Was für eine Leistung von Max Verstappen in Ungarn. Der Weltmeister hat nach einem Qualifying zum Vergessen zurückgeschlagen und sich von Startplatz zehn aus noch den Sieg auf dem Hungaroring geholt. Dabei profitierte Verstappen - wie schon so häufig in dieser Saison - von den Patzern Ferraris.
So schnell kann sich das Blatt wenden.
Am Samstag lief für Red Bull in Budapest überhaupt nichts zusammen. Nach vielen Problemen und Fehlern kamen Max Verstappen und Sergio Perez nur auf die Startplätze zehn und elf. Ganz anders hingegen sah es bei Ferrari aus. Die Roten hofften auf einen Doppelsieg, Carlos Sainz ging von P2 aus ins Rennen, Charles Leclerc von P3.
Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko erklärte noch vor Rennbeginn am Sky Mikrofon, dass für Verstappen maximal Platz drei drin wäre und somit noch ein wenig Schadensbegrenzung betrieben werden könnte. Doch stattdessen spulte Verstappen eine weltmeisterliche Show ab und raste sensationell zum Sieg.
"Ich hatte natürlich gehofft, nah ans Podium heranzukommen. Es waren sehr schwierige Bedingungen, aber wir hatten eine sehr gute Strategie. Wir haben immer gut reagiert und trotz des Drehers habe ich das Rennen noch gewonnen. Es war ein verrücktes Rennen", meinte Verstappen. Der 24-Jährige feierte seinen unerwarteten Sieg erst emotional am Funk, dann mit einem Sprung in die Arme seiner Mechaniker und schließlich mit einer doppelten Umarmung für Marko und Teamchef Christian Horner.
Verstappens (fast) perfekter Tag
Ganz nebenbei überholte Verstappen mit seinem 28. Karrieresieg F1-Legende Jackie Stewart und liegt nun bereits auf Rang acht bei den Fahrern mit den meisten Siegen in der Geschichte des Sports. Ein fast perfekter Tag für den Niederländer. Einziger Makel: Der angesprochene Dreher in Kurve 13 auf seinem dritten Stint, der ihn auf der Strecke zwischenzeitlich wieder hinter seinen WM-Rivalen Leclerc brachte. Doch auch diesen Rückschlag steckte Verstappen schnell weg.
"Gott sei Dank habe ich eine komplette Drehung gemacht, dann hat es wieder geklappt", meinte Verstappen, der kurze Zeit später wieder am Monegassen vorbeizog und im Anschluss unaufhaltsam Richtung Sieg fuhr. "Phänomenal. Einfach unglaublich, mit welcher Pace Max unterwegs war. Wir hatten auch die richtige Strategie, die haben wir in letzter Minute geändert. Wir wollten mit harten Reifen starten, haben uns die Bedingungen angeschaut und das geändert. Das hat sich ausgezahlt", sagte Horner bei Sky.
Red Bull hat einfach alles richtig gemacht im Rennen, denn auch Perez kam mit einer guten Strategie noch auf P5 vor. Doch Verstappen hätte nicht gewonnen, wenn der große WM-Rivale nicht gleich mehrfach gepatzt hätte. Leclerc führte den Grand Prix nach der Hälfte der Renndistanz an und kontrollierte das Geschehen, Sainz hing zu diesem Zeitpunkt im Getriebe von George Russell und war drauf und dran, sich den zweiten Platz zu holen. Doch dann ging alles schief.
Leclerc kritisiert Teamstrategie
"Es war offensichtlich ein hartes Wochenende. Fehlentscheidung am Freitag, indem man die Reifen, die man im Rennen gebraucht hätte, aufgebraucht hat. Das war bitter für Ferrari. Für mich nicht nachvollziehbar war der letzte Stopp von Leclerc. Auch da hat man nochmal zwei Plätze verschenkt", resümierte Sky Experte Ralf Schumacher die Fehlerkette der Scuderia und fügte hinzu: "Ich glaube nicht, dass man bei Red Bull mit der Hilfe gerechnet hat."
Auslöser der Fehlerkette von Ferrari war ausgerechnet der Undercut des bis dato viertplatzierten Verstappen gegenüber dem vor ihm fahrenden Sainz. Ferrari reagierte eine Runde später umgehend, holte allerdings Leclerc rein und schickte ihn auf den harten Reifen raus. Ein fataler Fehler. Denn während der Weltmeister mit den neuen Medium-Pneus eine schnelle Runde nach der anderen abspulte, kam Leclerc mit den weißen Reifen überhaupt nicht zurecht.
"Ich weiß noch nicht, was da passiert ist. Wir müssen mit dem Team sprechen und mal schauen, was die Ideen dahinter waren. Ich war recht stark auf den Medium-Reifen, es war alles unter Kontrolle, aber aus irgendeinem Grund sind wir auf die harten Reifen umgestiegen. Ich habe im Funk gesagt, dass ich möglichst lange auf den Reifen bleiben möchte, weil ich ein gutes Gefühl hatte. Ich weiß nicht, wieso wir eine andere Entscheidung getroffen haben", kritisierte der Monegasse bei Sky die Strategieentscheidung seines Teams.
Denn Leclerc wurde nicht nur problemlos von Verstappen geschluckt, sondern kurze Zeit später auch von Russell. Als auch Sainz direkt hinter seinem Teamkollegen auftauchte, holte Ferrari Leclerc noch einmal rein und wechselte dabei auf die weichen Reifen. Doch es reichte nur noch zu P6. "Das war ein Desaster. Ich habe 20 Sekunden beim Boxenstopp verloren und dann noch ein paar, weil ich kreuz und quer herumgerutscht bin. Da haben wir das Rennen eigentlich verloren", so Leclerc.
Sainz sieht großen Rückschritt
Sainz wiederum ließ die Scuderia nach Verstappens Undercut draußen und wollte den Spanier am Rennende noch einmal mit ganz frischen Reifen zurück auf die Strecke schicken. Doch die Mechaniker patzten beim 27-Jährigen gleich bei beiden Boxenstopps, die verlorene Zeit konnte Sainz am Ende nicht mehr reinholen, so dass er hinter dem Mercedes-Duo Lewis Hamilton und Russell nur Vierter wurde.
"Wir haben seit Freitag zwei Schritte zurück gemacht. Einen Samstag und einen Sonntag noch. Je kühler die Temperaturen, desto schlechter wurde das Auto. Wir haben uns einfach schwergetan und Probleme gehabt, die Runden im Rennen zusammenzubekommen. Das war nicht unser Tag", äußerte sich der Spanier schon fast ein wenig verzweifelt am Sky Mikrofon. Auf den Longruns am Freitag bei heißen Temperaturen war Ferrari noch eine ganze Sekunde schneller als die Konkurrenz.
"Es wird noch ein paar Stunden dauern, bis wir das alles begriffen haben. Die Reifen, speziell der Harte am Ende, haben arg abgebaut und das Auto hat sich nicht wie erwartet verhalten. Es hat nicht richtig funktioniert, vielleicht lag es auch an den kühleren Bedingungen. Dann hatten wir Probleme mit der Geschwindigkeit, um die Position auf der Strecke zu halten", meinte auch Ferrari-Teamchef Mattia Binotto bei Sky.
Schumacher zählt Binotto an
Auf Binotto dürften nach dem abermaligen Tiefpunkt in Ungarn ungemütliche Zeiten zukommen. Denn die vielen Fehler, die Ferrari nicht nur auf dem Hungaroring, sondern über die gesamte Saison bereits begannen hat, hat der Teamchef zu verantworten. Die italienischen Gazetten kennen bei solchen Niederlagen wie in Budapest bekanntlich keine Gnade.
"Ich sehe ihn schon in der Sommerpause in Gefahr. Es sind zu viele Kleinigkeiten, die schiefgegangen sind und zu viele technische Probleme. Wenn man schon so ein Geschenk bekommt, wieder um die WM fahren zu können und das so gefährdet und wegwirft, ist das schon bitter", zählte Sky Experte Ralf Schumacher Binotto bereits an.
Mit Blick auf den WM-Kampf ist die Ausgangslage fast schon aussichtslos. Leclerc liegt bei neun verbleibenden Rennen in der zweiten Saisonhälfte schon satte 80 Punkte hinter Verstappen zurück. Ferrari hat allerdings noch ein weiteres Problem und das heißt Mercedes. Die Silberpfeile konnten in Ungarn zum ersten Mal in dieser Saison mit der Pace der beiden Spitzenteams mithalten und haben mittlerweile den Rückstand in der Konstrukteurs-WM auf die Scuderia auf nur noch 30 Zähler reduziert.
Mercedes schließt Lücke nach vorne
"Ich muss mich beim Team bedanken. Sie haben immer weiter gepusht und in diesem bisher harten Jahr nie aufgegeben. Jetzt haben wir zum zweiten Mal hintereinander beide Autos auf dem Podium. Die anderen hatten eigentlich einen Vorteil, aber wir haben die Lücke geschlossen. Jetzt geht es in die Pause, aber wir haben jetzt die Performance und können sie hoffentlich in die zweite Saisonhälfte retten und vorne weiter mitkämpfen", schickte Hamilton bereits eine Kampfansage an die Konkurrenz.
Der Rekordweltmeister hätte laut Teamchef Toto Wolff sogar gegen Verstappen um den Sieg fahren können, wenn nicht sein DRS in Q3 gestreikt hätte und er daher nur von Position sieben startete. Am Ende des Rennens war Hamilton der schnellste Mann auf der Strecke. Teamkollege Russell zeigte mit der ersten Mercedes-Pole der Saison zudem, dass die Silberpfeile nicht nur von der Rennspeed her, sondern auch auf eine Runde gesehen voll auf Augenhöhe sind. "Wir haben große Fortschritte gemacht, da bin ich sehr stolz drauf", so Russell.
Schon beim Großen Preis von Belgien in Spa-Francorchamps (am 28. August LIVE & EXKLUSIV auf Sky) ist dann mit einem Dreikampf um den Sieg zu rechnen. Verstappen jedenfalls freut das mit Blick auf seinen möglichen zweiten WM-Titel. "Es ist gut, dass Mercedes wieder so stark ist. Dann können sie Ferrari mehr Punkte wegnehmen", schloss der Weltmeister.
Dann würde sich das Blatt in der WM-Wertung auch nicht mehr wenden.
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