Für Belgien endet gegen Italien einmal mehr ein Großturnier zu früh, für Youngster Jeremy Doku war es aber wohl der Startschuss einer großen Karriere. Nicht nur Englands Gary Lineker schwärmt vom Tempodribbler.
Der Ausfall von Eden Hazard hatte sich schon in den vergangenen Tagen bei den Belgiern abgezeichnet. Der Real-Star würde nach seiner Muskelverletzung gegen Italien nicht spielen können, aber Trainer Roberto Martinez hatte Alternativen auf der Bank. Yannick Carrasco vom spanischen Meister Atletico zum Beispiel, der die Position auch in der Vergangenheit schon öfter bekleidet hatte. Martinez entschied sich aber anders und brachte mit Doku einen Teenager, den ZDF-Experte Marc Wilmots bereits vor der Partie als "Bombe" bezeichnete.
Doku überzeugt gegen Italien
Ein wenig überraschte die Wahl schon, denn Doku kam im bisherigen Turnierverlauf nur im bedeutungslosen letzten Gruppenspiel gegen Finnland zum Einsatz. Gegen Russland, Dänemark und im Achtelfinale gegen Titelverteidiger Portugal saß er 90 Minuten auf der Bank.
Doch gegen die Italiener erhielt der Flügelstürmer das Vertrauen und zahlte dies mit einer herausragenden Leistung zurück. Der 19-Jährige war bei den Roten Teufeln der auffälligste Mann auf dem Platz und stellte die abgeklärte italienische Hintermannschaft um Routiniers wie Giorgio Chiellini und Leonardo Bonnuci ein ums andere Mal vor knifflige Aufgaben. Der trickreiche Tempodribbler suchte immer wieder das Eins gegen Eins und holte so auch den Elfmeter zum einzigen Treffer Belgiens heraus.
Klopp wollte Doku schon mit 15
Insgesamt acht erfolgreiche Dribblings konnte Doku nach 90 Minuten verzeichnen - Rekord für einen Teenager bei einer Welt- und Europameisterschaft seit der detaillierten Datenerfassung. Englands Ikone Gary Lineker schwärmte bei Twitter, dass der Youngster ihn "schwindelig" mache und prognostizierte, dass zahlreiche Topklubs sich um Doku reißen werden.
Damit dürfte der WM-Torschützenkönig von 1986 recht behalten, denn im Notizblock der großen Klubs war der Belgier bereits vor dem Galaauftritt gegen Italien. Jürgen Klopp wollte Doku beispielsweise bereits 2018 nach Liverpool holen - mit 15 Jahren.
"Klopp skizzierte uns, warum er in Jeremy einen möglichen Nachfolger für Sadio Mane sieht", erklärte David Doku, Jeremys Vater der belgischen Zeitung Het Nieuwsblad. Die Reds hatten Papa und Sohn damals nach Anfield geladen, um sie von einem Wechsel zu überzeugen. "Sadio Mane kam sogar kurz, um mit mir zu sprechen", berichtete Jeremy beim Foot Magazine.
Viele Topklubs waren interessiert
Letztlich entschied sich Doku damals aber gegen einen Transfer. Neben Liverpool waren auch Arsenal, Chelsea, Manchester City, Ajax und PSV am Youngster dran, wie sein Vater erklärte.
"Leute aus meiner Umgebung haben mir dazu geraten, zu Liverpool zu gehen, weil ich so eine Chance vielleicht nie mehr bekomme. Aber ich sehe das anders: Wenn Liverpool Interesse an mir als 15-Jährigem zeigt, dann werden sie mich später auch holen wollen, wenn ich meine Leistungen auf höchstem Niveau bestätigt habe", erläuterte der Flügelspieler seinen Entschluss bei seinem Jugendklub RSC Anderlecht zu bleiben.
Rekordtransfer für Rennes und Anderlecht
Tatsächlich debütierte er beim belgischen Rekordmeister wenig später im Alter von gerade einmal 16 Jahren in der ersten Mannschaft und entwickelte sich zum absoluten Stammspieler. Am Deadline Day 2020 wechselte Doku dann doch - und zwar nach Frankreich zu Stade Rennes, das stolze 26 Milliionen Euro für das Jahrhunderttalent auf den Tisch legte. Ein Rekordtransfer in doppeltem Sinne, denn für keinen Spieler legten die Franzosen je mehr hin und auch Anderlecht nahm für keinen Profi eine höhere Ablöse ein.
Leicht fiel ihm der Wechsel nicht, wie er bei Twitter deutlich machte: "Danke an alle für die letzten acht Jahre, ich war Teil dieser Familie, die mich dabei unterstützte, als Spieler und Person zu wachsen. Ich liebe diesen Klub und werde die Erinnerungen, die wir geteilt haben, nie vergessen".
Einer für Bayern oder den BVB?
Dennoch dürfte es der richtige Schritt gewesen sein, denn auch in der Bretagne startete der Shootingstar sofort durch und war nicht nur Stammspieler, sondern sammelte auch erste Erfahrungen in der Champions League mit Rennes. Sein Marktwert bei KPMG explodierte daher folgerichtig seitdem innerhalb weniger Monate von 7,8 Millionen Euro (Oktober 2020) auf aktuell 33 Millionen Euro (Stand: April 2021).
In Rennes ist Doku noch bis 2025 gebunden, aber das dürfte Interessenten nicht abhalten. Möglicherweise zählt auch der FC Bayern dazu, falls Kingsley Coman den Verein doch noch verlassen sollte. Oder Borussia Dortmund, wo ein Nachfolger von Jadon Sancho benötigt wird. Und wer könnte da besser passen als Doku, der nicht nur im Verein Rechtsaußen spielt, sondern auch von der Spielanlage und den Bewegungen stark an den Engländer erinnert?
Mindestens 100 Millionen Euro Ablöse
Rennes will den nur 1,71 Meter großen Edeltechniker aber nur ziehen lassen, falls ein außerordentliches Angebot hereinflattert, wie Präsident Nicolas Holveck bereits vor der EURO gegenüber Medienvertretern deutlich machte: "Wenn man sich sein Potenzial ansieht, ist es möglich, dass er diesen Sommer mit Angeboten umworben wird, aber es ist klar, dass er nächste Saison bei uns sein wird. Wenn es eine Offerte von 100 Millionen Euro gibt, werden wir uns damit aber auseinandersetzen."
Der Auftritt als Hazard-Ersatz gegen Italien dürfte sicherlich nicht dafür gesorgt haben, dass die Franzosen von dieser Forderung abrücken. Im Gegenteil, denn der kleine Mann hat schon jetzt gezeigt, dass er einer für die ganz großen Klubs ist.