Die Bosse gönnten sich nur ein paar Stunden Schlaf, dann jagten sie den "armen Hund" vom Hof. Am Morgen nach dem Pokaldebakel wurde Frank Kramer als Trainer von Schalke 04 gefeuert.
Ein Nachfolger für den erfolglosen Coach, der nur viereinhalb Monate im Amt war, wurde vor dem richtungsweisenden Spiel am Sonntag bei Hertha BSC noch nicht präsentiert - der Name Thomas Reis ist dennoch allgegenwärtig.
"Die Art und Weise" der vergangenen Auftritte in der Fußball-Bundesliga und im DFB-Pokal "war des FC Schalke 04 nicht würdig", begründete Sportvorstand Peter Knäbel die Trennung von Kramer: "Unsere Analyse geht auch deshalb über die Einzelperson des Cheftrainers hinaus. Wir werden uns in allen Bereichen signifikant verbessern müssen, um unser großes Ziel - den Klassenerhalt - erreichen zu können."
Deshalb blieb nicht mehr als Mitleid für den Ex-Coach. "Frank Kramer ist ein armer Hund", kommentierte Sportdirektor Rouven Schröder im Anschluss an das 1:5 (0:3) in der 2. Runde des DFB-Pokals bei der TSG Hoffenheim die prekäre Lage des deprimierten Trainers - und warf die entscheidende Frage auf: "Wer möchte mit ihm tauschen?"
Kramer ohne Argumente
Doch am Mittwoch war klar, dass am Austausch Kramers kein Weg vorbeiführte. Der desaströse Auftritt der Königsblauen bei ihrer heftigsten Pokalklatsche seit 17 Jahren machte deutlich, dass ein neuer Impuls beim Aufsteiger gesetzt werden musste. Schließlich hat die Partie bei der Hertha (17.30 Uhr/DAZN) nach fünf Pflichtspiel-Niederlagen richtungsweisenden Charakter für den Tabellenvorletzten.
"Aus unserer Sicht ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem wir personelle Veränderungen vornehmen müssen", sagte Schröder: "In den letzten fünf Ligaspielen vor einer außergewöhnlich langen WM-Pause müssen wir punkten, um uns im Anschluss bestmöglich auf eine für unseren Verein wegweisende Rückrunde vorzubereiten."
Kramer selbst meldete sich nach seinem Aus ebenfalls zu Wort: "Ich bin sehr dankbar, dass ich Teil dieses großartigen Vereins sein durfte. Leider ist es uns unter dem Strich nicht gelungen, die notwendigen Resultate zu erzielen. Ich wünsche Schalke 04 und seinen ganz besonderen Fans alles Gute für die Zukunft - und vor allem den Klassenerhalt am Ende der Saison."
Schalke heillos überfordert
Dass Schalke vor schweren Wochen steht, gestand Schröder unumwunden ein. "In dieser Form werden wir kein Spiel gewinnen", äußerte der Sportchef im Anschluss an das Pokal-Aus an seinem 47. Geburtstag: "Das Spiel kann uns nicht in Ruhe lassen. Eines ist klar: Mit so einer Leistung können wir in Berlin nicht bestehen."
Tatsächlich kann Schalke mit einem Auftritt wie vor 15.633 Zuschauern in Sinsheim nirgendwo bestehen. Vier Tage nach der Niederlage in der Liga gegen die TSG (0:3) waren die heillos überforderten Gäste mit dem Ergebnis noch gut bedient. Das hatte auch der am Dienstag noch amtierende Trainer, der unter lauten "Kramer raus"-Rufen der mitgereisten Fans in die Kabine getrottet war, so gesehen.
"Es war unbestritten unsere schlechteste Saisonleistung. Schlechter geht es ja auch nicht", gestand der konsternierte Coach ein, der ohnehin nur noch "auf Bewährung" an der Seitenlinie gestanden hatte: "Die Wehrlosigkeit ist mir fast ein Rätsel. Wir haben alle den Verein im Stich gelassen."
Gerüchte um Reis
Die Analyse des 50-Jährigen machte klar, dass die Zeichen schon unmittelbar nach Abpfiff auf Abschied standen. Trotz eines Vertrags bis 2024 wurde Kramer in den vergangenen Monaten den Makel der Notlösung nicht los. Nur weil sich Schalke zahlreiche Absagen eingehandelt hatte, durfte der Coach im Sommer die Nachfolge von Interimstrainer Mike Büskens antreten.
Entsprechend wurde schon vor dem Pokalspiel eifrig darüber diskutiert, wer Kramer beerben könnte. Dabei fiel immer wieder der Name von Reis. Der Ex-Bochumer, der erst kürzlich beim VfL gehen musste, war schon im Sommer ein Thema bei Schalke. Und wird es nun wohl wieder.
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