George Russell crasht in der vorletzten Runde, als er versucht, Fernando Alonso zu attackieren. Trägt der Spanier eine Mitschuld an dem Unfall? Das sagen die Stewards.
Es sind noch rund eineinhalb Runden im Großen Preis von Australien zu fahren und Mercedes-Pilot George Russell schickt sich an, eine seiner letzten Attacken gegen den auf Platz sechs liegenden Fernando Alonso zu starten. Acht statt sechs Punkte, das ist das Ziel des Briten. Dafür pirscht er sich immer weiter an Alonso heran. In der Anfahrt auf Kurve sechs trennen beide nur noch wenige Meter. Auf den TV-Bildern ist an den Rückleuchten des Aston Martins zu sehen, dass Alonsos Auto Energierückgewinnung betreibt, er ist also vom Gas gegangen. Nichts Ungewöhnliches bis hierhin.
Stewards bestrafen Alonso
Plötzlich gehen die Lichter relativ weit vor der Kurve aber aus und Alonso wird schlagartig langsamer. Russell, überrascht davon, verliert die Kontrolle über sein Auto und fährt in die Streckenbegrenzung. Sein Auto wird zerstört, legt sich auf die Seite und rutscht auf die Fahrbahn zurück.
Alonso und Russell wurden nach dem Rennen - wie auch Verantwortliche ihrer Teams - zu den Stewards zitiert, um ihre Sicht der Dinge zu erklären. Rund drei Stunden nach dem Rennen dann das Ergebnis der Untersuchung. Fernando Alonso bekommt eine nachträgliche Durchfahrtsstrafe in Form von 20 Sekunden aufgebrummt. Für den Spanier geht es im Ranking zwei Plätze zurück. Statt acht WM-Punkte bekommt Alonso nur noch vier. Dazu wird er mit drei Strafpunkten in der Sünderkartei belegt.
Die Stewards begründen ihre Entscheidung mit Art. 33.4 des Reglements: "Ein Fahrzeug darf zu keinem Zeitpunkt unnötig langsam, unregelmäßig oder in einer Weise gefahren werden, die als potenziell gefährlich für andere Fahrer oder andere Personen angesehen werden könnte."
Laut der Kommissare ist nicht festzustellen, dass Alonso Russell Probleme bereiten wollte. Ihm wird auch zugestanden, andere Möglichkeiten zu nutzen, um in entsprechende Kurven zu fahren, aber: "Nach Ansicht der Rennkommissare ist er auf eine Art und Weise gefahren, die angesichts der sehr hohen Geschwindigkeit an dieser Stelle der Strecke zumindest 'potenziell gefährlich' war", so die Stewards. "In diesem Fall betrachten wir die Tatsache, dass Alonso sich an dieser Stelle bewusst für ein ungewöhnliches Manöver entschieden hat, als einen erschwerenden Umstand, im Gegensatz zu einem einfachen Fehler. Die Stewards ordnen daher eine Drive-Through-Strafe an, die in 20 Sekunden umgerechnet wird, die zur verstrichenen Zeit von Auto 14 addiert werden, sowie drei Strafpunkte."
Russell nimmt Unfall auf sich - Restzweifel bleiben
Russell nahm den Crash zunächst zwar auf seine Kappe, Restzweifel blieben jedoch auch bei ihm: "Ich bin abgeflogen. Das ist meine Schuld. Ich war eine halbe Sekunde hinter Fernando, bin an ihn herangekommen und plötzlich ist er ganz schnell auf mich zugekommen", so der Mercedes-Pilot bei Sky. "Ich weiß nicht, ob es ein Problem gab. Das geht jetzt auch zu den Stewards. Es ist ein wenig komisch. Ich kann nicht mehr sagen und muss erstmal alles sehen. (...) Ich werde ihn nicht beschuldigen. Er ist vor der Kurve plötzlich langsam geworden. das hatte ich nicht erwartet, das geht auf meine Kappe. Aber es ist trotzdem interessant, dass er zu den Stewards gerufen wurde."
Zuvor sprach Alonso bei Sky von Problemen. "Ich habe mich nach vorne konzentriert, nicht nach hinten. Ich hatte in den letzten 15 Runden ein paar Probleme mit der Batterie. Ich kann mich nicht auf die Autos hinter mir konzentrieren. Ich hoffe, es geht ihm gut."
Glock: Alonso fährt die Ellbogen aus
Sky Experte Timo Glock wittert Absicht beim Spanier: "Alonso bremst sehr früh und lässt Russell auflaufen. Die Idee von Alonso war, Russell auf dem falschen Fuß zu erwischen, ihn zu verlangsamen und dann früh am Gas zu sein, um eine Lücke zu öffnen. Das war so extrem, dass Russell damit überhaupt nicht gerechnet hat. Er ist viel zu nah rangekommen und hat Abtrieb verloren. Alonso fährt die Ellbogen aus und nutzt den Graubereich, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Er weiß schon, was er mit seiner Erfahrung machen muss."
Russell wunderte sich übrigens darüber, dass es keine Rote Flagge gab. "Es war nicht angenehm, mitten in einer Hochgeschwindigkeitskurve auf der Rennstrecke zu stehen", erklärte Russell nach dem Rennen. Rund 15 Sekunden dauerte es, bis das Virtuelle Safetycar ausgerufen wurde. "Das hört sich nicht nach viel an, aber innerhalb von zehn Sekunden können drei Autos um die Ecke kommen", so Russell. "Und wenn man mit 250 Sachen in die Kurve fährt und das Auto in der Mitte der Straße liegt, da habe ich mir wirklich Sorgen gemacht".