Borussia Dortmund hat in der Champions League bei Ajax Amsterdam schonungslos seine Mängel aufgezeigt bekommen. Die 0:4-Niederlage in der Johan-Cruyff-Arena war die höchste BVB-Pleite in der Klubgeschichte in der Königsklasse. Mit dem Ergebnis war Dortmund allerdings noch gut bedient.
Marco Rose stand mit gesenktem Kopf und leerem Blick an der Seitenlinie. Was der BVB-Trainer in den 90 Minuten von Amsterdam von der Seitenlinie aus sah, musste ihn tief schlucken lassen. "Die Jungs finden den Abend genauso beschissen wie ich. Wir müssen das selbstkritisch aufarbeiten und weitermachen", sagte der 45-Jährige in seiner ersten Analyse.
In zwei Wochen steht bereits das Rückspiel gegen Ajax auf dem Programm. Zuvor ist der BVB noch in der Bundesliga bei Arminia Bielefeld und gegen den 1. FC Köln gefordert, dazwischen gastiert Zweitligist FC Ingolstadt im DFB-Pokal im Signal-Iduna-Park. Rose muss die Ereignisse von Amsterdam also schnell analysieren, dabei muss er die folgenden Baustellen bearbeiten.
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1. BVB-Abwehr komplett überfordert
Die Abwehrleistung beim niederländischen Rekordmeister musste den BVB-Fans Sorgenfalten ins Gesicht treiben. Null Zugriff auf die Gegenspieler und ein erschreckendes Zweikampfverhalten. Innenverteidiger Mats Hummels ist nach seinen Problemen an der Patellasehne sichtbar noch nicht fit, Nico Schulz und Emre Can haben in dieser Form in Dortmunds Mannschaft nichts zu suchen.
Noussair Mazraoui und Antony nutzten die Schwächen auf der linken schwarz-gelben Seite gnadenlos aus, trieben immer wieder die Ajax-Angriffe an. "Die linke Seite war in der ersten Halbzeit das Problem. In der zweiten Halbzeit ist das nicht viel besser geworden", brachte es Amazon-Prime-Experte Benedikt Höwedes auf den Punkt.
Insbesondere Schulz dürfte sich mit seinem Auftritt endgültig ins Abseits gespielt haben. Der 28-Jährige läuft seit Monaten seiner Form hinterher und konnte Stammlinksverteidiger Raphael Guerreiro zu keiner Zeit auch noch annähernd ersetzen. Die Kadertiefe ist in Dortmunds Defensive ein großes Problem. Zumindest Dan-Axel Zagadou stand in Amsterdam nach über einem halben Jahr und einer Knie-OP erstmals wieder im Kader.
2. Totalausfälle in allen Mannschaftsteilen
Doch die löchrige Abwehr war beileibe nicht das einzige Dortmunder Problem in Amsterdam. Neben Schulz und Can waren auch die viel kritisierten Julian Brandt und Donyell Malen sowie die Führungsspieler Marco Reus und Axel Witsel Totalausfälle. Kurzum: In allen Mannschaftsteilen haperte es.
"Die größten Probleme, die der BVB hat, sind die Arbeit gegen den Ball und die Zuteilung, die nicht vorhanden ist. Auf den Außenpositionen hat der BVB mit Reus und Malen zwei Spieler, die ungern nach hinten arbeiten", konstatierte Höwedes. Dadurch lief der deutsche Pokalsieger dem Gegner häufig nur hinterher und wirkte defensiv total überfordert.
"Wir waren nicht aggressiv, sind nicht in die Zweikämpfe gegangen. Das haben wir uns alle anders vorgestellt. So wie die Tore gefallen sind und wie Ajax dann auch noch mehrere Möglichkeiten hatte, ist es zu leicht", meinte Kapitän Reus. Brandt sprach von einer "Lehrstunde. Wir haben unsere Grenzen aufgezeigt bekommen." Die Bissigkeit in den Eins-gegen-eins-Duellen muss schnellstmöglich zurück in die Köpfe der Spieler, sonst wird es auch am Samstag in Bielefeld schwer werden.
3. Keiner springt für Haaland in die Bresche
Mit zehn Toren war Erling Haaland in der vergangenen Saison Toptorjäger in der Champions League. Die Dortmunder Abhängigkeit vom Norweger ist bekannt. Gegen Amsterdam traf Haaland zu Beginn der zweiten Halbzeit die Latte (48.) und scheiterte zudem zwei Mal an Ajax-Torhüter Remco Resveer. Mehr Chancen hatte der 21-Jährige nicht, mehr Chancen hatte auch der gesamte BVB nicht.
Haaland war weitestgehend abgemeldet und schon war die Borussia schachmatt gesetzt. Bei Ajax überzeugte hingegen der Ex-Frankfurter Sebastian Haller. Mit zwei Torvorlagen und einem Treffer hatte der Ivorer maßgeblichen Anteil am Sieg der Hausherren.
"Was er abliefert, ist aller Ehren wert", bilanzierte Ex-Profi Höwedes. Haller überzeugte bei der Ballbehauptung als Wandspieler sowie in der Luft. Grundtugenden im Spiel, die in Amsterdam jedem BVB-Offensivspieler fehlten.
4. Mentalitätsfrage kommt wieder auf
Die Pleite warf zwangsläufig die bekannte Frage nach der Mentalität auf. In der niederländischen Hauptstadt fehlte es schlicht an der richtigen Einstellung und das bereits nach dem frühen 0:1 (11.) - bis Spielende. "Wir waren in allen Belangen die klar schlechtere Mannschaft und haben auch in der Höhe verdient verloren. Ajax war giftiger, galliger und wir waren weich", resümierte Abwehrchef Hummels.
Dass der BVB in Amsterdam verliert, ist dabei nicht das Thema. Ajax hat in den vergangenen Jahren seine Klasse auf der internationalen Bühne eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das Besorgniserregende ist vielmehr, wie die Niederlage zustande kam. "Die Mannschaft hat sich nicht gewehrt. Da ist keiner vorangegangen und hat auf den Putz gehauen. Das darf nicht passieren. Da fehlt ein Rumpelstilzchen", kritisierte Sky BVB-Experte Jesco von Eichmann den trostlosen Auftritt der Schwarz-Gelben.
Einstellung und Körpersprache sind die zentralen Themen, die Trainer Rose in den Gesprächen mit seinen Spielern ansprechen muss. Der Ex-Gladbach-Coach zog auch direkt einen Vergleich zum FC Bayern München.
5. Rose muss sein Team schnell erreichen
In den vergangenen Spielzeiten unter Lucien Favre und Edin Terzic hatte Dortmund immer mal wieder mit Leistungsschwankungen zu kämpfen. Dabei setzte es auch zum Teil heftige Niederlagen. Zumeist zogen die Verantwortlichen anschließend die richtigen Schlüsse.
Viel Zeit bleibt dem gebürtigen Leipziger Rose aber nicht für die Aufarbeitung der Ajax-Pleite. Einen Appell an seine Spieler hatte er trotzdem bereits parat: "Wenn es schwierig wird, muss man Lösungen finden und das Ding zum Laufen bringen. Wir müssen weitermachen und dann trotzdem Borussia Dortmund ausstrahlen."
Die Frage ist nur, was Borussia Dortmund ausstrahlt. In Amsterdam waren es gesenkte Köpfe und leere Blicke.
Viele bittere Erkenntnisse.
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