Yann Sommer spielt mit Borussia Mönchengladbach eine sehr gute Saison. Im Interview mit Sky Sport spricht der Keeper unter anderem über sein Vorbild, das anstehende Spitzenspiel gegen Leipzig und die Causa Nübel.
Sky Sport: Sie kommen gerade vom Krafttraining. Krafttraining war bei Torhütern früher immer ein großes Thema. Ich erinnere mich an Toni Schumacher und Gerry Ehrmann. Die sahen eher aus wie Bodybuilder. Wie ist das bei Ihnen?
Yann Sommer: Beine ja bei mir. Oberkörper fast gar nicht. Für mich ist es entscheidend, dass ich sehr gelenkig bin. Sehr beweglich und sehr schnell. Deswegen hilft mehr Krafttraining nicht nur.
Sky Sport: Torhüter Legende Peter Schmeichel hat gesagt: "Yann Sommer ist der am meisten unterschätzte Torhüter in Europa." Ist das ein Kompliment?
Sommer: Naja, es ist etwas Positives. Ich habe mich darüber gefreut. Ich durfte ihn auch schon zwei-, dreimal treffen, er ist ein cooler Typ und natürlich auch eine Legende.
Sky Sport: Aber eigentlich ist es doch nicht schön, wenn man unterschätzt wird?
Sommer: Mich interessiert das nicht. Ganz ehrlich. Ich mache meinen Job. Ich möchte erfolgreich sein. Für mich selber und für die Mannschaft und für den Klub.
Sky Sport: Was zeichnet Sie denn aus? Ich habe mal in die Statistiken geschaut: Da sind sie nicht nur in der Bundesliga top, sondern auch europaweit. Wie ordnen Sie sich selbst ein? Und ist Ihnen diese Wertschätzung wichtig?
Sommer: Statistiken sind wichtig. Aber mich hat es nie so interessiert. Ich mache meinen Job. Ich versuche, so konstant wie möglich durch die Saison zu gehen. Ich sehe mich als offensiven Torwart, der sehr gerne mitspielt. Quasi als Feldspieler der Mannschaft mitzuhelfen. Auch mit ganz einfachen Bällen, Tempo reinbringen. Da versuche ich, der Mannschaft etwas mitzugeben.
Sky Sport: Woran machen Sie denn ihre Leistung fest? Ist es das Zu-Null-Spiel? Oder sind es wie zuletzt beim Spiel gegen Mainz überragende Paraden, mit der sie die Mannschaft im Spiel halten?
Sommer: Weder noch. Ich möchte das Spiel gewinnen mit der Mannschaft. Ich möchte der Mannschaft so lange wie möglich die Möglichkeit geben, ein Spiel zu gewinnen. Das ist mein Job, indem ich Bälle halte, indem ich gut dirigiere. Natürlich ist ein Zu-Null-Spiel für einen Torwart mit das Schönste, was es gibt. Wenn man ein Spiel gewinnt und mein Spiel zu null ist, ist das natürlich top. Aber am Schluss geht es um Punkte. Die Punkte zählen.
Sky Sport: Es wurde ja immer auch viel über ihre Körpergröße gesprochen. Ist das ein Nachteil für Sie? Normalerweise sind ja Torhüter über 1,90 Meter groß!
Sommer: Das ist schwierig zu sagen. Ich kann nicht sagen, wie es wäre, wenn ich größer wäre. Deswegen weiß ich nicht, ob es ein Vor- oder Nachteil ist. Im Fußball gibt es viele Leute, die sagen, ein Torhüter der muss groß sein. Mein Glück war, dass ich in meiner Jugend oder in meiner Junioren-Karriere immer Leute hatte, denen das egal war. Die dann mehr auf die Technik geschaut haben. Oder auf die Ausstrahlung eines Torwarts. Also immer auf das Gesamtpaket von mir. Wenn ich dann heute manchmal sehe, dass die Größe immer noch unglaublich wichtig ist, dass Torhüter schon in jungen Jahren danach ausgewählt werden und kleine Torhüter dann gar keine Chance bekommen, die Chance, sich zu beweisen oder weiter zu kommen. Das ist sehr sehr schade. Für mich war es nie ein Nachteil. Ich fühle mich sehr, sehr wohl mit meiner Größe. Jeder Torhüter hat andere Möglichkeiten. Und man muss aus denen einfach das Beste machen.
Sky Sport: Und die Technik mit dem Fuß, dass sie so stark sind, wo haben Sie das gelernt? Haben Sie früher im Feld gespielt oder war das gottgegeben? Und trainieren Sie das speziell?
Sommer: Ja ich trainiere das jeden Tag. Ich habe als junger Torhüter die Möglichkeit bekommen, als Torwart auch draußen spielen zu dürfen. Ich war damals auch mal dritter Torwart beim FC Basel. Ich hatte Christian Gross als Trainer. Drei Torhüter braucht man normalerweise nicht, wenn man ein Spiel macht. Dann war ich eben rechter Verteidiger. Ich war mal Nummer sechs. Oder habe auf dem linken Flügel gespielt. Und dann auch gegen sehr gute Fußballer, um sich da zu beweisen. Für mich als Torwart war das goldwert.
Sky Sport: Eine Szene, die kein Fan von Borussia Mönchengladbach vergessen wird, war im Spiel gegen den FC Bayern: Sie haben den Ball auf der Linie mit dem Mittelfinger festgehalten. War das auch ihr persönliches Highlight der Saison?
Sommer: Klar, das sind natürlich schöne Momente! Das war ein Schuss, der ein bisschen verdeckt war. Der geht bei mir unten durch. Ich glaube, wenn der reingeht, dann reden wir über etwas ganz anderes. Das ist halt so eine Reaktion. Und das es dann genauso gekommen ist, das war natürlich sehr wertvoll für uns. Weil wir dadurch wahrscheinlich auch die drei Punkte geholt haben. Und für mich war es ein bisschen Glück, weil es sonst negativ bewertet würde. Aber es gab viele Highlights in dieser Saison. Ein Highlight ist schon, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. Dass wir auch relativ konstant durch dieses Jahr gehen. Das müssen wir auf jeden Fall probieren, fortzusetzen. Wir wollen weiter oben dabei bleiben, weiter Gas geben und weiter an uns arbeiten. Und dann schauen wir, wo es hingeht.
Sky Sport: Sie haben jetzt auch wieder den Sieg gegen Mainz festgehalten. Wie ist es denn nach dem Spiel? Kommen dann die Kollegen und sagen "Danke Yann"?
Sommer: Das ist so, wie ich gesagt habe. Man probiert als Torhüter, der Mannschaft so lange wie möglich die Chance zu geben zu gewinnen. Es gab eine heikle Situation beim 1:1, es gab eine heikle Situation beim 2:1 und somit konnte ich der Mannschaft am Ende dann doch helfen zu gewinnen. Aber das war nicht nur ich alleine. Wir haben uns viele Chancen erspielt. Wir hätten den Sack auch schon früher zu machen können. Aber solche Spiele gibt es. Und dann war es wichtig, dass wir am Schluss die drei Punkte mitnehmen.
Sky Sport: Gibt es Vorbilder für Sie? Oder Torhüter, wo sie sagen an denen habe ich mich orientiert?
Sommer: Ja, auf jeden Fall. Mein Vorbild ist Gigi Buffon. Buffon war immer ein Vorbild von mir, weil er ein sehr kompletter Torhüter ist. Und ich finde, er ist eine tolle Persönlichkeit. Ich durfte auch zweimal gegen ihn spielen. Das war eine tolle Erfahrung. Aber es gibt auch viele junge Torhüter, die ich interessant finde. Man schaut sich bei jedem Torhüter etwas ab. Und am Ende packt man sich so seinen eigenen Rucksack zusammen. Mit all den Dingen, die man dann noch von seinem Torwarttrainer mitbekommt. Ich glaube in Europa sind alle Torhüter interessant, die auf diesem Niveau spielen.
Sky Sport: Weiß Buffon eigentlich, dass er ihr Vorbild ist? Haben Sie es ihm schon mal gesagt?
Sommer: Ich weiß es gar nicht. Persönlich habe ich es ihm noch nicht gesagt. Aber vielleicht hat er es irgendwo mal gelesen. Aber er ist ein toller Typ! Sehr bodenständig und für mich war er immer ein überragender Torwart. Sehr, sehr mutig, viel Power, eine super Ausstrahlung. Das hat mich immer inspiriert. Er ist 40 und spielt immer noch auf einem Top-Niveau.
Sky Sport: Sie haben eben darüber gesprochen, wie wichtig es war, dass Trainer sie immer unterstützt und gefördert haben. Wie ist denn die Situation hier in Mönchengladbach? Und warum fühlen Sie sich so wohl hier?
Sommer: Da gibt es viele Gründe. Das ist ein sehr familiärer Klub. Es macht mir große Freude, hier zu arbeiten. Ich habe ein gutes Gefühl hier. Man hat jedes Jahr eine Mannschaft, die Ambitionen hat, die viel Qualität hat, die einen Stil spielt, der mir sehr entspricht. Wir haben immer Coaches gehabt, wie mit Marco Rose und seinem Staff, die uns allen einen richtigen Push geben und mit denen wir Fortschritte machen. Das Gesamtpaket Borussia Mönchengladbach macht richtig Spaß. Jetzt machen wir halt eine weitere gute Saison.
Sky Sport: Eine private Frage: Ich weiß, dass sie gerade Vater geworden sind und sich auch intensiv mit Ernährung und Kochen beschäftigen. Wie wichtig ist Ihnen das?
Sommer: Das ist beides natürlich unglaublich wichtig. Vater zu werden, ist etwas unglaublich Schönes. Jeder, der Vater geworden ist, weiß, was einem das gibt und was das für eine tolle Aufgabe ist. Auch wenn sie manchmal anstrengend ist. Es ist eine sehr schöne Aufgabe und wir sind sehr stolz.
Sky Sport: Was heißt denn anstrengend? Weniger Schlaf?
Sommer: Ja, klar weniger Schlaf. Die Prioritäten verschieben sich im Leben. Aber das ist alles wunderschön. Wir haben uns riesig gefreut und sind sehr stolz.
Sky Sport: Was sind da so die wichtigsten Sachen?
Sommer: Oh, ganz Verschiedene. Ich habe meinen Ernährungsweg gefunden. Jeder Sportler erwartet von seinem Körper viel und deshalb sollte er ihm das geben, was der Körper braucht. Da gehört die Ernährung definitiv dazu. Ich versuche, auf gewisse Dinge zu achten, und ernähre mich ausgewogen. Es würde viel zu lange dauern, um das alles zu erzählen. Ich habe meinen Weg gefunden und fühle mich sehr wohl.
Sky Sport: Jetzt geht es gegen Leipzig. Im Hinspiel konnte Mönchengladbach nicht gewinnen. Wer ist denn ihr Meisterschaftsfavorit? Ist es Leipzig?
Sommer: Ich wäre ja dumm, wenn ich sagen würde, ja es ist Leipzig. Ganz ehrlich: Ich habe keinen Meister-Favoriten. Und ich würde es auch nicht sagen, wenn wir es wären. Ich glaube, es ist eine sehr spannende Saison. Da kann sehr viel passieren. Alle Mannschaften können sich gegenseitig die Punkte wegnehmen und es macht keinen großen Sinn, darüber zu sprechen und zu spekulieren. Wichtig ist, dass wir nächsten Samstag in Leipzig um 18:30 Uhr ein richtig gutes und mutiges Spiel hinlegen und hoffentlich erfolgreich sind.
Sky Sport: Jetzt hat Julian Nagelsmann den Finger in die Wunde gelegt und seine Mannschaft kritisiert. Was macht das mit einer Mannschaft so eine Kritik des Trainers? War das so ein Schachzug, um das entscheidende aus seiner Mannschaft rauszukitzeln?
Sommer: Kann sein, damit beschäftige ich mich nicht. Das hat nicht viel mit uns zu tun. Das ist immer so, wenn eine Mannschaft ein Spiel verliert. Dann ist in den meisten Fällen der Coach auch nicht zufrieden. Die Mannschaft mit sich selber auch nicht. Aber wir konzentrieren uns auf unsere Dinge. Wie wir in Leipzig auftreten wollen und was uns wichtig ist.
Sky Sport: Wie hoch ist im Moment der Konkurrenzkampf bei Borussia Mönchengladbach? Der Trainer hat auf fast allen Positionen Alternativen? Wie wirkt sich das aus? Es gibt ja viele, die um ihre Positionen kämpfen müssen?
Sommer: Ja, das ist förderlich und auch spürbar. Das ist ein Riesen-Plus im Moment, dass wir einen so großen Kader haben. Und dadurch haben wir eben viele Möglichkeiten. Jede Position ist sicher zwei oder dreimal besetzt. Das gibt uns viel Power. Das ist wichtig, wenn man so eine lange Saison hat. Da muss man cool bleiben und sich als Spieler vielleicht auch ein bisschen zurücknehmen, um dann fürs Team erfolgreich zu sein. Wir haben auf der Bank so viel Qualität. Das ist auf jeden Fall ein Plus. Da können wir dann noch einwechseln, in der 60. oder 70. Minute. Das gibt uns nochmal einen extremen Push in gewissen Spielen.
Sky Sport: Wir haben eben schon darüber gesprochen, wie wichtig es ist, im Verein die entsprechende Rückendeckung zu haben. Es gibt natürlich jetzt ein Thema über das in Fußball-Deutschland diskutiert wird und das ist der Wechsel von Alexander Nübel zu den Bayern. Wie sehen Sie diesen Wechsel? Und wie wichtig ist es, als Torhüter kontinuierlich zu spielen? Würden Sie sich auch auf die Bank setzen, um dann abzuwarten, die Nummer eins zu werden?
Sommer: Oh, das ist ganz ganz schwierig. Jeder Torhüter geht seinen eigenen Weg. Jeder Torhüter plant seine Karriere. Da kann ich immer nur von mir sprechen. Ich habe auch ein Jahr die Nummer zwei beim FC Basel gemacht. Das war für mich damals in der Situation die richtige Entscheidung. Die Situation in München mit Schalke geht mich nichts an. Das sind alles gute Torhüter. Die werden sich alle viele Gedanken über ihre eigene Karriere gemacht haben. Und darum liegt es nicht an mir, das zu beurteilen. Meinen Weg habe ich so gewählt. Das kann ich beeinflussen.
Sky Sport: Bekommen Sie eigentlich Druck von ihrer Nummer zwei Tobias Sippel? Die Rollen sind doch eigentlich klar verteilt.
Sommer: Ne, ich habe auf jeden Fall Druck. Das wollte ich vorhin auch sagen. Natürlich haben wir hier auch Konkurrenz. Auch für meine Position. Das ist auch wichtig. Da sind zwei sehr gute Torhüter hinten dran. Klar, sie unterstützen mich auch. Das ist wichtig für mich. Aber es ist natürlich auch eine Konkurrenzsituation. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis untereinander. Und wir pushen uns gegenseitig. Jeder muss die Leistung am Wochenende zeigen. Und natürlich auch ich.
Sky Sport: Was erwarten Sie denn jetzt von sich und von der Mannschaft im Spiel gegen Leipzig?
Sommer: Einfach das wir mit sehr viel Mut auftreten. Dass wir dieses Gefühl, dass wir uns zuletzt geholt haben mit diesem Sieg, dass wir das mitnehmen. Dass wir mit einer großen Power nach Leipzig fahren und dort probieren, sehr erfolgreich zu sein.
Sky Sport: Können Sie es nachvollziehen, dass nach dem Schalke-Spiel einige skeptisch waren und sich Sorgen um Borussia Mönchengladbach gemacht haben, dass es wie in der Vorsaison nicht mehr so gut laufen wird? Wie gehen Sie mit diesen Stimmungsschwankungen um? Und welche Rolle kann Borussia Mönchengladbach spielen?
Sommer: Ich gehe damit ganz relaxt oben. Klar durch diesen Sieg gegen Mainz sind wir wieder in einer Top-Situation. Aber es ist auch nicht alles gut. Wir haben eine super Vorrunde gespielt. Klar haben wir einen schlechten Rückrundenstart mit dem Spiel gegen Schalke gehabt. Deswegen war der Sieg gegen Mainz wichtig. Aber wir sind in einer sehr guten Situation. Das dürfen wir nicht vergessen. Der Coach hat mal gesagt, dass wir auch so auftreten müssen, mit dem Selbstbewusstsein der Vorrunde. Wir haben jetzt 38 Punkte. Das ist sehr ordentlich. Jetzt geht es weiter. Wir wollen mehr Spiele gewinnen. Dafür brauchen wir das Vertrauen. Dafür brauchen wir das gute Gefühl. Und wir brauchen vor allen Dingen viel Power und Mut in den entscheidenden Spielen.
Sky Sport: Es gibt ja immer noch so ein paar Zweifler. Wie sehen Sie das? Ist Borussia Mönchengladbach eine Spitzenmannschaft?
Sommer: Zweifler gibt es immer. Spitzenteam hin oder her. Wir sind an der Spitze dran. Ja, wir haben viel Qualität! Und mehr muss man dazu gar nicht sagen. Wir wollen einfach Spiele gewinnen. Und Zweifler hat man immer im Leben.