FC Bayern: Viererkette um Pavard, Boateng, Alaba & Davies brilliert
Zum Glück gezwungen: Bayerns Abwehr-Metamorphose
Von Florian Poenitz
Benjamin Pavard, Jerome Boateng, David Alaba und Alphonso Davies haben sich in der Viererkette des FC Bayern festgespielt. Ein Quartett, das unter Trainer Hansi Flick konstant starke Leistungen abruft. Doch vor der Saison haben die Münchner noch mit einer ganz anderen Abwehrformation geplant.
Das Double in der Tasche, die Champions League vor den Augen: Die Bayern haben eine herausragende Rückrunde gespielt und können diese sogar noch im August mit dem Gewinn der Champions League vergolden. Einen großen Anteil am Erfolg hat unter anderem auch Bayerns Viererkette, die sich im Laufe der Saison herauskristallisiert hat.
Boateng, Davies & Co. wurden zu ihrem Glück gezwungen
Benjamin Pavard und Alphonso Davies sind von den Außenbahnen nicht mehr wegzudenken, auch Jerome Boateng und David Alaba überzeugen in der Innenverteidigung mit konstant starken Leistungen. Vor dieser Saison hätte wohl kaum jemand an eine solche Formation in der hintersten Kette geglaubt.
Eigentlich waren Niklas Süle und Rekord-Neuzugang Lucas Hernandez für die Zentrale vorgesehen. Zudem galten Joshua Kimmich und Alaba auf den Außenbahnen als erste Wahl, doch es ist bekanntermaßen anders gekommen. Und das hat verschiedene Gründe.
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Süle erleidet Kreuzbandriss, Hernandez fällt mit Innenbandanriss aus
Früh in der Saison wurden alle Planungen der Klub-Bosse über den Haufen geworfen, genauer gesagt am 19. Oktober 2019. An diesem Samstag zog sich der als Abwehrchef vorgesehene Süle beim Spiel in Augsburg einen Kreuzbandriss nach einem Sprintduell mit Florian Niederlechner zu.
Der Schock saß bei allen Beteiligten tief. Ein paar Tage später dann die nächste Hiobsbotschaft. Beim französischen Defensiv-Allrounder Hernandez wurde ein Innenbandanriss am Sprunggelenk diagnostiziert. Schon damals war abzusehen: Die Hinrunde war für den Weltmeister von 2018 gelaufen!
Des einen Leid ist des anderen Freud. Der damalige Noch-Cheftrainer Niko Kovac beorderte daraufhin Davies auf die Linksverteidiger-Position. Für den kanadischen Youngster war das die große Chance, sich in der Startelf der Münchner festzuspielen, nachdem er nach seinem Wechsel zum FCB in der Rückrunde zuvor nicht über Kurzeinsätze hinausgekommen war.
Zu diesem Zeitpunkt war der 19-Jährige noch eine "Notlösung". Dass Davies eine derartige Entwicklung nehmen sollte, konnte niemand erahnen. Der Flügelflitzer entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zum Publikumsliebling und glänzte in der Bundesliga vor allem als Vorbereiter (fünf Assists, 35 Torschussvorlagen). Sein Markenzeichen ist jedoch die unfassbare Geschwindigkeit, mit der er die Gegner regelrecht zur Verzweiflung bringt.
Mit einem Top-Speed von 36,5 km/h hat Davies sogar einen neuen Geschwindigkeitsrekord im deutschen Fußball-Oberhaus aufgestellt. Damit war auch klar, dass Alaba dauerhaft in die Zentrale rücken würde. Der Österreicher entwickelte sich unter Kovac-Nachfolger Hansi Flick zum neuen Abwehrchef und ließ die Ausfälle von Süle und Hernandez in Vergessenheit geraten.
Alaba brillierte über die komplette Saison mit starken Zweikampfwerten (60 Prozent) und einer hohen Passgenauigkeit (91,6 Prozent). Zudem feuerte der Linksfuß 18 Mal aufs gegnerische Tor und bereitete genauso viele Torschüsse seiner Mitspieler vor. Für Sky Experte Lothar Matthäus ist Alaba sogar zum besten Innenverteidiger der Bundesliga herangereift.
Boateng erlebt zweiten Frühling in München
Neben Davies hat vor allem Boateng von den Verletzungen seiner Kontrahenten profitiert, wobei schon in der Vorbereitung abzusehen war, dass sich der ehemalige deutsche Nationalspieler in einer besseren Verfassung befinden würde.
"Ich bin mit Jerome sehr zufrieden", sagte der damalige Trainer Kovac und lobte den gebürtigen Berliner in höchsten Tönen: ''Er macht das außerordentlich konzentriert und gut. Die Trainingsleistung und die Spielleistung waren sehr gut. Er ist in guter Form aus dem Urlaub gekommen."
Diese Form konnte der Weltmeister von 2014 in der zurückliegenden Bundesliga-Saison bestätigen. In puncto Zweikampfquote (61,3 Prozent) und Passgenauigkeit (92 Prozent) war Boateng sogar der beste Abwehrspieler in Reihen des FCB. Zudem hat der 31-Jährige starke 75,4 Prozent seiner Luftzweikämpfe für sich entschieden.
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Ähnliche starke Werte kann auch Pavard vorweisen, der sich in dieser Spielzeit als Rechtsverteidiger etabliert hat. Der Franzose war vor dem Tor der gefährlichste Bayern-Verteidiger (vier Treffer) und hatte zudem die meisten klärenden Aktionen (56).
Pavard auf Rechtsaußen - Kimmich ins Mittelfeld
Als der Defensiv-Allrounder im vergangenen Sommer nach München kam, war er jedoch hauptsächlich für die Innenverteidigung eingeplant. Doch dann kam die Personalie Joshua Kimmich ins Spiel. Der hochgelobte Lahm-Nachfolger machte nie einen Hehl daraus, dass er am liebsten auf der Sechs im defensiven Mittelfeld spielt, wie beispielsweise auch beim DFB-Team.
Allerdings gab es beim FCB auf der Rechtsverteidiger-Position keine ernstzunehmende Alternative zum deutschen Nationalspieler. Das änderte sich mit der Verpflichtung von Pavard. Kimmich rückte zu Beginn der Saison - auch schon unter Kovac - ins defensive Mittelfeld vor und bestritt dort nahezu jedes Spiel.
Verschiedene Umstände haben dazu geführt, dass sich die Viererkette mit Pavard, Boateng, Alaba und Davies im Laufe der Saison gefunden hat. Aus der Not wurde quasi eine Tugend gemacht. Oder anders gesagt: Boateng, Davies & Co. wurden zu ihrem Glück gezwungen.