Belgien taumelt: Die oftmals hochgelobte "Goldene Generation" steckt in einer tiefen Krise.
Von Marlene Block
Im WM-Viertelfinale 2018 begeisterten die Belgier die Fußballwelt. Gegen Brasilien lieferten sie ein taktisches Meisterwerk ab: Mit einer glänzenden Vorarbeit von Vincent Kompany provozierten sie das Eigentor von Fernandinho, bevor Kevin De Bruyne mit einem Traumtor das 2:0 nachlegte. Belgien spielte die Selecao in Grund und Boden. Erst im Halbfinale stoppte Frankreich die "Roten Teufel" in einem knappen Duell mit 0:1.
Damals schien Belgien auf dem Sprung zur ganz großen Fußballmacht. Die "Goldene Generation" um Eden Hazard, De Bruyne und Romelu Lukaku galt als eine der vielversprechendsten Mannschaften der Welt. Doch auf den Höhepunkt 2018 folgte ein schleichender Niedergang. Seit 2021 haben die Belgier in elf Spielen keinen einzigen Sieg gegen ein Team geschafft, das in den Top-20 der Welt steht. Die Tageszeitung Het Laatste Nieuws spricht bereits vom "absoluten Tiefpunkt seit mehr als zehn Jahren". Belgien kämpft nun nicht mehr um Titel, sondern um Identität.
"Tedesco raus!"
Die Lage ist extrem ernüchternd: Die Mannschaft beendete eine enttäuschende Nations-League-Kampagne mit nur vier Punkten aus sechs Spielen auf Platz drei der Gruppe. Bei der Niederlage gegen Israel am Sonntag, haben nur zwei Tore zum Abstieg gefehlt.
Im August sorgte Thibaut Courtois für Aufsehen, als er seinen vorläufigen Rücktritt aus der belgischen Nationalmannschaft erklärte. Der Keeper von Real Madrid machte dabei vor allem Nationaltrainer Domenico Tedesco für seine Entscheidung verantwortlich. Nach eigenen Angaben habe er "nach den Vorfällen mit dem Trainer und gründlicher Überlegung" beschlossen, nicht länger unter Tedescos Führung für Belgien aufzulaufen.
De Bruynes Enttäuschung über den Zustand der Nationalelf erreichte im September den Höhepunkt, als er nach der erneuten Niederlage gegen Frankreich am Spielfeldrand sichtbar wütend war. "Ik stop" - eine klare Drohung, seine Karriere in der Nationalmannschaft zu beenden.
Auch die Fans machen ihrem Frust Luft. Während der Schlussphase des Spiels gegen Frankreich hallte "Tedesco Demission" - auf deutsch: "Tedesco raus" - durch das Brüsseler Nationalstadion. Die Kritik am deutsch-italienischen Nationaltrainer, dessen Vertrag eigentlich noch bis 2026 läuft, wächst.
"Ich bin immer noch der richtige Mann"
Tedesco selbst gibt sich auch nach der Pleite in Israel kämpferisch: "Ich bin überzeugt, dass ich immer noch der richtige Mann am richtigen Ort bin.", sagte er beim belgischen Fernsehsender VTM. Er verweist auch auf die Verletztenmisere mit 21 fehlenden Spielern. Rückhalt erhält er von Spielern wie Timothy Castagne, der betonte: "Es ist nicht immer die Schuld des Trainers. Jeder muss die Verantwortung übernehmen."
Mit jungen Talenten wie Arthur Vermeeren, Lois Openda und Leandro Trossard gibt es Hoffnung auf einen Neuanfang. Doch die Zeiten, in denen Belgien als Top-Favorit galt, sind längst vorbei. Ob Tedesco die Wende schaffen kann, bleibt fraglich - genauso wie seine Zukunft als Trainer der Nationalelf.
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