Mercedes startet beim Großen Preis von Ungarn am Sonntag aus der ersten Startreihe – aber auch aus der vorletzten. Die Stimmung bei den Silberpfeilen ist zwiegespalten. Das erkennt man nicht nur bei den Fahrern. Auch was die Aussichten auf das Rennen angeht, stapelt man trotz guter Resultate tief.
Lewis Hamilton konnte es nicht so recht glauben. Kurz nach Überquerung der Ziellinie erfuhr der Rekordweltmeister die erfreuliche Nachricht. Der Brite holte erstmals seit Saudi-Arabien 2021 wieder eine Pole Position und das denkbar knapp. Es ist die vierte Mercedes-Pole in Folge in Ungarn und die neunte für Hamilton auf dem Hungaroring - Rekord. Der Routinier freute sich hörbar und gab nach der Qualifikation zu: "Ich habe in der letzten Runde nicht einmal geatmet, ich bin völlig außer Puste gewesen."
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Still war es dagegen um George Russell. Hamiltons Teamkollege zeigte sich vergangenes Jahr noch für den silbernen Startplatz eins verantwortlich, muss diesen Sonntag das Rennen auf dem Hungaroring (ab 13.30 Uhr im kostenlosen LIVESTREAM auf skysport.de und im TV auf Sky) jedoch von hinten aufrollen. Der 25-Jährige startet nur von Platz 18. Man brauchte keine Menschenkenntnis, um durch den Helm zu erkennen, dass Russell nach seinem vorzeitigen Aus in Q1 sauer war. Vor allem war er sauer auf sein Team.
Wolff über Russell-Debakel: "Haben es ihm versaut"
"Wir haben es ihm versaut", erklärte Mercedes-Teamchef Toto Wolff im Nachgang im Sky Interview. "Da ist natürlich im Moment alles schlecht bei ihm", analysierte der Österreicher die Gefühlswelt des jungen Fahrers und nahm gleich die Schuld für das miserable Ergebnis auf sich: "Das war nicht sein Fehler, sondern wir haben es ihm wirklich versaut!", ist Wolff selbstkritisch, weil sein Team Russell mit dem Verkehr in die entscheidende Phase geschickt hatte.
Wolff kritisierte aber auch die gegnerischen Piloten: "Die Fahrer haben keinen Ehrenkodex mehr", wird er deutlich und meinte damit unter anderem Lando Norris und Pierre Gasly, die beide Russell in der letzten Kurve vor der schnellen Runde noch überholten und ihm damit die Ausgangsposition verschlechterten. "Dann bist du natürlich komplett im Eimer", machte Wolff deutlich.
Für Russell ist es ein ungewohntes Gefühl, in Ungarn hinter seinem Teamkollegen zu starten. In seinem fünften Start auf dem Hungaroring wurde er zum ersten Mal von einem Teampartner im Qualifying geschlagen. Auch innerhalb des Mercedes-Teams fällt Russell in den vergangenen Wochen im Vergleich zu Hamilton wieder etwas ab. Das ist besonders seit den Updates deutlich zu erkennen, die Mercedes seit Monaco bringt.
Russell im Schatten von Hamilton
Während Hamilton in den vergangenen vier Rennen drei Mal auf dem Podium stand, durfte Russell nur in Spanien (hinter Hamilton platziert) in den Genuss der Champagner-Dusche kommen. Ein deutlicher Trend. Die Laune dürfte dementsprechend unterschiedlich ausfallen. Und so wühlte sich der Brasilien-Sieger von 2022 sichtlich enttäuscht durch die Absperrungen und Menschen im Paddock. Das komplette Gegenteil zu seinem Kollegen.
Was am Sonntag im Rennen machbar ist, ist unklar. Russell erklärte im Anschluss an die Qualifikation im Sky Interview: "Ungarn ist nach Monaco und Singapur die schwierigste Strecke zum Überholen." Für ihn werde man sich bei der Strategie etwas einfallen lassen müssen, forderte Wolff.
Besonders bitter für den früheren Williams-Piloten ist, dass Hamilton allen gezeigt hat, was auch für ihn hätte drin sein können. Laut Wolff sei Russell im Qualifying zeitweise sogar stärker als Hamilton gewesen.
Auto für Hamilton umgebaut
Am Ende landete der Routinier jedoch vor seinem Teamkollegen. Das war zu Beginn des Wochenendes noch gar nicht abzusehen. Mercedes musste laut Wolff einige Veränderungen am Auto vornehmen. "Wir haben ein gutes Auto. Wir haben es über Nacht für Lewis genauso umgebaut, wie er es möchte", erklärte der Teamchef gegenüber Sky.
Dabei ging es vor allem darum, die Downforce und den Grip zu erhöhen, damit er schnell "um die Ecke" fahren könne, so Wolff. Hinzu kam die nächtliche Arbeit am Simulator, bei der erneut auch Mick Schumacher seinen Anteil am Erfolg gehabt haben dürfte.
Die Arbeit ist damit jedoch noch nicht getan. Für die schwarzen Silberpfeile kommt es darauf an, Sonntag ein konkurrenzfähiges Auto auf die Strecke zu bringen, das zumindest die aktuell starken McLarens auch auf Renndistanz in Schach halten kann. Mit Red Bull beschäftige man sich gar nicht, glaubt man Wolff: "Wir werden fighten. Aber man muss schon realistisch sein. Verstappen war teilweise eine Sekunde schneller auf dem Longrun. Das ist morgen vielleicht nicht der Gegner. Wir werden uns aber verteidigen wie die Löwen."
Blick geht nach hinten
Hamilton gibt sich etwas kämpferischer: "Wir haben kein schlechtes Rennauto", so Hamilton. "Unsere Renngeschwindigkeit ist gut, aber Max' Pace war gestern [im Training] außergewöhnlich. Sie sind etwas schneller als wir. Vielleicht gibt es eine Chance für uns, die Position zu halten. Allein die Tatsache, dass wir oben in den Top drei stehen, ist neu für uns. Wir werden ein großartiges Rennen erleben."
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Allgemein genießt man die Pole im Hause Mercedes, wohlwissend, dass das Auto noch nicht dort ist, wo es sein sollte. Deshalb stapelt man dahingehend noch tief, ob man den richtigen Entwicklungsweg gefunden habe: "Ich bin nicht ganz sicher. Wir haben hier letztes Jahr mit dem Schrottauto auch eine Pole Position gehabt", so Wolff.
"Wir sind, glaube ich, auf guten Spuren, verstehen es viel besser und das Update hat auch gut funktioniert. Aber wir sind noch lange nicht dort, wo wir sein wollen. Wir werden es im Rennen sehen, ob wir einigermaßen in der Lage sind, mitzuhalten. Es ist aber definitiv nicht so, dass ich sagen würde, wir sind schnell genug", fügte der 51-Jährige noch hinzu.
Hamilton vor Verlängerung
Mercedes ist auf die gesamte Saison gesehen - wie fast alle Teams hinter Red Bull beziehungsweise Max Verstappen - eine Art Wundertüte. Mal wähnt man sich in der Nähe des Weltmeisters, mal sieht man sich in einem Formel-2-Auto um den Kurs schleichen. Ob es an der Fahrer-Performance, der Team-Leistung oder dem Potenzial des Autos liegt, es ist kaum vorauszusehen, welche Variante man am kommenden Wochenende zu Gesicht bekommt. In Ungarn ist es sowohl ein positives als auch ein negatives Gesicht.
Ein Zeichen für die andauernde Tendenz nach oben ist die baldige Vertragsverlängerung von Hamilton. Dafür fehlt es nur noch an der Unterschrift. Hamilton soll für zwei Jahre verlängern, verriet Toto Wolf den Sky Kids Reportern am Wochenende in Ungarn. Die Mercedes-Fans wissen aber, dass der siebenmalige Weltmeister eine Saison wie 2021 nicht noch einmal mitmachen würde.
Das stimmt die Anhänger hoffnungsvoll, dass aus der aktuellen Wundertüte mit Stimmungsschwankungen schon bald wieder ein konstant gut gelaunter und mit Red Bull ernsthaft konkurrierender Rennstall wird.