Sky Experte Ralf Schumacher beleuchtet in seiner Kolumne die wichtigsten Themen rund um den Formel-1-Zirkus. Dieses Mal spricht er über die Gefahren für Sebastian Vettel in der Restsaison und Nico Hülkenbergs große Chance auf ein Cockpit bei Red Bull.
Vettel war mal ein Seriensieger: vierfacher Weltmeister. Ein gefeierter Champion. Doch das ist schon eine Weile her. Die Gegenwart ist trist: Er fährt nur noch hinterher. Er wirkt dabei immer verzweifelter, ratloser…
Vettel fehlt Vertrauen in sich, das Auto und das Team
Nach dem Rennen in Portimao deutete Vettel in einem Interview an, dass er offensichtlich ein schlechteres Auto als sein Teamkollege Leclerc habe. Daran merkt man, dass Sebastian verzweifelt ist. Er ist verunsichert. Er kann sich nicht erklären, warum er so viel langsamer als sein Teamkollege ist. Er versucht mit aller Gewalt die Lücke zu schließen. Doch es gelingt ihm einfach nicht.
Ein Rennfahrer stellt sich zwar selbst in Frage, aber ich würde nicht vermuten, dass er auf einmal das Autofahren verlernt hat und so viel langsamer ist als sein Teamkollege. Problematisch ist, dass ihm das Selbstvertrauen fehlt. Das Gefühl im Auto ist nicht da und das Vertrauen in das Team fehlt ebenfalls. Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass Ferrari ihm ein schlechteres Auto gibt. Das schließe ich aus. Meiner Meinung nach macht es Charles im Moment einfach besser.
Ab einem gewissen Punkt wird es gefährlich für Vettel
Ich finde, dass Binotto gut mit der Situation umgeht. Er sagt klar, dass von seiner Seite ein früheres Ende der Zusammenarbeit kein Thema ist. Obwohl die Lage in der Gesamtwertung prekär ist. Der einzige, der das entscheiden könnte, wäre Sebastian. Der müsste sagen: "Ich will nicht mehr." Aber ob er das tut, kann ich nicht sagen. Das weiß nur er! Aus seiner Sicht macht es aber eigentlich keinen Sinn. Er will ja noch zeigen, dass er, wenn alles passt, noch sehr gut Auto fahren kann. Zu Hause bleiben als Alternative hilft ihm ja auch nicht weiter.
ABER: Man muss jetzt natürlich aufpassen, wie man miteinander umgeht. Wenn die Situation aus irgendwelchen Gründen eskaliert, kann alles passieren. Es gibt ja auch Vertragsstrafen. Das wäre der einzige Hebel. Das würde aber meines Erachtens Ferrari nichts bringen. Sie könnten zwar theoretisch Hülkenberg holen. Aber wen denn sonst?
Ab einem Punkt würde es für Sebastian wirklich gefährlich werden: Wenn er zu kritisch dem Team gegenüber würde und zum Beispiel sagen würde, dass Ferrari ihn absichtlich langsamer machen würde. Das hat er aber so noch nicht getan.
Die Red-Bull-Kandidaten: Hülkenberg und Perez
Ein weiterer Fahrer der mit seinem Teamkollegen nicht mithalten kann, ist Alexander Albon. Er war zwar besser als am Nürburgring, von der Positionierung war es aber wieder eine Katastrophe. Platz zwölf (!) in einem Red Bull! Von Max Verstappen überrundet. So geht es nicht weiter.
Christian Horner hat vor dem GP in Portugal angekündigt, dass sich Albon in den kommenden beiden Rennen beweisen muss. Die erste Chance hat er definitiv nicht genutzt. Ich glaube, dass Nico Hülkenberg dem "Alexander-Albon-Fanclub" beigetreten ist und er hofft, dass alles so bleibt wie es ist. Verständlicherweise. Dr. Helmut Marko hat mir bei einem Interview vergangene Woche verraten, dass Albon endlich konstant abliefern müsse, ansonsten wären zwei Fahrer im Rennen um sein Cockpit: Nico Hülkenberg und Sergio Perez.
Und ich glaube, dass Nico allerbeste Chancen hat. Ich sage es immer wieder: Am Vergleich zwischen ihrem Ex-Fahrer Daniel Ricciardo und Nico Hülkenberg aus Renault-Zeiten kann Red Bull genau einschätzen, was sie von Nico erwarten können. Sie wissen, welche Klasse sie mit ihm bekommen. Perez hingegen scheint sich eher Richtung Williams zu orientieren: Er will dort noch mal durchstarten. Was aus seiner Sicht auch mehr Sinn macht.
Der Blick aufs nächste Rennen verspricht gute Unterhaltung
Wer sich neben Max ins Auto setzt, muss wissen, dass er die klare Nummer zwei ist. Für Nico sehe ich das Problem in dieser Hinsicht kleiner: Er kommt zurück, bekommt ein tolles Auto, kann um Rennsiege fahren und ist auch in einer anderen Position, was seine Karriere und sein Alter betrifft. Ein zusätzlicher Pluspunkt für Nico: Er und Max sind befreundet. Verstappen wird ein gewichtiges Wort mitsprechen. Alles dreht sich um ihn bei Red Bull. Da macht es keinen Sinn, einen Fahrer zu holen, mit dem er nicht einverstanden wäre. Ich drücke Nico die Daumen! Vermutlich wird er diese Unterstützung aber gar nicht brauchen…
Ein Blick voraus aufs kommende Wochenende: Nach 14 Jahren ist die Formel 1 endlich wieder zurück in Imola. Darauf freue ich mich sehr. Am Freitag fallen die freien Trainings weg. Die Teams und die Fahrer haben also weniger Zeit sich auf die Strecke vorzubereiten. Das bedeutet: Viel Spektakel, mehr Fahrfehler und Raum für Überraschungen. Und für uns: Gute Unterhaltung!