Lange Zeit war unklar, ob Jamal Musiala für Deutschland oder England spielen würde. Nach seinem famosen EM-Debüt für das DFB-Team gegen Ungarn könnte der Youngster nun im direkten Duell der beiden Nationen im Achtelfinale eine Hauptrolle spielen.
Von null auf hundert in acht Minuten plus Nachspielzeit. Nachdem Jamal Musiala in den ersten beiden Vorrundenspielen gegen Frankreich und Portugal den Sprung in den 23-Mann-Kader des DFB-Teams verpasste, durfte er gegen Ungarn nicht nur auf der Bank sitzen, sondern wurde in der 82. Minute beim Stand von 1:2 sogar eingewechselt, konnte dabei auch prompt überzeugen und verhinderte ein blamables Ausscheiden.
Matthäus für Startelfeinsatz Musialas gegen England
Der unbekümmerte Youngster leitete nämlich den Ausgleich durch Leon Goretzka toll ein und wurde anschließend voll allen Seiten mit Lob überschüttet: "Er hatte einige gute Situationen. Gerade wenn es ein wenig eng ist, hat er seine Stärken. Für einen so jungen Spieler hat er es gut gemacht. Er war frech, seine Leistung war sehr ansprechend", schwärmte Bundestrainer Jogi Löw.
Lothar Matthäus ergänzte: "Ohne seine Einzelleistung auf der linken Seite wäre das Tor von Goretzka nie gefallen. Also er ist für mich der Gewinner des Spiels. Er hat Dinge gemacht, die ich 80 Minuten vorher nicht gesehen habe", so der Sky Experte, der Musiala im Achtelfinale gegen England nun sogar in die Startformation hieven würde.
Genauso wie auch Didi Hamann, der ebenfalls nur lobende Worte für den 18-Jährigen findet: "Er ist ein Spieler, der ein Eins-gegen-Eins mit einer Körpertäuschung auflösen und einen Spieler aussteigen lassen kann, um eine neue Situation zu schaffen. Wir haben sonst keinen Spielertypen wie ihn und man sollte überlegen, ihn von Anfang an spielen zu lassen.", so der ehemalige Liverpool-Profi.
Gnabry erklärt Bambi-Spitzname
Ob Löw Musiala wirklich in die erste Elf befördert, ist unklar. Klar ist aber schon jetzt, dass es für Bambi, wie der Jungspund in der Nationalelf gerufen wird, ein ganz besonderes Spiel wird.
"Der Spitzname kam von Leroy, da man an seinen Bewegungen, die sehr flüssig sind, einen Zusammenhang erkennen kann", erklärt Gnabry den Ursprung des Spitznamens und lobt anschließend auch noch: "Er kommt immer wieder an seinen Gegenspielern vorbei und zudem ist er noch extrem jung und einfach ein lieber, süßer Kerl."
Musiala ist in aller Munde, aber vom Jungstar selbst hört man nur selten etwas. Wenn man ihn aber reden hört, wird schnell klar, warum das Duell gegen die Three Lions für den Teenager kein Duell wie jedes andere ist. Musiala integriert nämlich immer wieder englische Begriffe in seinen deutschen Sprachgebrauch.
So sprach er vor dem Turnier davon, dass Deutschland ein sehr starkes Team habe, aber auch die Three Lions "eine sehr gute squad" hätten. Nach seinem bemerkenswerten Kurzeinsatz gegen Ungarn erklärte Musiala, dass er mit "Confidence" ins Spiel gekommen sei.
In England aufgewachsen
Überraschend ist dieses denglisch nicht, denn der Sohn einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters pendelte fast sein ganzes Leben zwischen den beiden Nationen. In Stuttgart geboren, zog die Familie ins osthessische Fulda, als Musiala noch ein Kleinkind war. Dort macht er im Alter von fünf Jahren seine ersten fußballerischen Schritte beim TSV Lehnherz, aber bereits mit sieben Jahren verschlägt es die Familie weiter nach England. Um genauer zu sein nach Southampton, denn dort studiert seine Mutter Carolin für ein Semester.
Scouts des FC Southampton werden bei einem Feriencamp auf Jamal aufmerksam und nehmen ihn in der Nachwuchsakademie auf. Schnell bemerkt auch der FC Chelsea das Ausnahmetalent und will Musiala verpflichten. Die Familie kehrt zwar nach Semesterende kurz nach Fulda zurück, siedelt aber 2011 endgültig nach England um und nimmt die Blues-Offerte an, als Mama Carolin einen Job in der Nähe der von Chelseas Trainingsgelände findet. Bis 2019 durchläuft Musiala sämtliche Jugendmannschaften des amtierenden Champions-League-Siegers, ehe er als 16-Jähriger zum FC Bayern wechselt.
Rekorde beim FC Bayern
Eine Entscheidung, die der Shootingstar nicht bereuen sollte. Ziemlich genau vor einem Jahr wurde er am 20. Juni 2020 gegen den SC Freiburg im Alter von 17 Jahren und 125 Tagen zum jüngsten Debütanten beim FC Bayern überhaupt.
Rund drei Monate später schnappte er sich beim Auftaktspiel der abgelaufenen Spielzeit gegen Schalke zudem den Rekord als jüngster Bundesliga-Torschütze der FCB-Geschichte - er war am 18. September 2020 gerade einmal 17 Jahre und 202 Tage jung. Natürlich gehört Musiala mittlerweile auch der Rekord des jüngsten Torschütze in der Münchner Champions-League-Geschichte. Am 23. Februar 2021 trifft er im Alter von 17 Jahren und 363 Tagen sehenswert bei Lazio Rom.
Wenig später unterschreibt er seinen ersten Profivertrag und feiert auch sein Debüt in der deutschen Nationalmannschaft. "Ich habe ein Herz für Deutschland und ein Herz für England. Beide Herzen werden auch weiterhin schlagen", sagte Musiala damals und erklärte, dass er sich bei seiner Wahl auf sein "Gefühl" verlassen habe. "Und diese Entscheidung fühlt sich nun auch 100 Prozent richtig an."
Musiala freut sich auf Duell
Auch das Mutterland des Fußballs hatte sich lange Hoffnungen auf Musiala gemacht, schließlich lief der quirlige Mittelfeldspieler nur in der U16 für den DFB auf. In dieser Altersklasse absolvierte er allerdings auch Spiele für England - genauso wie in der U15, U17 und der U21.
Bei der Euro wurde er nun jedoch zum jüngsten DFB-Spieler bei einer EM oder WM und ist einer der Hauptgründe, dass es überhaupt zum Knaller zwischen England und Deutschland kommt.
"Ich freue mich drauf, das ist meine zweite Heimat, ich bin richtig heiß drauf. Ich kenne einige Spieler da, ich habe schon vorm Spiel mit Jude Bellingham geredet. Das wird ein cooles Spiel, ich freue mich einfach drauf, egal was passiert. In Wembley, gegen England, das ist einfach ein großes Spiel", erklärte Musiala bei der Bild.
Gute Erinnerungen an Wembley
An das Wembleystadion hat Musiala übrigens beste Erfahrungen: Als Elfjähriger gelangen ihm bei einer Show-Einlage in der Halbzeitpause in dem weltbekannten Fußball-Palast vier Tore. Deutsche Fans hätten nichts dagegen, wenn sich die Geschichte am Dienstag wiederholt. Vielleicht reichen am Ende aber auch wieder nur acht Minuten plus Nachspielzeit, damit ausgerechnet Bambi die Three Lions zu Fall bringt.