Sky Experte Rene Adler spricht im Exklusiv-Interview mit Sky Sport über die bevorstehende Rückkehr von Manuel Neuer ins Bayern-Tor und nimmt Stellung zur Torwart-Situation und zur Kapitänsfrage in der deutschen Nationalmannschaft.
Grundsätzlich begrüßt Adler das bevorstehende Comeback von Manuel Neuer, auch wenn der Bayern-Keeper erst nächste Woche gegen Darmstadt wieder zwischen den Pfosten stehen soll:
"Das sind gute Nachrichten (für den FC Bayern), weil es jetzt absehbar ist, nach so langer Zeit des Wartens, dass der Kapitän zurückkommt. Es ist nicht nur irgendein Spieler, es ist der Kapitän und auch das Aushängeschild mit im deutschen Fußball. Du weißt, auf der anderen Seite, aber natürlich nie, in einem gewissen Alter mit dieser Schwere der Verletzung, ob und wie er dann zurückkommt."
Adler befürwortet, dass Neuer langsam wieder herangeführt wird und nach seinem Comeback auch einzelne Spiele aussetzt:
"Fakt ist irgendwann muss er mal diesen Sprung machen, muss wieder das erste Pflichtspiel machen. Es geht jetzt in englische Wochen. Dann kommt nicht nur die Belastung auf dem Platz, sondern kommen auch die Reisestrapazen und die Regeneration dazu - da nehme ich das Wort Belastungssteuerung gerne mal in den Mund, weil es nach so einer schwierigen, langwierigen Verletzung sehr wichtig ist, dass du richtig in dich reinhörst. Da auch das Gefühl zu haben: Es ist normal, dass man mal ein Spiel aussetzt, um dann wieder zwei zu machen. Das ist ein Prozess und der geht nicht von null auf 100 und da muss er langsam angeführt werden. Ich glaube, dass das der FC Bayern sehr gut handhaben wird."
Eine Rotation auf der Torhüter-Position hält Adler grundsätzlich für sinnvoll:
"Ich glaube, es ergibt immer Sinn, wenn du viel Wettbewerb hast. Das hat man in England noch mehr, weil du einen lokalen Wettbewerb mehr hast. Wenn du dann viele Nationalspieler und noch die internationale Belastung durch Nationalmannschaften hast, umso mehr. Die Frage ist nur, ob Manuel das so in der Form annimmt, weil er das nie musste und nie gelebt hat. Das steht und fällt wahrscheinlich auch mit Manu, wie er das annimmt. Ich kann mir vorstellen, wenn er topfit ist und das Gefühl hat, er kann jedes Spiel machen, dann will er auch jedes Spiel machen und das sei ihm gegönnt. Das ist vielleicht genau diese Art von Gier und Einstellung, die es braucht, um der Beste zu sein - über lange Zeit der Beste im Weltfußball im Tor zu sein. Nur ist auch Fakt, dass er jetzt auf seine Gesundheit ein Stück weit aufpassen muss. Dann ist es gut, wenn du als Verein weißt, dass du mit Sven Ulreich und Daniel Peretz andere Spieler hast, die auch können, die auch wollen. Für Trainer Thomas Tuchel ist wichtig, dass du jeden irgendwie bei Laune hältst. Da sind viele Bälle in der Luft, das ist ein Drahtseilakt. Aber wenn du Trainer des FC Bayern bist, dann musst du ganz andere Drahtseilakte managen."
Zweifel an der körperlichen Konstitution von Manuel Neuer hat Adler nicht:
"Es ist erstmal Fakt, dass du, wenn du aus einer Reha kommst, rein körperlich betrachtet fitter bist als vorher. Das ist immer ein Trugschluss, auch wenn du nicht mit der Mannschaft trainierst, du trainierst de facto in der Reha mehr - also vom rein vom quantitativen und qualitativen Umfang im Kraftraum, im Athletik-Bereich. Du bist eigentlich von der körperlichen Konstitution her fitter, wenn die Verletzung verheilt ist. Natürlich fehlen dir dann die fußballspezifischen Abläufe. Das ist eine Frage der Zeit. Meine Erfahrung ist, so war es bei mir immer, das ist aber auch typ-bedingt. Ich war nie jemand, der viel Anlaufzeit brauchte. Ich habe mein Debüt 2007 nach achtmonatiger Verletzungspause und einer oder anderthalb Wochen Training gemacht. Michael Skibbe hat damals gesagt: "Du spielst jetzt gegen Manuel auf Schalke." Das war mein erstes Spiel, weil Jörg Butt eine Rote Karte hatte. Ich kam auch aus acht Monaten Verletzungspause, da spielt sich viel im Kopf ab, das hat eine extrem hohe mentale Komponente. Dann ist es wichtig, dass du in eine Normalität reinkommst, dass du wieder Vertrauen in deinen Körper kriegst, dass du nicht bei jedem Ziepen in Angst verfällst, es könnte jetzt wieder irgendwo in Operationen münden und du könntest jetzt wieder Wochen und Monate ausfallen. Das ist ein normaler Prozess und es wird besser von Woche zu Woche und von jedem Training, was du mehr hast."
In der Nationalmannschaft sieht Adler ter Stegen trotz des bevorstehenden Neuer-Comebacks als klare Nummer eins - und den Bayern-Keeper in der Rolle des Herausforderers:
"Natürlich ist die Personalie Manuel Neuer eine besondere. Er ist verdienter Spieler. Dennoch sollte man einen gewissen Respekt gegenüber der Leistung von Marc-André ter Stegen zeigen. Ich bin der Meinung: Was soll dieser Junge noch machen? Er kommt aus einer herausragenden Saison beim FC Barcelona, hat mit 26 Zu-Null-Spielen, einen Rekord eingestellt, bei einem Klub wie dem FC Barcelona. Er ist bei Barca teilweise auch Kapitän und spielt in der Nationalmannschaft auch sehr gut und sehr solide. Ich finde, dass das eine Art Schein-Konkurrenzkampf bis zum jetzigen Zeitpunkt ist. Manuel ist noch nicht da. Wir wussten bis jetzt noch nicht, wann er genau zurückkommt, wir wissen schon gar nicht, wie er zurückkommt, in welchen Leistungsstand er zurückkommt. Wenn er zu seiner alten Leistung zurückfindet, natürlich ist er dann ein Thema und dann greift das Leistungsprinzip, wie bei jeder Position. Dann entscheidet im Endeffekt der Trainer. Aber aktuell ist ter Stegen nicht nur die temporäre, sondern die Nummer eins der deutschen Nationalmannschaft und Neuer, wenn er wieder da ist mit all seinen Verdiensten, erst einmal der Herausforderer. Aber wenn er besser ist, dann soll er bitte spielen."
Zur Kapitänsfrage beim DFB hat Adler eine klare Meinung und befürwortet auch nach der Rückkehr von Manuel Neuer, Ilkay Gündogan im Amt zu belassen:
"Wenn du glaubwürdig bleiben willst und so, wie man Julian Nagelsmann kennt, ist Ilkay Gündogan der Kapitän. So habe ich es verstanden, weil das auch eine Rolle ist, bei der du nicht immer hin und her switchen willst. Auch wenn du keine Binde hast, kannst du trotzdem Führungsspieler sein. Das wäre kein gutes Zeichen, wenn man die Binde oder ein Amt beansprucht, wenn man lange weg ist. Es geht darum, sein Land bei einer Heim-EM zu vertreten. Wenn du das kannst, dann ist doch völlig egal, ob du da ein Stück Stoff am Arm hast oder nicht."
Auf die Frage, ob Neuer bei der Heim-EM auf der Bank Platz nehmen könnte, zieht Adler einen Vergleich mit Oliver Kahns Situation vor der WM 2006:
"Das ist eine spannendere Frage. Die hatten wir 2006 schon mal in ähnlicher Konstellation. Wir wissen, wie das ausgegangen ist. Wir wissen auch, dass das gerade für Oliver Kahn sehr viel positive Credits gab. Dass das wahrscheinlich nicht immer ganz einfach war und er des Öfteren in die Bettkante gebissen hat, kann ich mir auch gut vorstellen. Aber hintenraus ist es für seine Außendarstellung und für ihn als Mensch, was er da gelernt hat, sich vielleicht auch mal zurückzunehmen und für die große Sache einzustehen - weil, wie sagt man so schön die Mannschaft steht über allem - ein sehr, sehr großer Lerneffekt, von meiner Außenperspektive. Es bleibt abzuwarten. Es bleibt spannend. Es ist schon eine etwas spannendere Frage, die ich nicht ganz so eindeutig beantworten kann, wie die Frage mit dem Fetzen Stoff am Arm."
Mit Rene Adler sprach Hannes Sude.
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