Zweikampf um die Schale, ein schwächelnder FC Bayern und Spannung bis zum Schluss! Torsten Frings ist sowohl für Borussia Dortmund als auch den deutschen Rekordmeister aktiv gewesen und gibt im exklusiven Interview mit skysport.de seine Meisterprognose ab.
Der 79-malige Nationalspieler nimmt zudem die Baustellen der Münchner unter die Lupe und analysiert den frühzeitigen Exit zahlreicher FCB-Fans nach der 1:3-Pleite gegen RB Leipzig. Außerdem spricht er über sein Wunschszenario bei Jude Bellingham und erörtert, wie die Bayern nach der Saison mit Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic verfahren sollen.
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skysport.de: Guten Tag, Herr Frings. Wenn Sie an einen 34. Spieltag aus ihrer aktiven Karriere zurückdenken - an welchen denken Sie?
Frings: Der emotionalste 34. Spieltag war für mich in meiner letzten Saison 2010/11, als wir in Kaiserslautern gespielt und leider verloren haben. Es war mein letztes Bundesligaspiel und der Abschied von Werder Bremen. Das bleibt natürlich in Erinnerung.
skysport.de: Emotional war auch das Saisonfinale 1999/2000, als Bayer Leverkusen die Meisterschaft in Unterhaching verspielte und die Bayern mit einem Sieg gegen Bremen triumphierten. Sie standen bei Werder in der Startelf. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Tag?
Frings: Da fällt einem sofort das Unglück von meinem Kumpel Michael Ballack und die eine Riesenchance für Leverkusen ein. Bayern hat eigentlich in dem Spiel von Anfang an gezeigt, dass sie alles dafür tun werden, das Spiel zu gewinnen. Wir waren relativ chancenlos und haben da relativ schnell ein paar Gegentore kassiert. Eigentlich wollten wir den Bayern ein Bein stellen, haben es damals aber leider nicht geschafft.
skysport.de: Auch in diesem Jahr spitzt sich das Titelrennen langsam aber sicher zu - das Momentum liegt aufseiten des BVB. Wie würden Sie den diesjährigen Meisterkampf beschreiben?
Frings: Es ist ein Jahr, von dem eigentlich alle träumen oder alle Spitzenmannschaften von reden: Wenn die Bayern Probleme haben, müssen wir da sein. Dieses Jahr war es soweit und dieses Jahr war eine Mannschaft zur richtigen Zeit topfit, um die Schwächephase der Bayern auszunutzen.
skysport.de: Was hat der BVB in diesem Jahr besser gemacht als der FC Bayern?
Frings: Der BVB hat sich jetzt in der Rückrunde gefangen, ihre Leistungen stabilisiert und weniger Spiele aus der Hand gegeben. Sie haben ihr Ding durchgezogen und dann eben diese Schwächephase, die sicherlich nicht normal für den FC Bayern ist, eiskalt ausgenutzt. Jetzt haben sie es am letzten Spieltag selbst in der Hand. Das ist für Borussia Dortmund überragend. Aber natürlich auch für den deutschen Fußball schön, wenn da Mal ein bisschen Abwechslung reinkommt.
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skysport.de: Welchen Anteil daran hat Trainer Edin Terzic?
Frings: Mit Sicherheit einen sehr großen. Terzic hat schon in seiner ersten Phase mit dem BVB den Pokal gewonnen. Man merkt in jedem Interview, dass er Dortmunder durch und durch ist und diesen Verein wirklich im Herzen trägt. Von daher freue ich mich natürlich, dass er es geschafft hat, diese dominante Phase des FC Bayern München (vielleicht) zu durchbrechen. Noch ist es ja nicht so weit. Es ist ein Spieltag zu gehen und da kann wirklich noch alles passieren. Aber zumindest haben sie es in eigener Hand. Wenn sie es jetzt am Ende nicht schaffen, wird die Enttäuschung riesengroß sein. Das darf den Dortmundern auf keinen Fall passieren.
skysport.de: Welcher Spieler hat Sie auf diesem Weg am meisten überrascht?
Frings: Ich bin ein großer Fan von Julian Brandt. Er ist ein Top-Spieler und macht den Unterschied mit Sachen, mit denen keiner rechnet. Aber auch Sebastien Haller, der nach seiner schweren Krankheit eben jetzt auch gerade zum Ende der Saison wieder in Topform ist und in den entscheidenden Spielen seine Tore macht.
skysport.de: Welche Bedeutung hat die Rückkehr von Sebastien Haller für das Spiel der Schwarz-Gelben?
Frings: Schon eine sehr große. Er war der Königstransfer im Sommer und dann ist leider das Schlimme passiert mit seiner Diagnose. Da hat der Verein ihm auch super den Rücken gestärkt und ihm die nötige Zeit gegeben. Am Ende des Tages ist es natürlich immer wichtig, dass man einen absoluten Torjäger hat. Das ist vielleicht auch so ein Stück weit, was dem FC Bayern nach dem Lewandowski-Abgang fehlt.
skysport.de: Ist das Ihrer Meinung nach der größte Fehler von Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn gewesen?
Frings: Das ist natürlich die Hauptposition, die fehlt. Eric-Maxim Choupo-Moting sprang phasenweise ein. Ein Kaliber wie Lewandowski ist er aber nicht. Das hat Bayern, glaube ich am meisten gefehlt: Jemand, der gerade in engen Spielen das entscheidende Tor macht und zur Stelle ist.
skysport.de: Wo sehen Sie personell weitere Baustellen bei den Münchnern?
Frings: Man hat sich sicherlich auch mehr von Sadio Mane versprochen. Dabei muss man aber auch einfach sagen, dass er ein bisschen Verletzungspech gehabt hatte und dadurch sicherlich nicht seine Topleistung abrufen konnte. Dazu hatte man in diesem Jahr das Gefühl, dass Bayern auch hinten in der Abwehr nicht so stabil ist. Auch da hat es meiner Meinung nach ein Stück gefehlt. Das ist allerdings auch durch die Verletzung von Lucas Hernandez geschuldet. Im Grunde genommen hat Bayern einen super Kader, konnten ihn aber über lange Zeit nicht voll ausnutzen.
skysport.de: Nagelsmann musste gehen, weil die Bosse die Ziele in Gefahr gesehen haben. Mit Tuchel sollte alles besser werden. Jetzt droht eine Saison ohne Titel. Die Fans sind sauer. Zahlreiche Zuschauer haben das Stadion gegen RB Leipzig schon vor Spielende verlassen. Haben Sie dafür Verständnis?
Frings: Natürlich sind die Fans auch ein bisschen verwöhnt. Man kennt solche Phasen, dass man solche Heimspiele so klar verliert, nicht. Es war einfach eine pure Enttäuschung und sicherlich auch eine kleine Abrechnung mit den Spielern, dass man über das gesamte Jahr nicht mit ihren Leistungen zufrieden war. Und zu Nagelsmann und Tuchel muss einfach gesagt werden: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich nur daran lag, dass man auf Platz zwei abgerutscht ist. Ich bin gespannt, was da noch ans Licht kommt. Ja, von Thomas Tuchel hat man sich mehr erhofft. Man war noch in allen drei Wettbewerben drinnen, jetzt am Ende hat man keinen gewonnen. Das ist eben alles andere als bayerntypisch. Aber es ist auch immer schwer, gerade in so einer Phase eine Mannschaft zu übernehmen.
skysport.de: Schon unter Nagelsmann ließen die Bayern Kontinuität vermissen. Was fehlt denn den Bayern-Stars aktuell?
Frings: Ich glaube, dass es ein Stück weit an Frische fehlt. Man merkt, dass vielleicht auch die Kraft nicht mehr 100 Prozent da ist. Es fand eben auch eine WM zu einer komischen Zeit statt. Das waren die Spieler so auch nicht gewohnt. Dortmund hatte das Problem auch, aber sicherlich nicht mit so vielen Spielern. Das könnte ein Grund sein, weshalb die körperliche Verfassung am Ende des Tages nicht mehr bei 100 Prozent war. Ich kann mir das jetzt persönlich nicht vorstellen, als Spieler mitten in der Saison quasi abzubrechen, dann eine WM zu spielen, dann in Urlaub zu fahren und dann sofort wieder auf höchstem Niveau zu sein. Das ist glaube ich schon schwer für die Spieler. Auch vom Kopf her, das von der Mentalität zu wuppen.
skysport.de: Was muss Ihrer Meinung nach bei den Bayern passieren?
Frings. Da wird es einen Umbau geben. Man kennt das aus der Vergangenheit, wenn Bayern nicht erfolgreich war. Dann wird danach aufgeräumt und da wird auch alles hinterfragt. Die Bayern werden in diesem Sommer sehr viel Geld ausgeben. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass ein absoluter Top-Stürmer verpflichtet wird. Er wird nachgewiesen haben, dass er Tore ohne Ende schießen kann. Dann werden die Bayern bestimmt noch mal das Mittelfeld verstärken und auch etwas für die Abwehr machen. Ich glaube, dass mehr Erfahrung kommen wird.
skysport.de: Im Mittelfeld gilt West Hams Declan Rice nach Sky Informationen als Wunschspieler von Trainer Thomas Tuchel. Die Konkurrenz im Mittelfeld ist mit Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Ryan Gravenberch ohnehin groß. Wäre Rice dennoch ein Spieler, der die Bayern noch einmal auf ein neues Level heben könnte?
Frings: Du brauchst halt einen, der gut im Spielaufbau ist, der viel den Ball haben will, aber auch wirklich nur die Defensive im Kopf hat und sich darum kümmert, dass die Balance stimmt. Das hat den Bayern in dieser Saison gefehlt. Kimmich ist für mich ein Weltklassespieler. Aber er ist auch einer, der die Offensive permanent ankurbeln will und dann vielleicht im entscheidenden Moment nicht da ist, um die Löcher zu stopfen. Die Bayern werden definitiv einen Spieler verpflichten, der beides kann.
skysport.de: Sie kennen Oliver Kahn auch eine Weile: Wie sehr nimmt ihn denn die Diskussion auch um seine Person mit?
Frings: Ja, das nimmt ihn sehr mit. Oli ist Bayern München - zu 100 Prozent - und das schon immer gewesen. Es gibt wenige Spieler in der Historie der Bayern, die das so verkörpert haben wie hier. Trotzdem ist es für mich auch immer zu einfach, da den Hebel anzusetzen. Klar, das sind die Bosse. Die müssen Entscheidungen treffen. Die haben das auch zu verantworten. Aber am Ende des Tages kommt mir da so eine Mannschaft zu leicht weg. Sie spielen, verdienen alle sehr viel Geld und haben auch den Anspruch, Spieler des FC Bayern zu sein. Und wenn du ein Spieler vom FC Bayern München sein willst, dann musst du dementsprechend Leistung bringen. Und die hat dieses Jahr nicht gepasst.
skysport.de: Glauben Sie, dass sowohl Salihamidzic als auch Kahn im nächsten Jahr noch eine Chance bekommen und weiterhin im Amt bleiben?
Frings: Ja, das glaube ich schon. Das sind zwei Personen, die auch eine sehr, sehr gute Vergangenheit beim FC Bayern hatten und wirklich das FC-Bayern-Gen verkörpern. Also da überlegt man sich das drei, vier Mal, bevor man reagiert. Man sollte beiden noch eine Chance geben. Salihamidzic ist ja schon länger dabei. Ich kann mich auch noch erinnern, dass er vor drei Jahren mega gefeiert worden ist, weil Bayern auch dank seiner Transfers die Champions League gewonnen hat. Man sollte den beiden auch nach einem schlechten Jahr noch einmal die Möglichkeit geben, es besser zu machen.
skysport.de: Zurück zu Borussia Dortmund. Jude Bellingham hat in Augsburg zwar verletzt gefehlt, spielt sonst aber eine überragende Saison. Sehen Sie Parallelen: Wie viel Torsten Frings steckt in Jude Bellingham?
Frings (lacht): Das weiß ich nicht, keine Ahnung. Das müssen andere beurteilen.
skysport.de: Spannend dürfte seine Zukunftsfrage allemal werden - vor allem im Sommer: Real Madrid, Manchester City oder Borussia Dortmund: Was würden Sie dem 20-jährigen Engländer raten?
Frings: Der BVB ist auch eine absolute Spitzenmannschaft, ganz besonders, wenn man jetzt Deutscher Meister wird. Es kann natürlich sein, dass er dann für sich alles beim BVB erreicht hat und den nächsten Schritt gehen will. Ich persönlich würde mich freuen, wenn er noch bleibt. Es wäre sicherlich nicht verkehrt, sich bei einer so guten Mannschaft wie Borussia Dortmund weiterzuentwickeln. Dort bist du wirklich der Star und darfst Verantwortung übernehmen. Es ist wichtig, vom Kopf her noch weiter zu wachsen, bevor man dann wirklich den großen Schritt zu einem Verein wie Real Madrid geht. Auf der anderen Seite ist es für einen Spieler auch immer schwer, zu einem solchen Verein nein zu sagen. Daher bin ich selbst gespannt. Wenn er geht, wird Dortmund sehr, sehr viel Geld bekommen und dieses nutzen, um die Mannschaft weiter zu verstärken.
skysport.de: Lässt sich der BVB die Meisterschale am 34. Spieltag im Saisonfinale gegen Mainz 05 (live und exklusiv auf Sky Sport Bundesliga und in der Original Sky Konferenz) noch nehmen?
Frings: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Gerade auch, weil sie zu Hause spielen. Sie werden so gepusht werden, müssen aber aufpassen, nicht zu überpacen. Aber so wie die Jungs gerade drauf sind, glaube ich nicht, dass sie etwas anbrennen lassen.
skysport.de: Also große Party am Borsigplatz?
Frings: Große Party, ja.
Das Interview führte: Nico Ditter
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