Julian Nagelsmann könnte nach seiner Freistellung beim FC Bayern zeitnah wieder als Trainer arbeiten. Der 35-Jährige ist nach Sky Informationen Top-Kandidat beim FC Chelsea. Aber macht ein Engagement wirklich Sinn? Sky Sport beleuchtet den möglichen Deal aus drei Perspektiven.
Das hatte sich der FC Chelsea sicherlich anders vorgestellt, als man Thomas Tuchel vor rund sieben Monaten von seinen Aufgaben entbunden hat. Der 49-Jährige gewann 2021 mit den Blues noch die Champions League, musste nach einem schwachen Saisonstart im September 2022 aber überraschend die Koffer packen. Als Nachfolger präsentierten die Londoner wenig später Graham Potter, der zuvor bei Brighton & Hove Albion für Furore sorgte und eine üppige Ablöse kostete.
Doch bei den Blues lief es unter dem 47-Jährigen gar nicht. In der Champions League setzte man sich zwar gegen Borussia Dortmund durch und trifft nun im Viertelfinale auf Real Madrid, aber in der Premier League hinkt Chelsea den eigenen Ansprüchen meilenweit hinterher. Trotz massiver Investitionen auf dem Transfermarkt in der Wintertransferperiode gelangen aus den vergangenen neun Ligaspielen nur zwei Siege, als Tabellenelfter (!) liegt der Klub bereits elf Zähler hinter den internationalen Plätzen. Folgerichtig gab Chelsea am Sonntagabend die Trennung von Potter bekannt.
Top-Kandidat ist nach Sky Informationen Nagelsmann, der beim FC Bayern in der vergangenen Woche ausgerechnet von Ex-Chelsea-Coach Tuchel abgelöst wurde. Aber würde ein Engagement Nagelsmanns an der Stamford Bridge überhaupt Sinn machen? Sky Sport beleuchtet den möglichen Deal aus drei Blickwinkeln.
Blickwinkel FC Bayern: Der große Gewinner eines möglichen Deals
Die Bayern sahen die Saisonziele unter dem Trainer Nagelsmann gefährdet und trennten sich vom Übungsleiter. Nagelsmann wird aber weiter von den Münchnern bezahlt, bis er einen neuen Job hat oder man sich auf eine Vertragsauflösung - inklusive Abfindung - verständigt. Für den deutschen Rekordmeister käme es also einem Sechser im Lotto gleich, wenn Nagelsmann so schnell einen neuen Job finden würde. Oliver Kahn erklärte bei Sky90, dass er nicht davon ausgehe, dass Nagelsmann in der laufenden Saison wieder bei einem neuen Klub einsteigt.
Umso erfreulicher wäre ein Engagement in der Premier League: Man würde nicht nur die rund acht Millionen Euro Gehalt einsparen, sondern könnte unter Umständen sogar einen Teil der 25 Millionen Euro Ablöse, die man einst an RB Leipzig überwies, wieder einspielen. Zudem sind die Bayern an Chelseas Assistenten Anthony Barry interessiert. Tuchel will seinen ehemaligen Co-Trainer aus London gerne nach München holen, aber Chelsea stellt sich noch quer. Sollten sich die Blues mit Nagelsmann einig werden, wären die Münchner auch in der Personalie Barry in einer guten Verhandlungsposition.
Blickwinkel Nagelsmann: Chance auf einen Top-Job
Nach Sky Informationen ist der Trainerposten bei Chelsea für Nagelsmann tatsächlich "eine Option". In London würde er mit dem Technischen Direktor Christopher Vivell auf einen alten Bekannten treffen, den er bereits aus gemeinsamen Zeiten bei der TSG Hoffenheim und RB Leipzig kennt. Es wäre nicht der einzige positive Aspekt eines möglichen Engagements. Es ist unbestritten, dass der Kader der Blues deutlich mehr hergibt, als die Ergebnisse unter Potter zuletzt vermuten lassen.
Die beiden Partien gegen den BVB haben eindrucksvoll bewiesen, was Chelsea leisten kann. Der Kader ist in sämtlichen Mannschaftsteilen gespickt mit Weltklassespielern und zudem scheint Geld in Nord-London keine übergeordnete Rolle zu spielen. Sprich: Nagelsmann könnte den Kader in den nächsten Transferperioden nach seinem Gusto umbauen. Zwar wird Chelsea in der kommenden Spielzeit wahrscheinlich nicht international spielen, aber die Ziele blieben unverändert hoch. Mit den Blues könnte Nagelsmann um mehrere Titel spielen und seine noch recht spärliche Trophäen-Sammlung aufpäppeln.
Natürlich ist die Haltbarkeitszeit der letzten Trainer an der Stamford Bridge nicht übermäßig lange, aber der neue Besitzer Todd Boehly hielt - trotz ausbleibender Ergebnisse - relativ lange an Potter fest und Nagelsmann dürfte nach dem gescheiterten Potter-Experiment sicherlich auch eine verhältnismäßig lange Leine haben.
Blickwinkel Chelsea: Chance und Risiko
Chelsea sehnt sich nach Kontinuität auf der Trainerbank. Nach dem Potter-Fiasko mehr denn je. Daher überrascht es nicht, dass Nagelsmann Top-Favorit auf den Posten ist. Bei der TSG Hoffenheim und RB Leipzig bewies der Coach, dass er perspektivisch arbeiten kann. Bei beiden Stationen endete die Zusammenarbeit nur deshalb, weil Nagelsmann den nächsten Schritt gehen wollte. Eine Gefahr, die in London nicht wirklich besteht. Auch die Qualitäten des gebürtigen Landsbergers sind unbestritten: Er bewies bei allen Stationen, dass er einer Mannschaft seine Handschrift verpassen kann und auch, dass er Spieler besser machen kann.
Allerdings hat er beim FC Bayern nicht nachweislich demonstriert, dass er mit Superstars umgehen kann. Zwar haben sich Leon Goretzka und Joshua Kimmich als glühende Fans des Übungsleiters entpuppt, aber in der vergangenen Saison soll es Unstimmigkeiten mit Robert Lewandowski gegeben haben. Auch weitere namhafte Akteure wie Manuel Neuer, Thomas Müller, Sadio Mane oder Joao Cancelo galten nicht wirklich als Fans des jungen Trainers. Die Bayern-Bosse Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn erklärten bei der Vorstellung seines Nachfolgers daher auch, dass es zwischen Trainer und Team nicht mehr stimmte.
Möglich, dass Nagelsmann aus seinen Fehlern gelernt hat und es bei seinem nächsten Job besser macht. Gegen Nagelsmann spricht aber, dass Leipzig in der ersten Saison nach seinem Abgang prompt einen Titel gewann und er selbst mit dem FC Bayern auch "nur" die Meisterschaft einheimsen konnte. Inwieweit diese Referenz reicht, um sich in der durchaus komplizierten Kabine der Blues den nötigen Respekt zu verschaffen, ist unklar. Klar ist aber, dass andere gehandelte Kandidaten - beispielsweise Zinedine Zidane - in dieser Beziehung deutlich mehr zu bieten haben. Daher ist ein Nagelsmann-Engagement für Chelsea zwar die Chance auf einen potenziellen Toptrainer, aber es birgt auch Risiken...