Didi Hamann zeigt sich vom Aus von Bayern-Trainer Julian Nagelsmann überrascht, dennoch "war das einzig konsequent, sich zu trennen". Der Sky Experte ordnet exklusiv den Zeitpunkt und die Ursachen ein und äußert sich zum designierten Nachfolger Thomas Tuchel.
Didi Hamann…
…über den Zeitpunkt der Entscheidung: "Der Zeitpunkt war schon etwas überraschend. Nichtsdestotrotz gab es ja in den letzten Wochen und Monaten immer wieder Stimmen, dass man mit der Arbeit nicht wirklich zufrieden ist, auch wenn es in der Champions League gut lief. Aber in der Liga hat man nach der Weltmeisterschaft einen großen Vorsprung verspielt auf die Dortmunder. Da war dieses Cancelo-Thema, den man holt, den weltbesten Außenverteidiger, der dann nicht spielt. Also es waren schon einige Themen, aber nach den beiden überzeugenden Paris-Spielen hätte ich schon gedacht, dass man zumindest dem Trainer noch die Chance gibt, gegen City ins Halbfinale einzuziehen.''
… über seine Einschätzung der Gründe der Beurlaubung: "Ob's die richtige Entscheidung ist, das wird man sehen. Nur ich glaube, dass Nagelsmann über die 18 Monate, er sich zu sehr in Details verzettelt hat und das große Ganze ja ein Stück weit übersehen hat. Das Wichtigste wenn du in München bist, ist, dass du die Jungs auf deine Seite bekommst und dass die für dich durchs Feuer gehen. Und das ist nicht so wichtig, ob du mit drei und vier oder fünf in der Kette spielst oder wie auch immer. Das sind die weltbesten Spieler und denen musst du natürlich auch gewisse Freiheiten geben. Und wenn du ihnen versuchst, irgendwas aufzuzwingen, dann nimmst du ihnen auch ein Stück Freiheit und ein Stück Verantwortung, was sie natürlich wollen, weil die Jungs oder die 25 Spieler, die da sind, die spielen bei Bayern München, weil's die Weltbesten sind. Und ich glaube, dass er sich da etwas zu sehr in Taktik-Fragen verzettelt hat und das große Ganze weniger im Blick hatte, was in München wahrscheinlich das Wichtigste ist."
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…über die Probleme des Julian Nagelsmann beim FC Bayern: "In München ist es so, dass die Spieler die Spiele gewinnen. Das ist wahrscheinlich überall so, aber in München noch mehr wie überall anders. Und wenn man sich die erfolgreichen Trainer in München anschaut, waren das zum Teil nicht die größten Taktiker. Aber das waren Leute, die einfach gewusst haben, wie sie mit den Spielern umgehen. Und das ist heute im modernen Fußball in der heutigen Zeit wahrscheinlich noch mehr der Fall, als es vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Und ich hatte nie das Gefühl, dass da wirklich eine Einheit entsteht, wo die Spiele für den Trainer durchs Feuer gehen. Es gab ja die Geschichten, dass Kimmich sein engster Ansprechpartner ist. Dann hast du mit Sane und Gnabry, zwei der weltbesten Flügelspieler, die in den letzten Monaten einfach untergegangen sind. Und das hatte alles Gründe. Und ich glaube, dass ich möchte jetzt nicht sagen, er hat die Kabine verloren, aber ich glaube, dass es in den 18 Monaten nicht geschafft hat, den Draht zu den Spielern herzustellen, den du brauchst, um wirklich dann langfristig erfolgreich zu sein. (…) Ja, es hat sich ja etwas gelegt. Also ich glaube schon, dass es sich etwas geändert hat. Es war seine private Sache letztes Jahr, aber ich glaube, das hat man alles ganz gut gehändelt und moderiert. Und die, die sagten, dass er im Skateboard rumfährt oder mit dem Motorrad zum Training kommt, das hat sich ja etwas gelegt. Und ich glaube schon, dass er sich etwas geändert hat in den letzten Monaten, als er sah nach dem Villarreal-Spiel letztes Jahr, wie viel Gegenwind er bekommen hat. Also ich glaube, dass die, die die Themen abseits des Platzes, die mögen, in der Vergangenheit eine Rolle gespielt haben. Ich glaube zum jetzigen Zeitpunkt, die Trennung, das hat rein sportliche Gründe. Die desolate Leistung für Bayern-Verhältnisse gegen Leverkusen, wo man in allen Belangen zweiter Sieger war und natürlich auch den Kader, wenn man sich den anschaut. Das ist wahrscheinlich der beste Kader in Europa und da steigen natürlich auch die Ansprüche an die Mannschaft und an den Trainer. Und da muss man ganz klar sagen, dass die nach nach der Weltmeisterschaft abgesehen von den Paris Spielen bei weitem nicht erfüllt wurden."
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…über das Risiko eines Trainerwechsels: "Das größte Risiko ist wahrscheinlich das Finanzielle. Es gab ja wohl eine Klausel, dass man sich im Sommer relativ günstig hätte trennen können. Wie das jetzt, wie die Modalitäten sind, das muss man jetzt sehen. Aber wenn du es als Verein nicht das Gefühl hast, dass sich da was weiterentwickelt. Und noch mal wenn man sich den Kader anschaut, dass diese nicht zu vergleichen mit dem Kader vor einigen Jahren, mit de Ligt, mit Mane wurden absolute Weltklassespieler geholt und einen Cancelo jetzt zu holen, Alphonso Davis hat sich entwickelt, wahrscheinlich zum besten Linksverteidiger. Das ist geballte Qualität und auf allen Positionen hast du wahrscheinlich eine doppelte Besetzung und da musst du das auch Woche für Woche zeigen. Und wenn du mal einen Ausrutscher nach unten hast, dann ist das zu verzeihen einmal im Monat. Nur wenn man sich die Spiele nach der Winterpause anschaut, dann war das die Regel. Da gab es Ausschläge nach oben und nicht nach unten. Also in der Regel wurde nicht gut Fußball gespielt. Und deswegen würde ich nicht von einem Risiko sprechen.''
…über Thomas Tuchel als Nachfolger von Julian Nagelsmann: "Die Frage wird sein, wie sich ein Tuchel, sollte er kommen, wie er sich in München einfinden wird. Weil München ist natürlich was anderes. Auf der anderen Seite hat er natürlich große Vereine trainiert und einen Neymar und Mbappe in Paris zu trainieren - da brauchst du wahrscheinlich auch das Geschick eines Dompteurs. Das hat er gut gemeistert damals und deswegen traue ich ihm auch zu, dass er das in München packt. (…) Wer erst mal große Erfahrung hat. Er war bei großen Vereinen, was bei Julian Nagelsmann nicht der Fall war. Das heißt, er hat mit den weltbesten Spielern gearbeitet und hat es verstanden, dann den gewissen Spirit reinzubringen. Und das würde mit Sicherheit helfen. Er ist wahrscheinlich etwas erfahrener, auch aufgrund des Alters, das er hat und deswegen halte ich das für eine sehr gute Lösung. Hat in Chelsea in kurzer Zeit Großes erreicht und Großes geschaffen. Und was in Chelsea jetzt passiert, nachdem er weggegangen ist, sieht man auch. Also ich glaube, dass die das die Chance sehr, sehr viel größer ist als das Risiko. Ich würde da nicht von Risiko sprechen. Man hat dem Trainer lang genug die Chancen gegeben oder die Chance gegeben. Man hat ihn auch immer wieder seiner Verantwortung und Verpflichtungen erinnert, auf dem Platz, außerhalb des Platzes. Und nach dem Leverkusen-Spiel hat man wahrscheinlich einfach die Entscheidung getroffen, dass man gesagt hat, 'wir machen nicht den Fortschritt oder die Fortschritte auf dem Platz mit ihm, wie wir es uns vorgestellt haben'. Und deswegen war das einzig konsequent, sich zu trennen."
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