Der Kampf um die Deutsche Meisterschaft ist um ein diskutables Kapitel reicher! Schiedsrichter Sascha Stegemann steht nach der Partie zwischen dem VfL Bochum und Borussia Dortmund in der Kritik. Sky hat die Situationen zusammen mit Schiri-Experte Alex Feuerherdt analysiert.
Borussia Dortmund ist nach dem 1:1 im Freitagabendspiel gegen den VfL Bochum vor allem eines: wütend! Gilt die Wut sicherlich auch den eigenen, zahlreich verpassten Chancen, zielt sie vor allem auf die Performance von Schiedsrichter Sascha Stegemann ab. Mit drei Entscheidungen ist man beim BVB ganz und gar nicht zufrieden. Sky hat die Situationen gemeinsam mit Schiedsrichter-Experte Alex Feuerherdt von Collinas Erben analysiert.
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1. Aufreger: Der Zweikampf zwischen Can und Hofmann vor Bochums 1:0
Was war passiert? In der Entstehung des 1:0 durch Anthony Losilla kommt es im Mittelfeld zum Luftduell zwischen Dortmunds Emre Can und Bochums Philipp Hofmann. Der Bochumer entscheidet das Duell am Ende für sich, weil Can nicht richtig in den Zweikampf kommt. Grund dafür ist ein Impuls durch Hofmann in den Rücken des Dortmunders. Stegemann ließ weiterlaufen. "Ein Impuls, wie er in Zweikämpfen häufig vorkommt", erklärt Schiedsrichter-Experte Alex Feuerherdt im Gespräch mit Sky und sieht in dieser Situation keine Fehlentscheidung. "Wenn der Schiedsrichter die Situation abpfeift, dann hat man ein Argument dafür", der Impuls sei schließlich da. Er ist aber gering. "Man kann in keinem Fall von einem klaren Stoßen sprechen, das den Videoassistenten zwingen würde, jetzt einzugreifen", so Feuerherdt.
Hinzu komme, dass Stegemanns Spielauslegung im körperbetonten Derby generell großzügig war. "Viele fanden das Spiel intensiv und spektakulär. Das lag auch daran, dass Stegemann relativ viel in den Zweikämpfen zugelassen hat. Das ist von beiden Mannschaften angenommen worden." Dementsprechend sei dies kein Körperkontakt gewesen, der zwingend hätte abgepfiffen werden müssen. "Insofern ist Stegemanns Entscheidung in Ordnung und es ein reguläres Tor."
2. Aufreger: Danilo Soares grätscht Karim Adeyemi im Strafraum um
Was war passiert? In der 65. Minute bekommt Karim Adeyemi im Bochumer Strafraum den Ball zugespielt. Er stellt sein rechtes Bein raus, um den Ball mit seinem linken Fuß anzunehmen und weiterzuverarbeiten. In diesem Moment kommt Bochums Danilo Soares von hinten und grätscht dem BVB-Angreifer ohne Chance auf den Ball in die Parade. Stegemann lässt weiterlaufen. Auch Videoassistent Robert Hartmann greift nicht ein. Eine Fehlentscheidung, findet Feuerherdt.
"Das ist ein Strafstoß", so der Schiedsrichterlehrwart. "Die Frage ist, warum gibt er ihn nicht und warum greift der Videoassistent nicht ein?" Der Schiedsrichter-Experte hat eine Erklärung parat: "Wenn man sich mal anschaut, wie Adeyemi in den Zweikampf geht, sieht man, dass er sein rechtes Bein unnatürlich weit rausstellt. Das ist eine Verhaltensweise, die bei den Stürmern in den vergangenen Jahren häufiger zu beobachten ist. Es ist der Versuch einen Strafstoß zu ziehen. Man stellt im Laufen oder im Stehen ein Bein raus und hofft, dass der Gegner genau dort hintritt."
Dieses Zweikampfverhalten erschwere es dem Schiedsrichter, den darauffolgenden Kontakt zu bewerten. "Man muss aber klar sagen, so wie Soares in den Zweikampf geht, ist das völlig ungestüm. Das ist ein Foulspiel, auch wenn Adeyemi durch das Rausstellen des Beins den Kontakt gesucht hat. Soares spielt den Ball nicht und trifft nur Adeyemi. Das ist nicht der Versuch, mit einem kontrollierten Tackling an den Ball zu kommen."
Feuerherdt sieht in dieser Situation vor allem den VAR in der Verantwortung, der müsse dem Schiedsrichter den Hinweis geben, dass er sich die Situation noch einmal anschaut. "Da würde ich Stegemann deutlich in Schutz nehmen. Wenn das seine Feldwahrnehmung ist, dann geht er zum Monitor, wenn der Videoassistent sagt: 'Du, das sieht echt heftig aus. Guck's dir an.'"
Dass Videoassistent Hartmann nicht eingegriffen hat, hält Feuerherdt für falsch in dieser Situation. "Er hätte eingreifen müssen. Dass er das nicht getan hat, erklärt sich für mich nur, dass er das Rausstellen des Beins von Adeyemi als Versuch gewertet hat, einen Strafstoß zu ziehen und er die Entscheidung Stegemanns keinen Strafstoß zu geben als keine klare Fehlentscheidung gewertet hat. Eine andere Erklärung kommt für mich nicht in Betracht."
Update: Der DFB äußerte sich mittlerweile in einer Stellungnahme zu der Adeyemi-Soares-Situation und sieht ebenfalls eine Fehlentscheidung: "Das ist ein Foul und somit ein Strafstoß, wie es auch die TV-Bilder belegen. Die Erwartungshaltung muss bleiben, dass solche Vorgänge vom Schiedsrichter auf dem Platz richtig entschieden werden, ohne dass eine Unterstützung durch den Video-Assistenten notwendig wird", hieß es in der Stellungnahme.
3. Aufreger: Erhan Masovic bekommt im Strafraum den Ball an den Arm
Was war passiert? Bochum kann den Ball kurz vor Ende der regulären Spielzeit nach einer Ecke nicht aus dem Strafraum klären. Irgendwann kommt Niklas Süle an den Ball, trifft diesen aber nicht richtig und leitet den Ball in Richtung Erhan Masovics. Der VfL-Verteidiger befindet sich gerade in einer Grätsche zum Ball, um diesen zu blocken, bekommt ihn jedoch an den linken Arm, der im Fallen Richtung Boden zeigt, diesen aber nicht berührt. Strafstoß? Nein, entscheidet Schiedsrichter Stegemann. Zum Unverständnis der Dortmunder.
Hier müsse laut Feuerherdt zuerst eine Begrifflichkeit geklärt werden. Vom "Stützarm", der in diesem Zusammenhang häufig erwähnt wird, rede man in Schiedsrichterkreisen gar nicht mehr. Im Fachjargon ist es der "Abfangarm". "Stützarm" beinhalte immer den Eindruck, dass man sich abstütze und der Arm schon den Boden berühre. Beim "Abfangarm" ist jedoch eher die Intention enthalten, dass jemand einen Sturz abfangen wolle. So wie Masovic gegen Bochum.
"Entscheidend ist in dieser Situation: Was hat Masovic mit seinem Arm vor?", so Feuerherdt. "Er hat nichts anderes vor, als damit den Sturz abzufangen und sich danach damit abzustützen. Wenn es währenddessen oder danach zu einem Handspiel kommt, dann ist das nicht strafbar. Das ist hier keine Armhaltung, die zwingend als strafbar zu bewerten ist."
Warum hat sich Stegemann bisher nicht geäußert?
Dass sich Schiedsrichter Stegemann bisher nicht zu seinen Entscheidungen geäußert hat, wird ihm aktuell kritisch ausgelegt. Schiedsrichter-Experte Feuerherdt hat Verständnis dafür: "Das muss der Schiedsrichter für sich entscheiden. Es gibt auch mal Spieler, die sich nach Spielen in denen sie Fehler gemacht haben, die den Ausgang des Spiels beeinflusst haben, nicht äußern wollen. Dazu kann man niemanden zwingen. Es trägt aber natürlich zur Aufklärung bei."
Anders als Trainer, die sich zum Beispiel auf den Pressekonferenzen stellen müssen, sind Unparteiische nicht dazu verpflichtet. "Dass ein Schiedsrichter mal sagt, 'ich muss das erstmal sacken lassen, muss mir das in Ruhe anschauen und mit dem Videoassistenten sprechen, das kann ich nachvollziehen." Man müsse dem Schiedsrichter zugestehen, dass er sich das Ganze auch erstmal durch den Kopf gehen lassen müsse.
Stegemann hat Sky bereits für ein Interview im Laufe des Samstags zugesagt.