Sky Experte Didi Hamann analysiert in seiner Kolumne das Ausscheiden des FC Bayern im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Villarreal.
Der FC Bayern hatte im Hinspiel in Villarreal Glück, dass die Niederlage nicht höher ausgefallen war. Beim 1:1 im Rückspiel waren sie überlegen, hatten viel Ballbesitz im letzten Drittel, aber kaum Torchancen. Das Ausscheiden aus der Champions League war nicht unverdient.
Ein Grund für das Aus ist die Formschwäche von Leistungsträgern wie Kimmich, Müller, Sane und Gnabry. Goretzka konnte nach seiner Verletzung noch keine Akzente setzen.
Wenn du früher gegen Bayern gespielt hast, hast du nicht nur gegen elf Mann gespielt, sondern gegen einen ganzen Verein. Die Bayern haben sich immer durch ihre Geschlossenheit ausgezeichnet. Dieser Zusammenhalt, dieser Respekt untereinander, und diese Power, die sie immer erzeugen konnten, fehlen im Moment.
Führungsschwäche ist Bayerns größtes Problem
Das größte Problem ist die Führungsschwäche. Das begann mit der Jahreshauptversammlung im vergangenen Jahr, zuletzt ging es mit dem Wechselfehler weiter, als sie die Hauptverantwortung dem DFB in die Schuhe geschoben haben. Keiner übernimmt Verantwortung, und genauso spielen sie auch Fußball.
Eine Folge der Führungsschwäche ist die Ungewissheit. Man weiß noch nicht, wie es mit Lewandowski, Gnabry oder Müller weitergeht. Julian Nagelsmann muss all diese Dinge moderieren, auf die er aber gar keinen Einfluss hat. Darum würde ich den Trainer ein Stück weit in Schutz nehmen. Er musste sich zu Dingen äußern, die ihn nichts angehen, sondern Sache der Chefs sind. Das Verhalten der Verantwortlichen ist nicht professionell, und das spiegelt sich dann auch in der Mannschaft wider. Die Quittung dafür haben die Bayern gegen Villarreal bekommen.
Zum Durchklicken: Die Bayern-Noten gegen Villarreal
Im Moment schaut bei Bayern jeder nur auf sich
Ihre Abwehrprobleme hängen damit zusammen, dass man Spieler wie Alaba und Süle gehen ließ, bzw, gehen lässt. Die Spieler, die geholt wurden, machen Fehler und sind momentan bestenfalls Durchschnitt. Das ist auch in der Kabine Gesprächsthema und so, wie sie im Moment auftreten, kann ich mir vorstellen, dass es zwei oder drei Lager im Kader gibt.
Unter Hansi Flick hat sich jeder involviert und wichtig gefühlt, die Spieler haben sich untereinander geholfen. Im Moment schaut jeder nur auf sich. So entwickelst du auch nicht den Druck, den du brauchst, um ein Team wie Villarreal auszuschalten.
Die nächsten Transfers müssen sitzen
Man hatte fast alle Mann an Bord, und trotzdem hat es nicht zum Weiterkommen gereicht. Wenn ich mir nur mal die Transfers der letzten zwei Jahre anschaue, hat man für viel Geld Spieler wie Roca, Sarr, Cuisance und Sabitzer geholt, die kaum zum Einsatz kommen. Auf der Bank sitzen Leute, die der Trainer nur in Notsituationen einwechselt. Da haben die Münchner viel Geld in die Isar geschmissen, was gerade in Corona-Zeiten doppelt bitter ist. Die nächsten Transfers müssen sitzen.
Ich glaube nicht, dass die Bayern noch einen Spieler ablösefrei verlieren wollen. Dann muss man aber mit allen reden und auch einmal öffentlich ein Machtwort sprechen und sagen: Bis dahin und nicht weiter! Wenn jemandem das nicht reicht und er nicht mehr für den FC Bayern spielen will, dann soll er woanders hingehen. Die Bosse müssen wieder klare Kante zeigen und diese auch nach außen kommunizieren. Aber das passiert nicht und alles schwimmt nur so vor sich hin.
Lewandowskis Weggang wäre nicht das Schlechteste
Was die Zukunft von Lewandowski betrifft: Wenn er nach Barcelona will, dann wird er wahrscheinlich gehen. Wenn große Spieler gingen, war es zugleich immer auch eine Chance für andere. Vielleicht holt man dann nicht nur einen, sondern zwei oder drei Neue.
Lewandowski scheint dieses Mal mehr als in den vergangenen Jahren mit einem Wechsel zu liebäugeln. Ich glaube, dass es nicht einmal das Schlechteste für die Bayern wäre, wenn er ginge. Lewandowski wird 34, ich glaube schon, dass er noch ein Jahr lang seine Tore schießt. Aber ob er sein Niveau noch über zwei oder drei Jahre halten kann, weiß ich nicht. Vielleicht wäre es besser, die Mannschaft neu aufzustellen.
Ich bin nicht der größte Fan von Timo Werner, aber er würde in München auch seine 20 oder 25 Tore machen. Du brauchst einen gestandenen Spieler, der mit der Situation bei Bayern umgehen kann. Man muss schauen, was sie für Lewandowski bekommen sollten, und dann werden die Bayern schon einen Plan haben, wie sie weitermachen wollen. Aber es muss jetzt zeitnah etwas passieren, sie dürfen diese Sachen nicht weiter vor sich herschieben.
Bayerns Schwäche gibt Konkurrenz Hoffnung
Ich bin weit davon entfernt zu sagen, dass alles zusammenbricht, wenn Lewandowski geht. Dafür sind die Bayern einfach zu groß und dafür haben sie zu viele gute Spieler. Allerdings muss die neue Führung jetzt mal über ihren Schatten springen. Die Selbstfindungsphase muss endlich abgeschlossen sein. Oliver Kahn muss sich zu gewissen Themen zu Wort melden und verbal Akzente setzen!
Die Führungsschwäche und die damit verbundene Ungewissheit ist auch ein Problem für die Akquise neuer Spieler. Wenn früher die Bayern gerufen haben, ist man meistens dem Ruf gefolgt. Aber im Moment weißt du als Spieler gar nicht, wie es weitergeht, ob du nach München gehen willst oder sollst.
Die Bayern haben, gemessen an ihren Ansprüchen, sehr durchschnittliche Saison gespielt. Ihnen ist ihre Unbesiegbarkeit früherer Jahre - und auch aus der Anfangszeit unter Nagelsmann - abgegangen. Dies registrieren auch die anderen Vereine, und das könnte ihnen für die kommende Spielzeit Hoffnung geben.