Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne "HAU DAS DING RAUS" auf die aktuellen Ereignisse im Fußball. In der neusten Ausgabe schaut Töllner auf den Transfer-Coup des SC Paderborn mit der Verpflichtung von Max Kruse.
Natürlich ist seine Akte prall gefüllt. Aber was für eine Akte ist das denn überhaupt? Geht es da tatsächlich um Skandale? Oder möglicherweise eher um eine - gewiss amtliche - Anzahl von Konventions-Missachtungen? Ins auf Taille geschnittene Korsett des Profi-Fußballs aus geschriebenen und ungeschriebenen Regeln hat Max Kruse noch nie reingepasst. Das hat viele Vereinsverantwortliche eine Menge Nerven gekostet. Die Kunst des Verbiegens gehört in der Branche schließlich genauso zur Basis-Ausstattung wie Dribbelstärke und Passschärfe.
Wer die Stromlinie konsequent und dienstbeflissen hält, hat gute Chancen eine anständige Karriere hinzulegen - womöglich sogar als feste Größe in der Nationalmannschaft. Aber - Moment mal. Da war doch was. Der eklatante Niedergang des deutschen Fußballs hat möglicherweise nicht zuletzt damit zu tun, dass es an mutigen Individualisten mangelt, die in den Knackpunkt-Momenten darauf pfeifen, was das Lehrbuch gesetzlich festgelegt hat. Vom fehlenden Unterhaltungsfaktor mal ganz abgesehen.
Kruse steht für Kreativität und Spaß
Nicht mal Kruse selbst wird wohl behaupten, dass er in allen Fällen während seiner inzwischen 16 Jahre andauernden Profi-Karriere das richtige Maß eingehalten hat. Und doch taugt der Freigeist ganz sicher als Influencer für mehr Kreativität, Risikofreude - und Spaß. Mehr Demokratie wagen, hatte Bundeskanzler Willy Brandt 1969 als Leitlinie ausgegeben. Mehr Kruse wagen - das scheint nach Lage der Dinge eine Strategie zu sein, die sich auch über die ostwestfälischen Grenzen hinaus, als zielführend erweisen könnte.
Der DFB kann davon nicht mehr profitieren. In Paderborn werden die Aussichten auf einen Extraschuss Klasse und nen kräftigen Schluck Strahlkraft derweil als außerordentlich positiv bewertet. Dass Kruse kürzlich seinen 35. Geburtstag gefeiert hat, erscheint den Verantwortlichen dabei keineswegs als unüberwindbare Hürde - vermutlich zu Recht. Der Offensiv-Künstler hat auch mit 25 schon gerne Nutella gegessen.
Sichtbare Einschränkungen bei seinem linken Zauberfuß hatte das damals schon nicht zur Folge. Die ohnehin ziemlich gut geölte Angriffs-Maschine der Ostwestfalen wird also mit einiger Wahrscheinlichkeit um ein Zahnrad ergänzt, das sich in der passenden Situation in eine Richtung dreht, die der Gegner nicht vorhersehen kann.
Ohne Disziplin wird es natürlich nicht funktionieren können. Die Richtgröße ist dabei aber ganz sicher nicht das militärische Befehls- und Gehorsam-Prinzip. Lukas Kwasniok vermittelt den Eindruck eines pragmatischen Regelhüters. Wer das Gefüge nicht belastet, darf auch gern mal nach Mitternacht schlafen gehen. Bei Trainern, die ihn nicht ständig am Halsband gezogen haben, hat Kruse zumeist verlässliche Effektivität geliefert, von der die Mannschaft profitiert hat.
Auch die Gattin hat Sendungsbewusstsein
Seine Tore und Vorlagen sichern auch den Mitspielern die Prämie. Dass es - wie zuletzt in Wolfsburg - zu Ego-Kollisionen mit den Platzhirschen kommt, ist in Paderborn einigermaßen stabil auszuschließen. Das Team hat keine Stars, die ihren Platz an der Sonne an den neuverpflichteten Aufmerksamkeits-Erreger abtreten müssten. Nicht auszuschließen, dass Familie Kruse ab und an die Medienabteilung des SCP in Aufruhr versetzen wird.
Auch Gattin Dilara mangelt es schließlich bekanntermaßen nicht an Sendungsbewusstsein. Die Kosten-Nutzen-Rechnung des Vereins UND der Stadt dürfte unter dem Strich aber eine stabile schwarze Zahl ergeben. Das Glamour-Paar zieht in Kürze in eine solide Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnung in Paderborn. Kurzer Arbeitsweg, um optimale Leistungen auf dem Platz abzurufen. Und viel Zeit, um nicht nur die Fußball-Welt mit privaten Einblicken zu unterhalten.
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