sportler des Jahres in Deutschland.
1964 Innsbruck: Gold für Manfred Schnelldorfer (Eiskunstlauf). Eigentlich ging es für den Münchner nur um maximal Silber. Klarer Favorit war der Franzose Alain Calmat. Doch weit gefehlt, Schnelldorfer gewann Pflicht und Kür.
1972 Sapporo: Gold für Monika Pflug (Eisschnelllauf). Sie kam als 17-jähriges Küken nach Japan und düpierte die Konkurrenz. Mit ihrem überraschenden Triumph über die 1000 m begann ihre große internationale Karriere.
1976 Innsbruck: Bronze für das Eishockeyteam. "Das Wunder von Innsbruck": Die Spieler hatten sich mit dem vierten Platz abgefunden, ehe sie realisierten: Der Torquotient entscheidet. Bronze vor den USA - mit 0,0041 Treffern Vorsprung.
1976 Innsbruck: Gold für Rosi Mittermaier (Ski alpin/Abfahrt). Die Geburtsstunde der "Gold-Rosi". Mittermaier, eher eine Slalom-Spezialistin, gewann in ihrer Karriere nur diese eine Abfahrt. Es folgten Gold im Slalom und Silber im Riesenslalom.
1988 Calgary: Team-Gold für Nordische Kombinierer. Nach den Einzel-Plätzen 13, 25 & 28 hatte niemand mit ihnen gerechnet, doch mit vereinten Kräften ließen Thomas Müller, Hans-Peter Pohl und Hubert Schwarz alle hinter sich.
1988 Calgary: Gold für Marina Kiehl (Ski alpin/Abfahrt). Die Münchnerin war eher Super-G-Spezialistin. Von ihren sechs Weltcupsiegen vor Olympia hatte sie keinen in der Abfahrt geholt.
1992 Albertville: Gold für Olaf Zinke (Eisschnelllauf/1000 m). Nie vorher und auch nie mehr danach gelang dem Berliner eine annähernd vergleichbare Leistung. Er gewann Gold mit einer Hundertstelsekunde Vorsprung.
1994 Lillehammer: Gold für Markus Wasmeier (Ski alpin/Super-G und Riesenslalom). Schon Gold im Super-G war nach Rang 36 in der Abfahrt ein Coup. Gold im Riesenslalom dann eine Sensation.
1998 in Nagano: Gold für Nicola Thost (Snowboard/Halfpipe). Dass Thost eine gute Snowboarderin ist, war Experten bekannt. Dass sie die Olympia-Premiere in der Halfpipe gewinnt, war dennoch eine große Überraschung.
2002 Salt Lake City: Gold für die Frauenstaffel (Langlauf). 22 Jahre mussten die deutschen Langläufer auf Gold warten, dann schlugen Evi Sachenbacher, Manuela Henkel, Viola Bauer und Claudia Künzel zu.
2010 in Vancouver: Gold für Viktoria Rebensburg (Ski alpin/Riesenslalom). Rebensburg hatte zuvor im Weltcup nur einmal als Zweite auf dem Podium gestanden. Nach dem ersten Lauf war sie nur Sechste gewesen.
2014 Sotschi: Gold für Carina Vogt (Skispringen). Sie hatte noch nie einen Weltcup gewonnen - und schrieb doch Geschichte: Als erste Skispringerin gewann Vogt 2014 in Russland eine Olympische Goldmedaille.
2018 Pyeongchang: Silber für das Eishockeyteam. Die "Silbersensation": Das Team wuchs im Turnierverlauf über sich hinaus und scheiterte nur denkbar knapp an Gold. *Zusammengestellt vom SID
2022 Peking: Gold im Sprint für das Langlauf-Duo Katharina Hennig (r.) und Victoria Carl: Die beiden können ihr Glück kaum fassen. Olympisches Gold für Deutschland im Langlauf ist eine Sensation.

In einem grandiosen Schlusssprint machte die 26 Jahre alte Carl den Sieg im Teamsprint gegen die favorisierten Schwedinnen, die Silber holten, und die drittplatzierten Russinnen perfekt. Das zuvor letzte deutsche Langlauf-Gold hatten Evi Sachenbacher-Stehle und Claudia Nystad 2010 in Vancouver geholt - ebenfalls im Teamsprint.

"Gefühlt sind wir im falschen Film. Wir können es noch gar nicht richtig fassen, was wir gemacht haben", berichtete Hennig. Und Carl sagte: "Ich bin voller Adrenalin. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich laufe herum wie Falschgeld."

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Schlickenrieder ist den Tränen nah

Schlickenrieder kämpfte im ARD-Interview mit den Tränen. "Das ist ein brutaler Traum. Ich muss mich ein bissel zusammenreißen. Wahrscheinlich realisiert man das erst in zehn oder 20 Jahren", meinte der einstige Weltklasse-Läufer. "Ich glaube, ich könnte den ganzen Tag heulen."

Für Hennig und Carl war es jeweils schon das zweite Edelmetall bei den Spielen. Am vergangenen Samstag hatten sie gemeinsam mit Katherine Sauerbrey und Sofie Krehl Silber mit der Staffel gewonnen.

Für den Team-Sprint war eigentlich Sauerbrey vorgesehen gewesen. Die 24-Jährige fühlte sich laut Deutschem Skiverband (DSV) aber nicht hundertprozentig fit und trat deshalb nicht an. "Ich muss der Katherine einen Riesenrespekt zollen", sagte ihre Vertreterin Carl. "Wenn man das Gefühl hat, man ist nicht in Topform und verzichtet dann darauf: Das ist absoluter Wahnsinn. Das zeigt so viel Größe." Hennig nickte zustimmend.

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Sauerbreys Ersatzfrau erwies sich als Glücksfall. Bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen im zweistelligen Minusbereich konnten die beiden Deutschen im Finale von Beginn an das Tempo der Spitzenduos mitgehen. Beim letzten Wechsel führte Hennig knapp vor Finnland und den USA, als sie auf Carl übergab.

Sauerbrey verzichtete auf Start

"Ich habe vorher noch zur Katha gesagt: Auf der Zielgeraden zerstöre ich sie", erzählte Carl. "Ich wusste, dass ich schieben kann, dass das meine Stärke ist. Gesagt, getan." Auch Schlickenrieder konnte vor allem ihre Vorstellung kaum fassen. "Wenn wir ins Finale kommen, ist das schon super", habe er nach der Umstellung vorher gesagt. "Und dann macht die Vicky etwas, was sie noch nie gemacht hat."

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Carl präsentiert sich bei den Winterspielen in der Form ihres Lebens und trug entscheidend zu den beiden großen und unerwarteten Medaillenerfolgen der deutschen Loipen-Asse bei. 2018 in Pyeongchang waren die Langläuferinnen und Langläufer ohne Medaille geblieben, 2014 in Sotschi hatte es Bronze für die Frauen-Staffel mit Nicole Fessel, Stefanie Böhler, Nystad und Denise Herrmann gegeben. Dass es diesmal zweimal Edelmetall und sogar einen Olympiasieg zu bejubeln gibt, war nicht abzusehen gewesen.

Die Männer hatten im Teamsprint dagegen Pech. Albert Kuchler und Janosch Brugger schieden bereits im Halbfinale aus. Brugger verlor auf der letzten Runde einen Ski und hatte damit keine Chance mehr, in den Kampf um das Finale einzugreifen. Den Olympiasieg sicherten sich die beiden Norweger Erik Valnes und Johannes Hoesflot Klaebo vor dem finnischen Paar Iivo Niskanen/Joni Maki und dem russischen Duo Alexander Bolschunow/Alexander Terentew.

dpa

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