Auf den letzten Drücker hat der FC Bayern noch vier neue Spieler verpflichten können. Doch wie sind Marc Roca, Douglas Costa, Eric Maxim Choupo-Moting und Bouna Sarr einzuschätzen? Handelt der Rekordmeister zweckorientiert oder fehlt der Weitblick?
Seit Wochen und Monaten forderte Coach Hansi Flick noch Verstärkungen für den Kader des FC Bayern. Kein Wunder nach den Abgängen von Philippe Coutinho, Ivan Perisic, Alvaro Odriozola (alle nach Leihe zurück zu ihren Stammvereinen) und Thiago (wechselte zum FC Liverpool).
Sane-Verletzung verschärft Personalsorgen
Zudem wurden auch die Youngster Lars Lukas Mai und Christian Früchtl frühzeitig ausgeliehen. Auf der Gegenseite standen lange Zeit nur Ersatztorhüter Alexander Nübel (ablösefrei von Schalke 04), Top-Talent Tanguy Nianzou (ablösefrei von Paris St. Germain) und natürlich Superstar Leroy Sane als Zugänge zu Buche.
Für den Nationalspieler überwiesen die Münchner stolze 50 Millionen Euro an Manchester City. Sane demonstrierte bei seinen ersten Auftritten für den FCB auch sofort, dass das Geld gut investiert ist, verletzte sich aber prompt und erhöhte damit die Personalsorgen Flicks.
Trotz vielversprechender Auftritte einiger Nachwuchsleute wie Offensiv-Allrounder Jamal Musiala, Angreifer Joshua Zirkzee und Abwehrmann Chris Richards war somit klar, dass Sportvorstand Hasan Salihamidzic seinem Trainer noch den ein oder anderen Wunsch erfüllen würde.
Vier Neue auf den letzten Drücker
Am Ende fiel die Wahl auf Rechtsverteidiger Sarr, Roca, der auf der Sechs zu Hause ist, Flügelflitzer Douglas Costa und Choupo-Moting, der vor allem als Backup für Robert Lewandowski eingeplant ist. Vier Namen, die zwar kurzfristig helfen können, sich aber teilweise auch den Titel als B-Lösung gefallen lassen müssen.
Am wenigsten passt dieses Label zu Roca, den die Münchner bereits im vergangenen Sommer verpflichten wollten und ausgiebig gescoutet haben. Der 23-Jährige kostet laut Sky Informationen zudem nur rund 15 Millionen Euro und damit deutlich weniger als die kolportierten 40 Millionen, die Espanyol vor zwölf Monaten forderte. Doch nach dem Abstieg der Katalanen mussten diese ihre Vorstellungen nach unten korrigieren und die Bayern schlugen dankend zu.
Bei Espanyol kam Roca insgesamt in 121 Pflichtspielen zum Einsatz und erzielte dabei drei Tore. Im Sommer 2019 holte er mit der spanischen U21-Nationalmannschaft zudem den Europameister-Titel und soll nun mithelfen, die Lücke zu schließen, die Landsmann Thiago hinterlassen hat.
Rangnick von Roca angetan
Eine Rolle, in die der Stratege sicherlich hineinwachsen kann, wenn man Ralf Rangnick glauben kann: Der Ex-Macher von RB Leipzig bezeichnete den Mittelfeldspieler im Sky Studio am Deadline Day als "tollen Quarterback, der die Offensivspieler immer wieder mit klugen Pässen in Szene setzen kann".
Die Bayern-Fans hoffen zudem, dass sich demnächst auch ein alter Bekannter auf den offensiven Flügeln wieder in Szene setzen kann: Douglas Costa ist nach seinem unrühmlichen Abschied aus München 2017 zurück in der bayrischen Landeshauptstadt. Seinerzeit ließ der damalige Bayern-Präsident Uli Hoeneß kein gutes Haar am Brasilianer und bezeichnete ihn als Söldner.
Douglas Costa nur die B-Lösung?
Heute klingt dies etwas anders: "Douglas wird uns auf den für unser Spiel wichtigen Außenbahnen stärken. [...] Douglas kennt den FC Bayern und wird sich sehr schnell wieder zurechtfinden", lobte Salihamidzic. Erste Wahl war der 30-Jährige freilich auch beim Sportvorstand nicht.
Die Bayern wollten eigentlich unbedingt Callum Hudson-Odoi vom FC Chelsea verpflichten, aber es kam letztlich zu keiner Einigung mit den Blues, da die Bayern keiner Kaufverpflichtung zustimmen wollten. Somit fiel die Wahl auf Costa - Kaufverpflichtung oder Kaufoption gibt es aber keine.
Auch der neue Rechtsverteidiger war eher nicht die Wunschlösung für die Position hinter Benjamin Pavard. Eigentlich sollte es ein junger und entwicklungsfähiger Spieler sein. So wie der 19-jährige Sergino Dest, mit dem sich die Bayern nach Sky Informationen bereits einig waren, aber bei den Ablöseverhandlungen mit Ajax nicht bereit waren, über 20 Millionen Euro auf den Tisch zu legen. Dest wechselte letztlich zum FC Barcelona.
Sarr kommt statt Dest
Auch mit Youngstern wie dem 20-jährigen Max Aarons von Norwich City oder dem 19-jährigen Tariq Lamptey von Brighton & Hove Albion beschäftigte sich der Triplesieger. Allerdings hätten alle Kandidaten ähnlich viel gekostet und die Wahl fiel am Ende auf Sarr, der für rund zehn Millionen Euro von Olympique Marseille an die Isar wechselt. Zwar betont Salihamidzic, dass Sarr "sich beim FC Bayern noch einmal weiterentwickeln wird" und lobt dessen Dynamik und Stabilität, aber mit seinen 28 Jahren ist Sarr dennoch ein gutes Stück älter als die ursprünglichen Optionen.
Für den Franzosen, der sich bis 2024 bindet, spricht allerdings tatsächlich seine Erfahrung. In Marseille gehörte er zum Stammpersonal und lief insgesamt in 181 Partien für den Traditionsklub auf.
Abgerundet haben die Bayern ihre Transferoffensive mit Choupo-Moting, der bei Paris St. Germain keinen Vertrag mehr erhielt. Der Routinier kommt somit ablösefrei für eine Saison zum Rekordmeister und soll Lewandowski in dieser eng getakteten Saison die ein oder andere Verschnaufpause verschaffen.
Er würde damit die gleiche Rolle ausfüllen wie bei den Franzosen, als er in der vergangenen Saison insgesamt auf 20 Einsätze kam und dabei immerhin sechs Tore erzielte. Highlight war natürlich sein Siegtreffer in der Nachspielzeit im Champions-League-Viertelfinale gegen Atalanta Bergamo.
Kein Vertrauen in Nachwuchs?
Die Transfers machen insgesamt deutlich, dass man den eigenen Nachwuchsleuten (noch) keine größere Rolle im Kader zutraut. Richards dürfte mit Pavard und Sarr vor der Nase als Rechtsverteidiger kaum noch Einsatzchancen haben. Ähnliches gilt für Adrian Fein im zentralen Mittelfeld, der aber ohnehin mehr für die zweite Mannschaft eingeplant ist.
Auch Musiala - seit dieser Saison jüngster Torschütze der Bundesligageschichte des FC Bayern - ist auf den Außenbahnen hinter Serge Gnabry, Kingsley Coman, Sane und nun eben Costa nur noch die Nummer fünf. Und selbst Joshua Zirkzee, der in seinen 357 Minuten im deutschen Oberhaus immerhin schon vier Tore erzielte, wird es schwer haben, an Choupo-Moting vorbeizukommen.
Den Youngstern droht mittelfristig somit ein ähnliches Schicksal wie Torhüter Christian Früchtl, der ebenfalls als großes Talent gilt, sich aber nach der Verpflichtung von Nübel ausleihen ließ. Eine langfristige Strategie oder ein Konzept sind somit nur bedingt erkennbar, erst recht, wenn man bedenkt, dass zumindest Sarr und Costa auch nicht erste Wahl waren.
Stimmt ab: Was haltet ihr von Bayerns Transferstrategie
Festhalten muss man jedoch auch, dass sämtliche Deals mit geringem oder sogar gar keinem Risiko verbunden sind. Choupo-Moting und Costa sind nur für die kommende Spielzeit in München gebunden und bei Sarr und Roca mussten die Bayern für ihre Verhältnisse nicht viel Geld in die Hand nehmen. Die Last-Minute-Transfers können somit als zweckorientiert bezeichnet werden, denn die Neuen werden den Handlungsspielraum Flicks in der anstehenden Spielzeit definitiv vergrößern.
Wenn die Münchner dort ähnlich erfolgreich sind wie zuletzt, war der eingeschlagene Weg auf dem Transfermarkt von Salihamidzic & Co. sicherlich nicht falsch. Ob er auch für die langfristige Zukunft der Bayern richtig war, wird sich aber wohl erst in einigen Jahren zeigen, wenn abzusehen ist, ob die Entwicklung von Musiala, Richards & Co. durch die Neuen nicht gebremst wurde.