Ja, es ist Real Madrid. Und ja, es ist Borussia Mönchengladbach. Doch in diesem außergewöhnlichen Fußball-Jahr müssen die Königlichen Angst vor den Fohlen aus Lostopf vier haben - denn diese werden das Rennen machen. Und das hat seine Gründe. Ein Mutmacher für alle, die es mit den Gladbachern halten.
Der Name Real Madrid ist unzertrennlich mit dem Erfolg verknüpft. Sieben Mal konnten die Spanier die Champions League gewinnen (sechs Mal zudem den Europapokal der Landesmeister), so oft wie kein anderer Verein. Auf dem zweiten Platz steht Erzrivale Barcelona, mit gleich drei CL-Triumphen weniger.
In der Geschichte der Königsklasse sind die Königlichen, die diesen Wettbewerb dominiert und geprägt haben, noch nie in der Gruppenphase ausgeschieden. Es wartet also eine komplett neue Erfahrung auf die Mannschaft von Star-Trainer Zinedine Zidane, wenn der Worst Case am Mittwoch zum ersten Mal eintreten wird.
Real kann das eigene Selbstverständnis nicht tragen
Für die Madrilenen steht fest, dass Scheitern keine Option ist. Der Klub ist bisher immer ins Achtelfinale gekommen - daran wird sich auch in 100 Jahren nichts ändern. Soweit die Theorie. Oder Einstellung. Ein gewaltiges Selbstverständnis, das selbst das bayrische "Mia san mia" in den Schatten stellt. So gewaltig, dass die aktuelle Mannschaft des Rekord-Champions diesen Spirit gar nicht tragen kann.
In den vergangenen vier Liga-Spielen erbeuteten die Hauptstädter ebenso viele - beziehungsweise wenige - Punkte. Das Auftreten? Alles andere als königlich. Kein ¡Hala Madrid!, kein Hurra-Fußball - nur die Attitüde stimmte, passte allerdings nicht zu den Ergebnissen. Die Hälfte der Heimspiele in La Liga verlor Madrid. Das Trainingsstadion "Alfredo di Stefano", in dem die Madrilenen aufgrund der Umbauarbeiten am ehrwürdigen Estadio Santiago Bernabeu spielen, ist weit davon entfernt, eine Festung zu sein.
Zugegeben: Mit Sergio Ramos kehrt Mister Sieger-Mentalität nach seinem Muskelfasereinriss wieder zurück und ist bereit, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken - doch auch der Matador steht vor einer für ihn neuen Situation. So groß war der Druck auf den Kapitän in 15 Jahren Champions League trotz einiger Finals selten. In der Gruppenphase noch nie.
Underdog-Rolle beflügelt den Ehrgeiz der Gladbacher
Tabellenerster? Ja. Favorit? Auf gar keinen Fall. Dass die Gladbacher in der Hammer-Gruppe mithalten können, hätten wohl die Wenigsten gedacht. Dass sie Real Madrid als Gruppensieger aus dem Wettbewerb schießen, niemand. Genau das macht die Mannschaft von Motivations-Meister Marco Rose so stark in dieser besonderen Champions-League-Saison. Man könnte es Trotz nennen, Unbeschwertheit oder einfach Spielfreude.
Hört man sich die Ansagen nach der verlorenen Partie gegen Inter Mailand an, von Christoph Kramer, Valentino Lazaro oder aber Rose selbst, spürt man das Feuer in Gladbach. Die Fohlen fliegen nach Madrid, um das erste Achtelfinale der eigenen Königsklassen-Geschichte klar zu machen. Koste es, was es wolle. Der Underdog wittert eine riesige Chance, während es für den Favoriten gilt, die größte Blamage der jüngeren Vereinsgeschichte abzuwenden.
Spielfreude der Fohlen wird Real überrumpeln
Wie die Rose-Elf diesen Erfolg nach Hause holen will, haben die bisherigen Spiele in der Champions League gezeigt. Schon im Hinspiel war Real mit der aggressiven Spielweise der Borussia überfordert. Keinen Respekt vor dem Gegner zeigen, Zweikämpfe voll annehmen und die Abteilung Attacke auf den gegnerischen Kasten richten.
Wenn das Tempo vom Gegner ausgeht, tut sich selbst das große Real schwer. Mit Angst und Defensiv-Fußball ist gegen diese Mannschaft wenig gewonnen. Aber da muss man sich bei den Herren um Alassane Plea, Marcus Thuram, Breel Embolo oder Lazaro keine Sorgen machen. Diese Fohlen lassen sich auf internationaler Bühne momentan nur schlecht zähmen oder gar einfangen.
Lerneffekt Inter: Eine Niederlage mit Vorzügen
Eine Spur abgezockter, dann wäre Gladbach wohl schon als Gruppenerster sicher in der K.o.-Phase. Denn ein Klassenunterschied war in den Duellen gegen Inter Mailand und Real Madrid beim besten Willen nicht zu erkennen. Dieser eröffnete sich erst in den jeweiligen Duellen der drei Teams mit Donezk - in denen Gladbach zwei Mal als glorreicher Sieger vom Platz Schritt. Das gelang den vermeintlichen Top-Teams der Gruppe nicht.
Die Niederlage gegen Inter hat allerdings schon kleine Unterschiede erkennen lassen. Im Spiel der Gladbacher hat noch ein Quäntchen Dreck gefehlt. Wenn es um Erfolge auf allerhöchstem Niveau geht, darf man sich nicht zu schade sein, den Gegner auch mal spüren zu lassen, dass man den Sieg um jeden Preis will. So unromantisch das klingen mag: Anders ist Real Madrid auch nicht zum Rekord-Sieger in diesem Wettbewerb aufgestiegen.
Doch die Gladbacher, denen auch das "Glück" gegen Inter ein wenig abhanden gekommen ist, um es diplomatisch auszudrücken und die Männer mit den Fahnen und vor den Monitoren nicht in Verruf zu bringen, werden aus der Niederlage gelernt haben. Zumindest eine Sache: Auch Vereinen wie Inter Mailand oder Real Madrid kann man ordentlich weh tun, wenn man sich clever anstellt. Und ob man in diesem Jahr gegen die Cleverness der Gladbacher wettet, sollte gut überlegt sein.
Das Spiel zwischen Real Madrid und Borussia Mönchengladbach am Mittwoch, ab 21:00 Uhr live auf Sky Sport 1 und mit Sky Ticket in der Original Sky Konferenz der Champions.