Der Tuchel-Hammer ist offiziell! Der ehemalige Bayern-Coach übernimmt ab 2025 das Ruder bei der englischen Nationalmannschaft. Ein gutes Match? Sky Sport nimmt die Pro- und Contra-Argumente genauer unter die Lupe.
PRO: Tuchel und England? Das passt perfekt!
Von Thorsten Mesch
Champions-League-Sieger, Supercup-Sieger und Klub-Weltmeister mit dem FC Chelsea, Welttrainer des Jahres 2021. Allein diese Titel und Auszeichnungen beantworten die Frage, ob Tuchel der Richtige für die englische Nationalmannschaft ist, mit einem klaren Ja.
Klar, Tuchel hat keine Erfahrung als Nationaltrainer. Aber die hatte Julian Nagelsmann auch nicht. Der Bundestrainer hat das DFB-Team wieder in Schwung gebracht, und das kann Tuchel in England auch schaffen. Die Gefahr, die Spieler im tagtäglichen Trainingsbetrieb zu überfordern oder zu nerven, besteht nicht.
Zu Kapitän Harry Kane hatte er schon in München eine sehr gute Beziehung. Dass es nicht zur Meisterschaft reichte, dürfte für beide eher eine zusätzliche Motivation sein. Bei Bayern, Chelsea, Paris Saint-Germain und Borussia Dortmund hat er aber unter Beweis gestellt, dass er Titel gewinnen kann. Außer in seiner Mainzer Zeit hat er bei seinen Trainerstationen auch mit Gegenwind zu kämpfen - und dennoch abgeliefert. Er muss in England keine Ära prägen. Wenn er in eineinhalb Jahren in New York den WM-Pokal in den Händen hält, fragt niemand mehr, mit wem er sich in Dortmund, Paris oder München überworfen hat.
England träumt seit 1966 von einem großen Titel. Mit Gareth Southgate haben es die Three Lions zweimal in ein EM-Finale geschafft. Tuchels taktischer Besteckkasten ist reicher bestückt als der von Southgate, der mit seinem Defensivfußball bei Fans, Experten und Medien für Kopfschütteln gesorgt hat. Tuchel ist in der Lage, den richtigen Mix aus Offensive und Pragmatismus auf den Rasen zu bringen.
Den Umgang mit der Boulevardpresse kennt er bereits aus seiner Londoner Zeit. Wenn er die volle Unterstützung des Verbands bekommt, kann er England zum WM-Titel führen. Die Mannschaft dazu hat er auf jeden Fall.
CONTRA: Tuchel ist nicht der richtige Coach für die Three Lions
Von Nico Ditter
Thomas Tuchel und die englische Nationalmannschaft? Das ist zum Scheitern verurteilt. Die Kritik der englischen Presse spricht bereits Bände: "Wir brauchen keinen Thomas Tuchel, sondern einen Patrioten, für den das Land an erster, zweiter und dritter Stelle steht", schrieb die Daily Mail. Nach Sven-Göran Eriksson (2001-2006) und Fabio Capello (2007-2012) wäre Tuchel der erst dritte Teammanager aus dem Ausland.
"Das bedeutet, dass die Nationalmannschaft von einem Trainer des größten Rivalen Englands geleitet wird, da zum ersten Mal ein Deutscher das Kommando übernimmt", haderte der Mirror.
Die Kritik ist schon jetzt groß - bevor das Abenteuer England überhaupt losgeht. Anlaufzeit kann und wird Tuchel nicht gewährt werden, dafür sind die Ansprüche der Three Lions einfach zu hoch, die Titelsehnsucht zu groß, die englische Boulevardlandschaft zu kritisch. Seit dem umstrittenen WM-Titel aus dem Jahr 1966 wartet England auf eine Trophäe. Ob Tuchel mit diesem Druck umgehen kann? Fraglich.
Der ehemalige Bayern-Coach konnte bislang nur als Vereinstrainer Erfolge feiern. Die Nationalmannschaftsbühne ist für ihn bis dato noch Neuland. Klar, Tuchel gilt als Meister der Taktik - aber kann er seine Spielphilosophie auch bei den wenigen Lehrgängen implementieren und im schwierigen englischen Boulevard-Umfeld bestehen? Fraglich. Tuchel steht nicht mehr jeden Tag auf dem Trainingsplatz, muss aber dennoch seinem Starensemble eine erfolgreiche Perspektive aufzeigen und Weltklasse-Profis wie Jude Bellingham und Harry Kane bei Laune halten.
Wichtig: Der 51-Jährige ist mit seiner Spielweise aufgefordert, eine ganze Nation hinter sich bringen. Daran scheiterte beispielsweise auch ein Gareth Southgate, der trotz zweier EM-Finalteilnahmen heftig in der Kritik stand. Die Engländer wollen Heavy-Metal-Fußball sehen - ein Spielstil in bester Klopp-Manier. Dafür steht Tuchel nur bedingt. Während seiner Zeit beim FC Chelsea erzielte sein Team in nur 20 von 100 Spielen mehr als zwei Tore. Manchester City (58 Mal) und der FC Liverpool (32 Mal) waren zum Beispiel im selben Zeitraum deutlich torgefährlicher. Beim FC Bayern zeigte er aber auch, dass er offensiv spielen kann (94 Tore in 34 Spielen). Diese Ausrichtung wird auch bei den Three Lions gefordert.
Mit besonderem Interesse dürfte sein Umgang mit den Funktionären des englischen Verbands verfolgt werden. Tuchel ist bekannt dafür, immer wieder mit höherrangigen Führungskräften aneinanderzugeraten: Die Dispute mit Leonardo bei Paris Saint-Germain, die Auseinandersetzungen mit Todd Boehly beim FC Chelsea und die Streitereien mit Uli Hoeneß beim FC Bayern. Die stark ausgeprägte englische Boulevard-Landschaft wird sich sicher auf den nächsten Knall freuen …
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