Formel-1-Reporterin Sandra Baumgartner spricht in ihrer Kolumne "Back on Track" über die aktuellen Themen in der Königsklasse des Motorsports auf skysport.de. Dieses Mal geht es um eine der schwärzesten Stunden der jüngeren Formel-1-Geschichte.
Am 5. Oktober 2014 erlebte die Formel 1 den tragischsten Moment ihrer jüngeren Historie. Jules Bianchi verunglückte bei schwierigen Bedingungen so schwer, dass er nach neun Monaten im Koma am 15. Juli 2015 starb.
Die Fahrer haben gelernt, dass sie nicht unverwundbar sind
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Bilder, doch noch klarer sehe ich die Fahrer vor mir. Geschockt, auch Tage später noch nicht in der Lage, das Geschehene richtig zu verarbeiten. Niemand im Fahrerfeld war zuvor schon einmal mit einer derartigen Situation konfrontiert worden. Mit einer Situation, in der ein Kollege im Rennen so schwer verunglückt, dass er sein Leben lassen muss. Jedes Mal, wenn es seitdem nach Suzuka geht, mischt sich in die bunte, schrille Szenerie, auch Demut. Denn in Japan haben die Fahrer gelernt, dass sie nicht unverwundbar sind.
Ich glaube, gerade für Charles Leclerc ist es das schwierigste Wochenende des Jahres. Er ist erstmals an dem Ort, an dem einer seiner besten Freunde sein Leben gelassen hat. Leclerc und Bianchi waren seit ihren Anfängen im Motorsport eng miteinander verbunden. Der Sauber-Pilot begann auf der Kartstrecke von Jules' Vater mit dem Rennsport. Und Leclerc geht jetzt den Weg, der Jules bevorstand. Bianchi war der erste Fahrer der Ferrari-Akademie, der es in die Formel 1 schaffte. Über kurz oder lang war klar: er wird eines Tages im Ferrari sitzen. Doch dazu sollte es nicht kommen.
Leclerc gedenkt seinem Freund
Dagegen sitzt nächstes Jahr Charles Leclerc im Ferrari. Leclerc, der der Familie Bianchi so viel zu verdanken hat. Schon am Mittwoch hat der 20-Jährige seinem Freund gedacht. Ganz allein ging er zur Unfallstelle, legte Blumen nieder und versprach, Suzuka zu einem guten Wochenende zu machen.
Die Auswirkungen dieses tragischen Unfalls sind in dieser Saison allgegenwärtiger denn je zuvor. Der Cockpitschutz Halo wurde von der FIA als Reaktion auf den Weg gebracht und ist seit dieser Saison fester Bestandteil der Boliden. Und ausgerechnet Charles Leclerc war der erste Pilot, der von dieser anfangs ungeliebten Sicherheitsmaßnahme profitierte. In Spa flog Fernando Alonso mit seinem Boliden über den Sauber von Leclerc. Ohne Halo wäre der Monegasse wohl nicht so glimpflich davon gekommen.
Spätestens wenn die Visiere im Cockpit runter geklappt werden, heißt es für die Piloten "business as usual". Auch für Charles Leclerc. Ein bisschen wird Jules Bianchi jedoch mitfahren.
Über mich:
Autonärrin, Motorsportliebhaberin, Petrolhead
Motorsport ist, seit ich denken kann, meine absolute Leidenschaft. Seit sieben Jahren berichte ich als Journalistin für Sky über die Formel 1. Manchmal mit so viel Power, dass mir mein Kollege Noah Pudelko den redaktionsinternen Spitznamen "Die Düse" verpasst hat.
Twitter: Sky_Sandrab
Instagram: f1sandrabaumgartner