FC Bayern München: Kolumne zum Aus von Julian Nagelsmann & zu Thomas Tuchel

Nagelsmann-Aus bei Bayern: Skurrile Fußnote

Von Sven Töllner

Image: Sven Töllner schreibt in seiner Kolumne über die aktuellen Themen in der Welt des Fußballs.

Sky Reporter Sven Töllner blickt in seiner Kolumne "HAU DAS DING RAUS" auf die aktuellen Ereignisse im Fußball. Diesmal: Das überraschende Aus von Julian Nagelsmann beim FC Bayern.

Am 1. April (!) sitzt nun also Thomas Tuchel das erste Mal auf der Bayern-Bank! Gegen Borussia Dortmund, den Klub, bei dem er 2017 - übertrieben milde formuliert - im Unfrieden geschieden war. Der als anstrengend verschriene Erfolgs-Coach ersetzt somit den Kollegen, den der Rekordmeister vor anderthalb Jahren für 25 Millionen Euro aus Leipzig losgeeist hatte - und dessen Außendarstellung die Bosse an der Säbener Straße offenbar zunehmend unter Stress gesetzt hat.

In der Unterhaltungs-Branche gibt es eine stählerne Regel: Die Punchline muss sitzen! Ob man sie nun mag oder nicht: Die Mia-san-Mia-Abteilung hat wieder mal ein stabiles Gespür für krachende Pointen bewiesen. Journalisten - so heißt es - hätten Julian Nagelsmann gestern darüber informiert, dass sein (absolut realistischer) Triple-Traum heute offiziell zerplatzen wird. Die möglicherweise äußerst üppige Abfindungs-Vereinbarung hat die Münchener Führungskräfte nicht davon abgehalten, rigoros durchzuregieren.

Ein Kommentar zum FC Bayern und Julian Nagelsmann.

Nur sportliche Gründe für das Aus?

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Motto: DER MUSS WEG! Aus sportlichen Gründen? Wohl eher nicht, wenn man das Interview des Vorstandsvorsitzenden Herbert Hainer im aktuellen Kicker als Referenz zulassen möchte. „Wir planen mit ihm langfristig, haben das mit einem Fünfjahresvertrag dokumentiert, weil wir mit ihm etwas aufbauen wollen. Man erkennt einen deutlichen Fortschritt in diesen eineinhalb Jahren. Julian macht es sehr gut." Der 35-jährige Fußballlehrer wird es wohl noch viele Jahre gut machen - nur halt irgendwo andernorts.

Die Tapalovic-Entlassung, das daraus resultierende Neuer-Interview, Gnabrys Wochenend-Ausflug, Nagelsmanns Hang zu flamboyanten Klamotten, seine mitunter vorwitzigen Einlassungen… Nicht auszuschließen, dass es viele Ratten (rein metaphorisch gesprochen natürlich) waren, die den Status des höchstbegabten Landsbergers nach und nach bis auf den Knochen heruntergenagt haben.

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Sky Reporter Torben Hoffmann nennt die Gründe für das Aus von Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.

Das Zeitfenster habe die spektakuläre Maßnahme notwendig gemacht - so eine kursierende Interpretation. Im Sommer wäre Tuchel ja nicht mehr zu haben gewesen, spekulieren manche. Warum eigentlich nicht? Wenn Tuchel von der Mission bei den Bayern überzeugt ist, hätte er eine Verabredung mit den Verantwortlichen treffen und Tottenham oder Real oder wem auch immer eine Absage erteilen können. Aber mindestens eine der beiden Parteien wollte den Deal JETZT. So sehr, dass die Entscheidungsträger die fußballweltweite Verwunderung genauso billigend in Kauf genommen haben, wie die Demütigung, die Nagelsmann empfinden muss.

Ein riskanter Poker

Eine Überreaktion der Bayern, weil weder bei Jürgen Klopp noch bei Tuchel jemals der passende Moment entstanden ist, um den besten deutschen Trainer zum besten deutschen Verein zu holen? Sie müssen sich jedenfalls sehr sicher sein, dass der Nagelsmann-Nachfolger in der Lage ist, das ganze Geschehen auf ein anderes Niveau zu hieven. Im Express-Tempo! Nach den nächsten vier Spielen könnte die Bayern-Saison theoretisch in Schutt und Asche liegen. Meisterschaft, Pokal, Champions League - die kommenden zweieinhalb Wochen werden gewiss einige Antworten liefern.

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Sky Experte Dietmar Hamann zum FC Bayern und Julian Nagelsmann.

Startet Tuchel durch, wird das allgemeine Unverständnis zügig von Begeisterung und Lobgesängen abgelöst werden. Strauchelt der Neue, wird es spannend. Impulskontrolle nach Negativ-Erlebnissen war noch nie seine Stärke. Und wie sehr gerieten die Bayern-Bosse unter Druck, falls das Manöver in die Irre laufen sollte? Allemal ein riskanter Poker - in jeder Hinsicht.

Der beste Trainer seiner Generation

Julian Nagelsmann ist womöglich der beste Trainer seiner Generation - einer, der in der Gegenwart Qualität garantiert und dessen herausragende Zukunfts-Prognose keinen Schaden nehmen wird. Kein Zweifel, dass zeitnah die ersten Interessenten versuchen werden, ihrerseits von dem überraschend entstandenen Zeitfenster zu profitieren. Ein Job in der Bundesliga wird der Flughöhe, die Nagelsmann inzwischen erreicht hat, allerdings nicht mehr gerecht werden können. Über seine Fähigkeiten als Trainer besteht in der Branche Einigkeit.

Joshua Kimmich zu Julian Nagelsmann und die Situation beim FC Bayern.

Dass er für das eine oder andere ungewöhnliche Bild gesorgt, manchmal ein bisschen mehr preisgegeben hat, als bei den Bayern üblich, wird internationale Top-Vereine, kaum abschrecken. Es ist somit eine Frage der Zeit, wann Nagelsmann auf höchster Ebene auf den Klub treffen wird, den er seit Kindheitstagen als Fan begleitet. Ob es dann Tuchel sein wird, mit dem er sich duellieren muss, ist unklar. Das hängt in erheblichem Maße davon ab, wie gut sich Tuchels Charakter-Merkmale in den sehr speziellen Planeten an der Säbener Straße integrieren lassen.

Erlauben wir uns zum Abschluss einen Moment der Melancholie - inspiriert von Rio Reiser: „Es ist vorbei - bye bye, Julian." Der steile Aufstieg des Überfliegers wird auf eigenartige Weise unterbrochen - aber ganz sicher nicht gestoppt. Das Intermezzo beim Rekordmeister wird irgendwann mit großer Wahrscheinlichkeit zur skurrilen Fußnote einer herausragenden Trainer-Karriere werden.

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