Sky Experte Ralf Schumacher beleuchtet in seiner Kolumne die wichtigsten Formel-1-Themen. Nach dem Ungarn-GP spricht Schumacher über die sensationelle Aufholjagd von Max Verstappen, das Drama um Ferrari, den Aufschwung bei Mercedes sowie den Wechsel von Fernando Alonso von Alpine zu Aston Martin.
Großes Lob an die Formel 1. Das neue Konzept funktioniert selbst auf dem Hungaroring, wo das Hinterherfahren in der Vergangenheit immer schwierig war, gab es viele Überholmanöver. Ich habe noch nie so viele Überholmanöver in Ungarn gesehen, das war ein extrem spannendes Rennen. Es war in Budapest so klar wie noch auf keiner Strecke in dieser Saison sichtbar, dass die Regeländerungen für mehr Action und Spannung gesorgt haben. Das war klasse.
Verstappen liefert ab
Max Verstappen ist ein unglaubliches Rennen gefahren, der Red Bull hat auch super funktioniert. Wenngleich Ferrari aber auch ordentlich mitgeholfen hat.
Unter den sehr warmen Bedingungen am Freitag war Ferrari noch sehr gut unterwegs. Allerdings haben sie da Reifen verwendet, die sich andere Teams noch für das Rennen aufgespart haben. Dann mit den sinkenden Temperaturen und den falschen Reifen an Bord war das im Rennen ein Drama für Ferrari. Eigentlich ging es schon am Anfang auf den Gelben los, wenn man sich die Pace im Vergleich zu Mercedes anschaut. Am Sonntag war die Pace einfach nicht da.
Ferrari verpokert sich bei den Reifen
Von der Strategie her war Red Bull super, weil man auch Ferrari und Charles Leclerc zu einem frühen zweiten Boxenstopp mit dem Undercut gezwungen hat. Strategisch eine glatte Eins. Ferrari musste in dieser Situation reagieren, da haben sie keinen Fehler gemacht. Bei Carlos Sainz haben sie allerdings bei beiden Boxenstopps gepatzt, er hat da viel Zeit verloren. Wenn man Strategie und Reifen zusammenzählt, die man am Freitag nicht gespart hat, muss man Ferrari eine Fünf geben.
Der harte Reifen bei Leclerc hat gar nicht funktioniert, der war offensichtlich für diese Bedingungen nicht geeignet. Bei Sainz hat man dann gelernt und ihm stattdessen den roten Reifen beim zweiten Stopp gegeben. Der hat dann ganz ordentlich funktioniert. Das war am Freitag alles noch nicht ersichtlich, da hatten wir aber auch 30 Grad mehr Streckentemperatur.
Ungemütliche Sommerpause für Binotto
Hinter den Kulissen dürfte es bei Ferrari in der Sommerpause ungemütlich werden, vor allem auch für Teamchef Mattia Binotto. Er hält das Team immer gut zusammen, aber irgendwann werden der Vorstand und Ferrari-Partner sicherlich unruhig werden. Die Pace ist zwar da, aber irgendwie schafft es Ferrari immer wieder durch Fehler der Fahrer, falsche Strategien oder technische Probleme sich alles selbst kaputtzumachen. Auf Dauer wird das intern so nicht funktionieren.
Einfach wird die Sommerpause daher nicht werden, weil man nicht die Möglichkeit hat, es bereits am kommenden Wochenende besser zu machen. Mit Blick auf die WM besteht aktuell wenig Hoffnung für Ferrari. Red Bull ist so gut unterwegs, da müsste schon viel passieren, dass sich das noch ändert. Mercedes grätscht jetzt auch dazwischen und wird Ferrari gefährlich, nimmt Leclerc und Sainz zudem viele Punkte auch weg. Wir hatten es ja gehofft und es wäre auch schön, wenn es so ist, aber für einen engen WM-Kampf müsste Red Bull schon viel Pech in der zweiten Saisonhälfte haben.
Mercedes kann für Dreikampf sorgen
Mercedes war beeindruckend unterwegs. Beeindruckend war aber auch, dass sie selbst nicht damit gerechnet haben. Da ist offensichtlich viel Potenzial im Auto, je nach Strecke und Bedingungen. Hundertprozentig verstanden hat man es aber noch nicht, warum man teilweise auf einmal so gut mithalten kann.
Hoffentlich geht es weiter bergauf, denn ein Dreikampf um Siege wäre natürlich noch deutlich schöner. Gerade die kurzen und technischen Strecken, da wo die Aerodynamik gefragt ist, scheinen dem Mercedes besser zu liegen.
Aston Martin gelingt Coup mit Alonso
Am Vormittag nach dem Ungarn-GP folgte dann noch die erste große Überraschung auf dem Fahrermarkt. Fernando Alonso wird 2023 Nachfolger von Sebastian Vettel bei Aston Martin. Für mich ist das eine große Überraschung. Das bedeutet auch, dass Oscar Piastri dann in der neuen Saison für Alpine fahren wird, anders kann ich mir den Wechsel nicht erklären. Alpine wollte Piastri nicht ziehen lassen, er ist die Zukunft. Daher musste er jetzt das Cockpit bekommen.
Und Alonso wollte offenbar einen Vertrag für mindestens zwei Jahre haben, nicht nur für eins. Für Aston Martin ist die Verpflichtung von Alonso mit seiner großen Erfahrung und seinem Speed ein cleverer Schachzug. Mich freut das für Fernando, weil er immer noch seine Leistung bringt.
Mick wird wohl bei Haas bleiben
Mick wäre auch eine Option bei Aston Martin gewesen. Aber er ist ja bei Haas grundsätzlich bei einem Team, das in diesem Jahr einen guten Job macht und viele Fortschritte gemacht hat. Mick hat in den vergangenen Wochen von seiner Performance deutlich zugelegt, von daher könnte ich mir gut vorstellen, dass die Konstellation so weiter bestehen wird. Ich wüsste auch nicht, was Haas sonst machen sollte, denn so viele Fahrer mit Erfahrung gibt es nicht. Und man sieht ja, dass neue Fahrer mit den neuen Autos ohne Tests eine lange Anlaufzeit brauchen.
Für Alonso ist der Wechsel ein Rückschritt. Der Alpine ist besser aufgestellt als der Aston Martin. Ich kann mir vorstellen, dass Fernando diesen Schritt nur gemacht hat, weil Alpine ihm keine echte Alternative geboten hat. Ich kann mir vorstellen, dass es da zu einem Vertrauensbruch gekommen ist. Bei Aston Martin wird das ganze Team hinter ihm stehen. Der Aston Martin war in Ungarn auch gar nicht so langsam im Rennen. Wenn man da mal das Auto richtig versteht, kann das durchaus erfolgversprechend sein. Aber auf dem Papier steht Alonso bei Aston Martin erst mal schlechter da als bei Alpine.
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