Am Samstag wird kein Auge trocken bleiben: Der FC Bayern wird nach dem Spiel gegen den FC Augsburg zum neunten Mal in Folge die Schale entgegennehmen. Es ist der krönende Schlussakt für ein Trio, das eine legendäre Ära beim Rekordmeister geprägt hat.
Erfolgscoach Hansi Flick mit insgesamt sieben Titeln, die Vereinslegenden Hermann Gerland und Miroslav Klose sowie das Triple-Trio um David Alaba, Jerome Boateng sowie Javi Martinez - der FC Bayern hätte seinen verdienten Mitarbeitern und Spielern liebend gern den erhofften Abschied durch das berühmt-berüchtigte "große Tor" vor 75.000 Fans in der Allianz Arena ermöglicht. Es wäre angebracht gewesen.
Zumindest werden ein paar Jubelrufe und Applaus aufbranden, da aufgrund der aktuellen Sieben-Tage-Inzidenz immerhin 250 Zuschauer erlaubt sind. Neben den 100 Tickets, die an Personen aus dem Gesundheitswesen vergeben werden, erhalten Flick, Alaba & Co. für ihre Verabschiedung nach Bayern-Angaben jeweils fünf Tickets.
ZUM DURCHKLICKEN: Diese Spieler verlassen die Bundesliga
Daher dürfte es auch in dem kleineren Rahmen durchaus emotional zugehen, zumal drei Spieler den Verein verlassen, die eine einmalige Erfolgsära entscheidend mitgeprägt haben. Alaba, Boateng und Martinez werden den FC Bayern im Sommer ablösefrei verlassen und eine neue Herausforderung annehmen. Sky Sport blickt zurück auf ihre Zeit beim deutschen Rekordmeister samt imposanten Zahlen und Rekorden.
Javi Martinez (seit 2013 beim FC Bayern): Der stille Held
Der 32-Jährige hatte seinen kitschigen Abschiedsmoment bereits im Oktober vergangenen Jahres. Mit einem Bein bei seinem Heimatverein Athletic Bilbao, köpfte er den FC Bayern in der Verlängerung gegen den FC Sevilla zum umjubelten Triumph im UEFA Supercup. "Er hat dem Verein sehr viel gegeben", lobte Thomas Müller im Anschluss seinen Teamkollegen.
Martinez blieb dann doch, eine Oberschenkel-Verletzung sowie eine Corona-Erkrankung ließen jedoch nur noch vereinzelte Kurzeinsätze zu. Mit dem Mittelfeldspieler verlässt einer der ganz Großen den Verein, denn eines konnten sie in München immer: sich auf ihn verlassen. Selbst nach schweren Verletzungen (Kreuzbandriss 2014, Meniskusschaden 2016) kämpfte er sich stets zurück.
Der spanische Welt- und Europameister kam 2012 als absoluter Wunschspieler von Jupp Heynckes für die damalige Rekordablöse von 40 Millionen Euro in die bayrische Landeshauptstadt. "Es war eine schwierige Entscheidung, [...] weil die Ablöse von damals 40 Millionen Euro eine absolute Rekordsumme für uns dargestellt hat", sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge zuletzt. Retrospektiv war sie goldwert.
Martinez zählte beim ersten Triple-Gewinn 2013 zu den wichtigsten Faktoren, mit Bastian Schweinsteiger bildete er ein kongeniales Duo auf der Doppel-Sechs. Vor allem mit seiner Zweikampfstärke hielt der "baskische Wadlbeißer" dem Spielgestalter den Rücken frei. Beeindruckend: Seit der Saison 2012/13 gewann der nach außen zurückhaltend wirkende, intern aber als Spaßvogel bekannte Mittelfeldmann starke 64 Prozent seiner Duelle - kein anderer Spieler mit mindestens 100 Bundesliga-Spielen für die Bayern weist solch eine Quote auf.
Das "Mia san mia" verkörperte der Mittelfeldspieler auf und neben dem Platz. Er gewann 82 Prozent seiner Bundesliga-Spiele (höchste Siegquote in der Bundesliga) und holte in jedem Jahr die Deutsche Meisterschaft (insgesamt neun Mal). Zudem gewann er fünf Mal den DFB-Pokal, zwei Mal die Champions League und den Klub-WM-Titel. Höhepunkte waren zweifelsohne die historischen Triple-Jahre 2013 und 2020.
Eines ist klar: Das "Servus" von Martinez wird emotional. "Ich habe diesen Verein gelebt, immer alles für ihn gegeben. Der FC Bayern und seine Fans werden immer in meinem Herzen bleiben. Muchas gracias, Dankeschön, Servus - wir sehen uns", richtete er bereits im Vorfeld ein paar Abschiedsworte an seinen langjährigen Arbeitgeber. Wie und wo es für ihn weitergehen wird, ist noch offen.
Jerome Boateng (seit 2011 beim FC Bayern): Das erfolgreiche Stehaufmännchen
Nicht viele Spieler beim FC Bayern sind in den Genuss gekommen, eine Dekade prägen zu dürfen. Dass Jerome Boateng dazu zählen würde, hätten 2011 nur die wenigsten vermutet. Nach einer eher unglücklichen Saison bei Manchester City landete der hochtalentierte Innenverteidiger für 13,5 Millionen Euro an der Säbener Straße.
Gerade anfangs stand er aufgrund mangelnder Konzentration und Nachlässigkeiten des Öfteren in der Kritik. Teilweise wurde er in der Öffentlichkeit gar zum Gespött, sein Umfaller im Champions-League-Halbfinale 2015 gegen Lionel Messi ging um die Welt und machte ein Meme aus ihm. "Rückblickend kann ich darüber lachen, das war Weltklasse gemacht. Für mich sieht das natürlich schlecht aus, aber das gehört im Fußball dazu", erklärte Boateng kürzlich.
Szenen wie diese sorgten dafür, dass er lange Zeit unterschätzt wurde. Dabei hält er in der Bundesliga bis heute einen sagenhaften Rekord: Zwischen November 2012 und Dezember 2014 kassierte er in 56 Spielen in Serie nicht eine Niederlage. Boateng, der Unbesiegbare! Den langjährigen Nationalspieler allerdings nur auf diese Statistik zu reduzieren, wäre nicht angemessen.
Der 32-Jährige ist in München zu einem der besten Innenverteidiger der Welt gereift und hat damit eine bemerkenswerte Metamorphose vollzogen. Von allen Trainern geschätzt wurden vor allem seine Quarterback-Qualitäten, als Spielmacher im Abwehrzentrum bediente er seine Mitspieler größtenteils mit zentimetergenauen Zuspielen.
Die 2470 langen Pässe seit seinem Bayern-Debüt werden in der Bundesliga nur von Mats Hummels (2671) getoppt, die Erfolgsquote von 62 Prozent spricht für sich. Trotz dieser sportlichen Qualitäten polarisierte Boateng beim Rekordmeister auch wie kein Zweiter.
Legendär ist die öffentliche "Back to Earth"-Kritik aus dem Jahr 2016, als Rummenigge wieder mehr Bodenhaftung von Boateng forderte. Vor zwei Jahren riet Uli Hoeneß dem Defensiv-Spezialisten mit offenen Worten ("Er braucht eine neue Herausforderung, er wirkt wie ein Fremdkörper") gar zu einem Wechsel und auch im Zwist zwischen Flick und Hasan Salihamidzic spielte die Nicht-Verlängerung sowie die Art und Weise der Verkündung eine gewichtige Rolle.
Vergeben und vergessen, Boateng blickt nach zehn ereignisreichen Jahren ohne jeglichen Groll auf seine Zeit in München zurück. "Ich bin unglaublich stolz, dass ich hier Teil der Geschichte geworden bin, so viele Spiele machen durfte, viele Freunde getroffen habe und den Fußball mit dem FC Bayern genießen durfte." Wie es für den gebürtigen Berliner weitergeht, ist noch nicht bekannt.
David Alaba (seit 2008 beim FC Bayern): Der Rekordmeister
Ob am Samstag doch die ein oder andere Träne fließen wird? Aufgrund der spärlichen Kulisse ist sich Alaba nicht sicher, "ob mir äußerlich die Tränen kommen, aber innerlich mit Sicherheit". Nach 13 Jahren sagt das österreichische Eigengewächs "Servus". Verabschieden wird er sich als Rekordmeister, gleich zehn Mal heimste er mit dem FCB die Schale ein.
Ob unter Louis van Gaal, Jupp Heynckes, Pep Guardiola oder Hansi Flick, ob als Linksverteidiger, auf der Sechs oder im Abwehrzentrum - Alaba war stets gesetzt. Kein anderer ausländischer Spieler absolvierte so viele Bundesliga-Spiele (280) und so viele Pflichtspiele im Profifußball für die Bayern (430) wie der flexibel einsetzbare Defensiv-Spezialist.
Seine Spielintelligenz macht ihn zu einem Ausnahmekönner, dazu kommt noch sein unnachahmliches Ballgefühl, das er vor allem bei ruhenden Bällen zur Schau stellte. Mit sieben direkt verwandelten Freistößen führt er das Bayern-Ranking an. Doch Alaba ist mehr als nur ein unumstrittener Leistungsträger.
Bayerns damaliger Sportvorstand Matthias Sammer bezeichnete ihn bereits 2014 aufgrund seiner sportlichen wie auch charakterlichen Eigenschaften als "ein Geschenk". Mit seinem unvergleichlichen Wiener Schmäh zählt Alaba zu den Publikumslieblingen, in der Kabine sorgte er besonders im Verbund mit Franck Ribery für den einen oder anderen Streich.
Neben Thomas Müller gehört er auch zu den letzten Identifikationsfiguren im Team. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich in den monatelangen Vertragspoker viele Emotionen mischten, die zeitweise überkochten. Auch die personifizierte Frohnatur machte plötzlich ein ernstes Gesicht.
Hoeneß bezeichnete Alabas Berater Pini Zahavi als "geldgierigen Piranha", der Österreicher vermisste hingegen die Wertschätzung des Vereins. Es drohte ein unwürdiger Abschied, doch beide Seiten haben sich am Ende zusammengerissen und die Kurve bekommen.
Alaba werde besonders "die Kabine und meine Kollegen und die Fans im Stadion" vermissen, zudem "das Gefühl an der Säbener Straße, wo ich zu Beginn ja sogar noch zwei Jahre im Jugendhaus gewohnt habe", sagte er zuletzt im Mitgliedermagazin 51. Wohin seine weitere Reise geht, ist ein offenes Geheimnis. Nach Sky Informationen wird er in Kürze einen Vertrag bei Real Madrid unterschreiben. Aus dem Rekordmeister wird ein Königlicher.