Vier Rennen in Folge ist Mercedes schon sieglos - neuer Negativrekord in der Hybrid-Ära. Auch beim GP der Steiermark können Lewis Hamilton & Co. nicht mit der Konkurrenz mithalten. Red Bull zieht in beiden WM-Wertungen sukzessive davon. Eine Vorentscheidung im Titelkampf? Mercedes-Aussagen lassen das vermuten.
18 Punkte Abstand in der Fahrer-WM, 40 Punkte Rückstand in der Konstrukteurs-Wertung - die beiden Konkurrenten in der Formel 1, wenn es um die Titel-Entscheidungen geht, entfernen sich seit Wochen nicht nur auf dem Tableau immer weiter voneinander.
Red Bull, das die vergangenen vier Rennen (Monaco, Baku, Le Castellet, Spielberg) allesamt gewonnen hat, zeigt auch regelmäßig auf der Strecke eine bessere Performance als Mercedes - so auch jüngst beim Großen Preis der Steiermark. Mit einem lockeren Vorsprung - am Ende waren es aufgrund des späten Boxenstopps von Hamilton rund 35 Sekunden - fuhr Max Verstappen seinen vierten Saisonsieg ein und baute so seine Führung in der WM aus.
Verstappen dominiert Steiermark-GP in allen Belangen
Das Rennen war aus Verstappen- und Red-Bull-Sicht eigentlich zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, ein Eindruck, den auch Motorsportchef Dr. Helmut Marko am Sky Mikrofon bestätigte: "Wir sind überglücklich und haben es von vorne her locker kontrolliert. Bei Max war es - ich will jetzt nicht sagen Spazierenfahren - aber wir haben ihm immer wieder sagen können: 'Pass hier, pass da auf.' Es war ähnlich wie in Baku, nur ohne Reifenschaden. Reifenmäßig haben wir auch gesehen, dass wir wesentlich besser waren als Mercedes."
Doch letztendlich war es nicht nur das Management der Reifen, das Red Bull in Person von Verstappen in Spielberg besser hinbekommen hat. Auch bei der Pace hatte der Rennstall klar die Nase vorne und sorgte so bei der Konkurrenz teilweise für Ratlosigkeit. "Ich weiß auch nicht, woher sie die Geschwindigkeit nehmen. Das muss ich ehrlich sagen. Vor allem auf den Geraden sind sie viel schneller. Sie haben sich in den letzten paar Rennen extrem gut weiterentwickelt - und darauf müssen wir jetzt eine Antwort finden", erklärte Weltmeister Hamilton am Sky Mikrofon.
Wolff deutlich: "Entwicklungstechnisch ist diese Saison gelaufen"
Doch genau darin liegt wohl nun das Problem. Eine Antwort zu finden, ohne dabei wirklich viel Geld zu investieren, wird schwer. Doch genau das will Mercedes im Hinblick auf 2022, wo sich das Reglement ordentlich verändert, wohl für das aktuelle Auto nicht mehr tun.
"Du musst natürlich schon abwiegen. Bei uns ist die Entwicklung in weiten Teilen schon zu Ende, weil wir aufs nächste Jahr schauen", erklärte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff bereits vor dem Grand Prix. Und auch nach dem Rennen gingen die Worte von Wolff in diese Richtung. "Es war nicht mehr drin, denn das Paket von Red Bull ist einfach das schnellere. Platz zwei, drei oder vier ist aktuell unsere Position in der wir uns befinden und da müssen wir uns einfach zurück fighten, mit allem, was wir haben, weil entwicklungstechnisch ist diese Saison gelaufen."
Mercedes versucht es über die Reifen
Aussagen, die den Mercedes-Fans nicht wirklich Mut in Sachen WM-Titel machen dürften. Doch Wolff sieht Verbesserungspotential an einer anderen Stelle, wodurch er sich eine Verkleinerung des zeitlichen Rückstands auf Red Bull erhofft. "Ich glaube die größte Performance in diesem Jahr sind die Reifen, dass man sie besser versteht und am Setup arbeitet und nicht pro Monat versucht, ein Zehntel durch Downforce zu gewinnen. Das heißt: ein Zehntel für einen ganzen Monat für das 2021er-Auto. Man muss schon aufs nächste Jahr schauen."
Auch Hamilton bestätigte im Anschluss an das Rennen quasi den Entwicklungsstop bei Mercedes für das aktuelle Auto: "Wir haben jetzt keine weiteren Upgrades. Aber sie (Red Bull, Anm. d. Red.) haben welche. Sie haben ihren Motor verbessert. Dadurch sind sie wirklich nach vorne gekommen. Es ist noch eine lange Saison, aber gegen einen solchen Geschwindigkeitsvorteil müssen wir uns wirklich strecken. Vielleicht haben sie einfach mehr Geld ausgegeben als wir. Man weiß es nicht. Vielleicht geben dafür wir im nächsten Jahr mehr Geld aus als sie. Ich bin aber nicht derjenige, der das Geld verwaltet. Wie gesagt: Wir werden weiter hart arbeiten und müssen einfach mehr Geschwindigkeit finden."
Wolff schlägt in die gleiche Kerbe und will trotz des Entwicklungsstops nicht aufgeben - und das aus gutem Grund: "Wir versuchen das Bestmögliche zu machen und es wird noch Rennen geben, die auch wieder in unsere Richtung gehen, wo auch unser Auto besser sein wird."
Silverstone als Wendepunkt?
Vielleicht ist dies bereits am kommenden Wochenende der Fall - und das, obwohl am gleichen Ort wie an diesem Wochenende gefahren wird. Nämlich in Spielberg, das spätestens seit der Macht-Demonstration von Verstappen Red-Bull-Territorium ist.
Der Grund für eine Änderung könnten die unterschiedlichen Reifen beim zweiten Auftritt in Spielberg sein. Dort wird dann eine Stufe weicher gefahren. Konkret heißt das Folgendes: Für Spielberg I standen die Reifen C2, C3, C4 (von weich nach hart) zur Verfügung. Für Spielberg II werden es die Reifen C1, C2 und C3 sein. Das bedeutet also, dass der an diesem Wochenende gefahrene harte Reifen wegfällt und der Medium quasi zum harten Reifen wird. Und auf diesem konnte Mercedes zu Beginn des Rennens noch besser mit Red Bull mithalten.
Es zeigt sich also, dass trotz des harten Cuts bei Mercedes in Sachen Entwicklung weiterhin Spannung im WM-Kampf erwartet werden darf. Spätestens in Silverstone - Mitte Juli nämlich - dürfte sich Mercedes im Normalfall eindrucksvoll zurückmelden. Immerhin hieß der Sieger bei Hamiltons Heim-GP in den vergangenen acht Jahren sieben Mal Mercedes!
Kein Wunder also, dass Dr. Marko am Ende eines dominanten Red-Bull-Tages auf die Euphorie-Bremse tritt: "Wir sind noch weit davon entfernt, von einer Entscheidung in der Meisterschaft zu sprechen."